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Schreibwettbewerb-Siegertext „Zukunftsbesuch“

Schreibwettbewerb „Unser Leben – unsere Zukunft“. Hier ist Siegertext von Nevena Banov, HAK Baden, Klasse 3CK

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Preisverleihung_Schreibwettbewerb-Baden-2020_Nevena-Banov_Foto Pohl

Die Alarmglocken dröhnen, doch vom Entwicklungsteam achtet niemand auf das Geräusch. Ihre schnellen Schritte hallen durch den grauen Korridor, während die Gruppe Richtung Bunker marschiert, in dem das Gerät einsatzbereit wartet. Hopes Hände schwitzen vor Aufregung, als die schwere Metalltür aufgeht und das Team in den hell erleuchteten Raum tritt, in dessen Mitte eine Kapsel thront. Schweigend bereiten ihre Kollegen alles vor und legen Hope den silbernen Anzug an. „Viel Erfolg, wir zählen auf Sie“ sind die finalen Worte ihres Vorgesetzten, als sie in die Kapsel steigt. Dann wird alles dunkel.

Der Wecker klingelt. 21. März 2030, 06.30 Uhr. Verschlafen kriecht John aus dem Bett. 30 Minuten später lässt sich der Professor von seinem Auto ins Internationale Forschungszentrum für Innovation bringen, während draußen ein ungewöhnlich starker Regen auf die Straße niederprasselt. Aber was ist heute noch gewöhnlich? Das Wetter ist schon seit Jahrzehnten unvorhersehbar. Im Labor gibt es wie erwartet keine Neuigkeiten, deshalb begibt sich John in sein Büro.

Nach einem ereignislosen Arbeitstag will er gerade Feierabend machen, als es passiert. Zuerst ist es ein leises Knistern, so als würde sich die Luft elektrisch aufladen. Erstaunt sieht der Professor von seiner Arbeit auf und traut seinen Augen nicht. Vor ihm kristallisiert sich, anfangs kaum erkennbar, dann immer deutlicher, eine Person, scheinbar aus der Luft. Fassungslos starrt John auf die Frau, die nun festumrissen vor ihm steht.

„Ist das hier das Forschungszentrum für Innovation? Ist heute der 21. März 2030?“ fragt die Unbekannte atemlos. Ihr mehr als außergewöhnlicher metallischer Anzug und ihre ungewöhnlich helle Haut lassen sie unnatürlich erscheinen. John bringt nur ein stockendes Nicken zustande. Erleichtert atmet die Frau aus. Dann erst, so kommt es John vor, registriert sie ihn.
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„Guten Tag, mein Name ist Hope und ich komme aus dem Jahr 2112. Bitte fürchten Sie sich nicht, ich erscheine im Namen des zukünftigen Forschungszentrums, um Ihnen zu helfen, die Welt vor ihrem Untergang zu bewahren“ trägt sie die einstudierten Sätze vor. Nach anhaltendem Schweigen scheint sich John gesammelt zu haben und stellt sich ebenfalls vor. „Wir, 15 Milliarden Menschen, sind auf Ihre sofortigen Handlungen angewiesen“, fährt sie nun fort. „denn bei uns herrscht Krieg, die Erde ist völlig verbraucht und in einigen Monaten wird es keine Ressourcen zum Leben mehr geben. Nachdem wir die unerlässlichen Veränderungen für 2030 ermittelt haben, ist es uns gelungen, eine Zeitkapsel zu errichten, um zu Ihnen zu reisen und Sie zu unterstützen, unseren Planeten zu retten. Wenn wir richtig recherchiert haben, findet morgen der Weltkongress statt, zu dem Sie mich bitte bringen. Kann ich auf Ihre Unterstützung zählen?“ Sprachlos nickt John.

Rasch ist ein Elektroflieger bestellt, der die beiden zum Veranstaltungsort bringt. Auf Hopes Wunsch hin benachrichtigt John seine einflussreichsten Kollegen über das unglaubliche Ereignis, auch die Medien bekommen Wind von der Sache.
Während des Nachtflugs ist an Schlaf nicht zu denken. Hope interessiert sich für die derzeitige Weltsituation. John erzählt über die aktuelle Migrationswelle aus Afrika, die zu einem großen Problem werden könnte, über die weltweit politisch angespannte Lage und über die ungewissen wirtschaftlichen Entwicklungen. Hope nickt: „Genau wie wir es ermittelt haben.“

Als sie ankommen, werden sie von einer riesigen Menschenmenge inklusive Polizei erwartet, die die beiden sicher zum Kongressraum geleitet. Das Staunen der Politiker und zahlreichen Wissenschaftler über die Fremde ist unmöglich zu übersehen, als diese durch die Reihen schreitet, um ihre Ansprache zu halten. Bei ihrem außerirdischen Anblick zweifelt kaum jemand, dass sie aus der Zukunft kommt.

Hope holt einen kleinen Würfel aus ihrer Tasche und wirft ihn auf den Boden. Prompt entsteht auf der Bühne ein riesiges 3D-Bild, ein Hologramm. Hopes Rede beginnt mit denselben Sätzen, die sie zu John gesagt hatte, doch diesmal begleiten erschreckende Hologrammabbildungen ihre Worte. Zu erkennen ist eine ultramoderne Stadt, wie sie derzeit nicht vorstellbar ist, doch gleichzeitig ist ihre unermessliche Zerstörung nicht zu übersehen.

„Es gibt kaum Pflanzen, die Flüsse, die unsere Wasserkraftwerke ankurbeln sollten, sind ausgetrocknet. Wir haben Photosynthesemaschinen, doch uns geht der Strom für ihre Betreibung aus. Die Hälfte der Weltbevölkerung musste im letzten Jahrhundert fliehen, weil ihr Heimatort nicht mehr zum Leben geeignet war. Dies führte zu einer Überbevölkerung in den Metropolen. Es gibt zu wenig Essen, zu wenig Wasser, zu wenig Luft zum Atmen. Einigen
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wenigen geht es gut, sie regieren die Welt. Der Rest kämpft ums Überleben. Mit allen Waffen. Und glauben Sie mir, im Gegensatz zu unseren sind Ihre Waffen Kinderspielzeug.“

Schweigend starren alle auf die erschreckenden Bilder, während Hope fortfährt: „Wir haben die Schritte ermittelt, die Sie jetzt setzen müssen, um die Erde zu retten:
Erstens muss die Technologisierung strenger geprüft werden, denn zu viele elektromagnetische Wellen bringen die Tierwelt, die Natur und unseren menschlichen Körper völlig aus dem Gleichgewicht. Wir können nicht mehr richtig funktionieren, das hat Insektensterben, Naturkatastrophen und Krankheiten zur Folge.

Zweitens muss in Afrika investiert werden, denn Afrika ist der Kontinent der Zukunft. Die Wüste hält riesige, bisher ungenutzte Ressourcen bereit, nämlich die Kraft der Sonne. Installieren Sie Photovoltaikanlagen, bilden Sie die dortige Bevölkerung aus und Sie werden sehen, welch unerschöpfliche Strommengen Afrika der Welt zur Verfügung stellen wird.

Und drittens ist es unerlässlich, dass Sie Ihren Konsum tierischer Produkte drastisch reduzieren. Nur mit einer radikalen und mutigen Ernährungsumstellung von einem Großteil der Bevölkerung können Sie den Hunger eliminieren und die Umweltzerstörung beenden. Die freiwerdenden Flächen können für den Anbau biologischer Produkte für die gesamte Menschheit genutzt werden.
Sobald Sie diese Wandlungen erzielen, sollte ich mich den Berechnungen nach auflösen, da ich dann nie hierher gereist wäre.“

Nach dieser Rede war nichts mehr wie vorher. Die Schreckensbilder der katastrophalen Zukunft gingen um die Welt und fraßen sich unter die Haut der Leute. Kriege wurden beendet, nachhaltige Verträge unterzeichnet, Unternehmen veränderten ihre Arbeitsweise, Menschen ihre Ernährung. Länder schlossen sich zusammen, um gemeinsam gegen einen neuen Feind vorzugehen: dem drohenden Weltuntergang. Und als die letzte riesige Fleischfabrik Amerikas schloss, das letzte Kind verhungerte und der Waldanteil nach Jahrhunderten wieder anstieg, an diesem Tag löste sich Hope auf.