Alter Schmuck auf neuen Wegen
Es gibt Momente, in denen die Erinnerung leise an die Tür klopft – in Form eines unförmigen Panzerarmbands, eines verstaubten Ex-Eherings oder der filigranen Goldstecker, die einst in Großmutters Ohren funkelten. Sie ruhen in Schatullen, verborgen hinter Glas und Stoff, und warten auf jemanden, der ihnen neues Leben schenkt.
Für die Gutensteinerin Alexandra Kusch – Goldschmiedin, Metallkünstlerin und leidenschaftliche Upcyclerin – sind all diese Schmuckstücke keine stummen Objekte, sondern Träger von Geschichten, Gefühlen und Bedeutungen. Die Magie ihres Handwerks liegt darin, aus Vergangenem etwas Zeitloses zu formen, das Herz und Hände gleichermaßen berührt.
Wissen teilen – Kreativität entfachen
Zwischen ihrem künstlerischen Schaffen, in dem sie expressive Metallskulpturen gestaltet und edle Unikate kreiert, hat es sich die 57-jährige gebürtige Hannoveranerin zur Aufgabe gemacht, ihr Wissen in Goldschmiedekursen weiterzugeben. Sie ermutigt ihre Kund*innen, bewusst hinzuschauen: Welche Schmuckstücke liegen zu Hause oder im Familienbesitz, die auf eine zweite Chance warten? „Viele bringen Erbstücke mit, die ihnen optisch nicht zusagen und die sie selbst nie tragen würden. Aber es stecken oftmals bedeutungsvolle Erinnerungen in diesen Kleinoden“, erzählt Alexandra.
Menschen und Motive
Ihre Kursteilnehmer*innen kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten. Da sind IT-Profis, die sich für einen Nachmittag von Bildschirmen und E-Mails lösen wollen, und Frischvermählte, die Ringe mit Bedeutung statt bloßem Materialwert suchen. Da sind Eltern mit ihren bereits erwachsenen Kindern oder Freund*innen, die sich gegenseitig diese kreative (Aus-)Zeit schenken, um gemeinsam zu fühlen, zu formen und zu staunen. „In unserer schnelllebigen Gesellschaft ist Zeit nun mal das schönste Geschenk. Und dann sogar noch gemeinsam etwas zu erschaffen – etwas, das bleibt –, ist wertvoller als jedes Gold“, betont die Künstlerin.
Wer die Werkstatt von Alexandra betritt, bringt also Erbstücke, Erinnerungen an vergangene Partnerschaften oder kleine, zerbrochene Goldreste mit, die lange vergessen schienen. Gemeinsam wird begutachtet, was sich weiterverarbeiten lässt: „Nicht jeder alte Schmuck eignet sich. Gelb-, Rose- und Rotgold ab einem Goldgehalt von mindestens 14 Karat – auf manchen Schmuckstücken findet sich eine Prägung mit der Zahl 585 oder höher – sowie Silber kann ich in meiner Werkstatt einschmelzen. Und das ist der Moment, in dem der ganze Zauber beginnt.“
Der Schmelzprozess – ein stilles Ritual
Für Kursteilnehmerin Sabine Rosenberger war dieser Prozess ein ganz besonderes Erlebnis: „Das Einschmelzen meines Eherings aus meiner Expartnerschaft war ein kleines Ritual. Ich durfte loslassen und gleichzeitig behalten. Es war keine wehmütige, sondern eine transformierende Erfahrung.“ Aus ihrem alten Ring wurde ein neuer – einer ihrer liebsten, den sie heute fast täglich trägt. „Meinen Ehering zu verkaufen kam für mich nämlich nie infrage“, sagt sie. „Diese Beziehung war ein wichtiger Teil meines Lebens. Das Gold umzuwandeln, ohne die Erinnerung zu verlieren, war Balsam für die Seele.“
Nachhaltigkeit trifft Sinnlichkeit
Gold-Upcycling ist ein bewusster Akt der Verantwortung. Mit jedem Stück, das neu gestaltet wird, werden wertvolle Ressourcen geschont. Und letztlich zählt nicht nur das Material, sondern die Erinnerung und das Erlebnis des eigenen Schaffens – sie sind unbezahlbar.
„Das erfahre ich immer wieder – wenn das Metall schmilzt, ist der Raum erfüllt von konzentrierter und demütiger Stille. Ich selbst sehe darin einen symbolischen Neuanfang“, erzählt Expertin Alexandra. Keines der edlen Stücke behält seine Form, sie alle dürfen sich verflüssigen – ähnlich wie beim Blei- oder Wachsgießen an Silvester. Edelsteine werden zuvor vorsichtig entfernt, das heiße Metall zu kleinen Zylindern oder Barren gegossen – je nachdem, was später daraus entstehen soll.
Eine alchemistische Transformation
Auch Susanne Okoase machte diese Erfahrung. Sie brachte die Armreifen ihrer verstorbenen Mutter mit. „Meine Mama war immer experimentierfreudig, hat stets Neues ausprobiert. Ich bin sicher, sie freute sich, als sie von oben heruntersah und mir zuschaute, wie ich aus ihren Schmuckstücken etwas Neues gestaltete“, erzählt Susanne. Nachdem sie den Armschmuck eingeschmolzen und zu kleinen Barren geformt hatte, begann sie zu sägen, feilen, hämmern, löten und polieren: „Ich hatte das Gefühl, nicht nur Gold zu bearbeiten, sondern meine eigene Geschichte. Jeder Schlag, jede frische Kurve, die ich formte, jedes neue Detail war wie ein Stück Heilung.“ Das Ziel war ein kleinteiliger Kettenanhänger, der aufgrund seiner Komplexität noch nicht ganz vollbracht ist.
Handwerk mit Herz
„In der Regel sollte aber jede*r Kursteilnehmer*in ein Schmuckstück während des Workshops fertigstellen können“, erklärt Goldschmiedin Alexandra. „Wir besprechen genau, was in fünf Stunden realisierbar ist. Skizzen und Beispielbilder helfen, die Idee zu fassen.“
Für viele ist ihre Werkstatt zunächst ein fremder Ort, der mit seinen speziellen Werktischen, heißen Lötbrennern, spitzen Zangen, kleinen Hämmern und scharfen Feinsägen bei vielen für ein Aha-Erlebnis sorgt. Denn Gold ist keineswegs ein gefügiger Werkstoff, sondern einer mit Widerstand, der echtes Werkzeug und wahre Muskelkraft erfordert, um in die gewünschte Form gebracht zu werden. „Viele sprechen es auch laut aus: ‚Oh, das ist aber anstrengend!‘“, lacht Alexandra. „Aber genau das ist es, was meine Teilnehmer*innen am Ende stolz macht. Der gesamte Prozess in meinem Kurs offenbart sich oftmals als pure Achterbahnfahrt der Gefühle. Euphorie, weil ein Arbeitsschritt nahtlos klappt. Frustration, weil plötzlich etwas schief geht. Grübeleien, wie man es nun anders machen könnte. Staunen und Freude über das Endprodukt.“
Alexandra Kusch begleitet, berät, motiviert – greift aber nur in Ausnahmefällen selbst ein: „Das eigene Tun ist Teil der Erfahrung. Nur wer das Material selbst spürt, versteht seinen Wert.“
Das Glänzen danach
Am Ende eines Workshops sitzen alle gemeinsam, betrachten ihre fertigen Schmuckstücke und teilen ihre Eindrücke. Wenn die Kursleiterin dann fragt: „Wie gefällt dir dein Stück?“, hört sie oft: „Es ist ganz anders geworden, als ich es geplant hatte – aber genau richtig so.“ „Das ist doch eine schöne Metapher fürs Leben“, meint Alexandra. „Man plant und doch verändert sich alles – und gerade das macht es wertvoll und einzigartig.“
Lisa Strebinger
WORKSHOP-INFOS
Ein Tag voller Kreativität, Geschichten, Magie und funkelndem Gold wartet in der Werkstatt von Alexandra Kusch.
Kosten: 80 Euro für die Einzelstunde (Material sichten und Einschmelzen) und 95 Euro für den Workshop (5 Stunden) plus Material (Gold- bzw. Silberlot)
Teilnehmerzahl: maximal 4 bis 5 Personen
Mehr Infos unter: alexandra-kusch.de
Wo nicht nur Gold glänzt
Alexandra Kusch teilt sich die Werkstatt mit ihrem Lebensgefährten Michael Löhrmann, der dort jedoch kein Edelmetall verarbeitet, sondern Holz. Auch bei ihm gibt es ein abwechslungsreiches Workshopprogramm von Grundkenntnis- bis zu Spezial-Kursen.
Wer Holztechniken lernen, Tische oder Sessel restaurieren, Vollholz-Möbel bauen, eine Schale drechseln oder einfach ein schönes Schneidbrett gestalten möchte, ist dort genau richtig. Ein Tipp für alle, die etwas Neues lernen möchten, eine kompetente Begleitung für ihr Projekt suchen und/oder einfach nur eine Werkstatt und das richtige Werkzeug benötigen.