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Vom Geistigen zum Handfesten

Genussschwärmereien von Jürgen Schmücking

Es ist wie mit den Messern. Die sind auch nicht per se böse. Man braucht sie, um damit die köstlichsten Köstlichkeiten zuzubereiten. Sie können extrem hilfreich sein und in Momenten höchster Not auch Leben retten. Sie können aber auch – in den Händen derer, die nichts Gutes wollen – enormen Schaden anrichten. Aber immer ist es der Mensch selbst, der entscheidet, ob so oder so. Gleiches gilt für den Alkohol. „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ sagt ein bekannter Gassenhauer. Hat er nicht. Es ist nur eine willkommene Rechtfertigung, um die Verantwortung abschieben zu können. In diesem Fall eben an den Teufel.

Ich bleibe diesmal beim Schnaps und dem, was er bewussten Genießern bieten kann. Edle Destillate sind drauf und dran, sich einen fixen Platz an der Tafel zu erobern. Und zwar sowohl im Essen (in Form sensationell guter Rezepte mit Schnaps als Zutat) und zum Essen (als hochprozentige Speisenbegleiter mit Hang zur Harmonie).

Mit Schnaps zu köchen ist nichts wirklich Neues. Es gibt Rezepte, die so alt sind, wie die ältesten Brennblasen und Gerichte, aus denen Brände überhaupt nicht wegzudenken sind. Dem Schweizer Käsefondue etwa, würde ohne Kirsch eine der wesentlichen Zutaten fehlen. Edelbrände und Liköre geben Speisen ein besonderes Aroma. Sie ermöglichen es dem Koch, feine Nuancen auf den Gaumen zu bringen, die oftmals erst auf den zweiten Bissen zu erkennen sind. Das Spiel mit den Aromen lässt viele Facetten zu – von der Verstärkung des Eigengeschmacks einer Zutat, wenn beispielsweise Birne mit einem Birnendestillat und Kürbis mit einem Kürbisdestillat unterstützt wird, bis zum gekonnten Zelebrieren von Gegensätzen, die auch aus Bodenständigem entstehen können.

Zum Essen – also als Speisenbegleiter – macht der Schnaps auch eine gute Figur. Die Griechen wussten das schon immer. Zu ihren üppigen Vorspeisenorgien von Dholmádes bis Skordaliá steht immer Ouzo am Tisch. Langsam erkennen auch die Produzenten hochwertiger Markenspirituosen das Potential ihrer Produkte. Es ist nicht lange her, da lud in Salzburg ein renommiertes Cognac-Haus zum exklusiven Dinner ein. Sechs (oder sieben-) gängig, verschiedene Cognacs zu den einzelnen Gerichten. Alleine der Einstieg war schon ein ziemlich frischer Knaller. Eiskalter Cognac mit Kräuterlimonade ist ein echter Gaumenöffner. Dann roher, in Limettensaft marinierter und herzhaft gewürzter Wildlachs mit Cognac. Der milde Weinbrand nimmt dem Lachs viel von seiner fordernden Schärfe und macht das Bild rund und harmonisch.

Ähnliches lässt sich mit Rum, Whisky, Fruchtbränden und klarerweise auch mit Grappa ausprobieren. Versuchen Sie einfach einmal – weil gerade Jagdsaison ist - zu einem Wildgericht Gin oder Wacholderschnaps zu servieren. Die Gäste werden staunen. Genau wie bei gereiftem Hartkäse und einem guten Vogelbeerbrand oder Himbeergeist zum Tiramisu.

Kreativ sein, ausprobieren. Nicht alles wird schmecken oder gelingen. Aber die Schnapsflaschen in den Wohnzimmerbars werden nicht besser. Freilich werden sie auch nicht schlechter, aber ihr Dasein im dunklen Schrank zu fristen ist nicht ihre Bestimmung.

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Jürgen Schmücking auf den Spuren des Genusses. Foto: Liga Jürgen Schmücking auf den Spuren des Genusses. Foto: Liga