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Stillen programmiert auf gesund

Muttermilch gibt dem Baby eine gute Basis, um zu einem gesunden Kind heranzuwachsen. Doch auch der Lebensstil vor und nach der Geburt wirken sich auf seine Gesundheit im Erwachsenenalter aus.

Baby schläft auf dem Arm der Mutter.
Foto: Kati Molin/Fotolia

Frühkindliche Prägung in den ersten 1000 Tagen

Die Prägung des kleinen Menschen beginnt nicht erst mit der Geburt. Schon im Mutterleib nimmt er über seine Mama an ihrem Leben und ihrer Ernährung teil. Das belegt die Wissenschaft der frühkindlichen Prägung. Sie ist ganzheitlich ausgerichtet und berücksichtigt - abseits der Gene - möglichst alle Faktoren, die auf den Menschen einwirken. Eine besondere Rolle sieht sie in der Ernährung während der ersten 1000 Tage, gerechnet von der Zeugung bis zu einem Alter von etwa zwei Jahren. Dieses Zeitfenster wird auch als 'window of opportunities' für die spätere Gesundheit bezeichnet.

Die Gene in die richtigen Bahnen lenken

Nur ein geringer Anteil der lebenslangen Gesundheit wird zum Zeitpunkt der Empfängnis durch die genetische Veranlagung bestimmt, ist Univ. Prof. Dr. Jürgen König vom Department für Ernährungswissenschaften der Uni Wien überzeugt: „Wie gesund oder krank der Mensch im Alter ist, wird offensichtlich zum größten Teil durch die Stoffwechselwege bestimmt, die bereits früh im Leben angelegt und stark von Umweltfaktoren beeinflusst werden. Unser Schicksal liegt daher nicht in unseren Genen.“

Die einzelnen Körperzellen tragen zwar immer dasselbe Erbgut in sich, es wird jedoch je nach Gewebe unterschiedlich gelesen. Einzelne Bereiche des Erbguts werden ruhiggestellt, wenn sie für das jeweilige Gewebe keine Bedeutung haben. Fetale oder frühkindliche Einflüsse können auf das Erbgut einwirken und dieses prägen. Im günstigsten Fall können sie die lebenslange Gesundheit erhöhen.

Übergewicht wird bereits im Mutterleib vorprogrammiert

Erstaunlich ist, dass bereits das Geburtsgewicht Rückschlüsse auf ein höheres Krankheitsrisiko  im späteren Leben zulässt. Ist der Fetus im Mutterleib mit Nährstoffen und Energie unter- oder überversorgt, kann dies im Erwachsenenalter Übergewicht und die damit verknüpften Probleme wie Bluthochdruck oder Typ 2-Diabetes zur Folge haben. Grund dafür ist eine Anpassung des kleinen Wesens an ungünstige Stoffwechselbedingungen. Schließlich will es überleben. Passiert diese zu einem kritischen Zeitpunkt der Entwicklung, kommt es zu einer Art Programmierung und der kindliche Stoffwechsel verändert sich dauerhaft.

Übergewicht ist auch für das heranwachsende Kind problematisch. Es geht meist mit Atemproblemen, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, Gelenksbeschwerden und psychischen Erkrankungen einher. Das Selbstwertgefühl leidet, es kann zur sozialen Ausgrenzung kommen. Und trotzdem ist fast jedes vierte Schulkind in Österreich übergewichtig.

Stillen schützt vor Übergewicht und gewährleistet eine optimale Entwicklung

Wichtigster positiver 'Programmierer' in der frühen Kindheit ist die Muttermilch. Stillen ist ein wichtiger Schutzfaktor: Es reduziert das Adipositasrisiko im späteren Leben und unterstützt die Reifung des kindlichen Immunsystems. Das Beste daran: Es kann möglicherweise sogar das Risiko für Allergien und Infektionen senken. Auch die Gehirnentwicklung wird durch das Stillen beeinflusst. Dies kann eine optimale psychomotorische und kognitive Funktion bis ins Alter sichern.

Wie lange soll man nun stillen?

Eine Metaanalyse aus 23 Studien zeigt: Abhängig von der Stilldauer kann das Stillen das Risiko um 25 Prozent reduzieren, im späteren Kindes- oder Erwachsenenalter übergewichtig zu werden.

Bis zu einer Stillzeit von neun Monaten nimmt die Wahrscheinlichkeit für späteres Übergewicht mit jedem zusätzlichen Stillmonat um etwa 4 Prozent ab. Im Vergleich zu Kindern, die weniger als einen Monat gestillt wurden, verringert sich das Risiko für späteres Übergewicht bei einer Stilldauer von

1 bis 3 Monaten um 19%
4 bis 6 Monaten um 24%
7 bis 9 Monaten um 33%.

Nach dem 9. Stillmonat schien sich das Risiko durch Abstillen oder Weiterstillen nicht mehr wesentlich zu verändern.

„Laut Stillstudie haben über 90% aller Mütter ihr Kind gestillt – aber jede 4. Mutter hört mit dem Stillen bereits vor dem 3. Lebensmonat des Kindes auf“, erzählt Moenie van der Kleyn, Hebamme und Stillberaterin von der FH-JOANNEUM in Graz und fordert: „Im Hinblick auf die Bedeutung der Muttermilch sollte dieser Zeitraum möglichst verlängert werden.“

Muttermilch kann aber noch mehr als das, wie Prim. Univ. Prof. Dr. Karl Zwiauer, Leiter der Ernährungskommission in der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde betont: „Über die Muttermilch nehmen Säuglinge mütterliche Antikörper und immunmodulierende Substanzen wie z. B. besondere Kohlenhydrate auf. Diese unterstützen das noch unreife Immunsystem des Säuglings und schützen ihn so vor Infektionen.“

Wie sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt, wirkt sich auf die Vorlieben des Kindes aus

„Die Vorliebe für süß und die Ablehnung für Bitteres ist angeboren“, sagt Univ. Doz. Dr. Ingrid Kiefer. „Es gibt Neigungen, die sich schon in der Schwangerschaft der Mutter und während der Stillzeit bilden –  Aromastoffe werden über das Fruchtwasser und der Muttermilch aufgenommen – so essen Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Karottensaft getrunken haben lieber und mehr Getreidebreie mit Karotten bei der Einführung der Beikost.“

Mamas sollten während der Stillzeit besonders auf ihre Ernährung achten. Eine abwechslungsreiche Mischkost, mit einem hohen Anteil an Vollkorngetreide- und Milchprodukten, Obst und Gemüse, wenig Fleisch und hochwertigen Ölen liefert alle Nährstoffe, die Mutter und Kind brauchen. Man kann mit dem täglichen Genuss von reichlich grünem Gemüse, Kohl- und Wurzelgemüse und Hülsenfrüchten, möglichst schonend zubereitet, sogar den Folsäurebedarf decken. Zum Beispiel mit 75g Kichererbsen + 100g Feldsalat + 250g Vollkornbrot. Auch Weizenkeime, Roten Rüben, Spinat, Brokkoli oder Eier enthalten davon reichlich.

Auch für die Mutter hat das Stillen viele Vorteile

Durch die dabei produzierten Hormone bildet sich die Gebärmutter schneller zurück und die in der Schwangerschaft zugenommenen Kilos werden durch den hohen Energieverbrauch bei der Milchproduktion leichter abgebaut. „Die Stillzeit ist jedoch keine Abnehmzeit“, warnt Kinderarzt Primar Karl Zwieauer. Mütter sollten beim Stillen keinesfalls über ihr ursprüngliches Gewicht hinweg abnehmen. Denn viele Schadstoffe wie Pestizide sind im Depotfett des Körpers abgelagert. Baut man diese Polster ab, werden über Jahre angesammelte Mengen der Gifte freigesetzt und über die Muttermilch an das Kind weitergegeben. Studien zeigen, dass die Milch von Müttern, die sich weitgehend biologisch ernähren viel weniger Pestizidrückstände enthält

Wann soll das Baby Beikost erhalten?

Die Beikosten bietet eine weitere Chance, die Gesundheit des Kindes in die richtigen Bahnen zu lenken. So geht man aktuell zum Beispiel davon aus, dass eine große Lebensmittelvielfalt im ersten Lebensjahr vor Allergien schützen kann.

Quelle: www.nutricia-forum-muttermilchforschung.org

Aktualisiert am 15.5.2020