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Plastik im Kompost

Abbaubares Plastik gibt es theoretisch schon seit den 90er Jahren. In der Praxis funktioniert es aber nicht so richtig mit dem Auflösen in Luft. Heimische Kompostierer kämpfen nach wie vor gegen störende Verunreinigungen im Biomüll und die fehlende Sammel-Moral.

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Ohne Plastik wäre unsere schnelllebige Gesellschaft schon längst wieder in der Steinzeit angekommen. Ohne Tragtaschen, Einweggeschirr und Wegwerf-Verpackungen geht heute gar nichts mehr. Selbst Biogemüse schmückt sich im Supermarkt mit zarten Folien. Kunststoffe sind robust, leicht, langlebig und sie sparen beim Transport Treibstoff. Doch Plastik ist in Verruf gekommen, spätestens seit es Greenpeace tonnenweise aus den Mägen toter Meerestiere fischt und Forscher die langlebigen Partikel an den Traumstränden dieser Erde im Sand nachweisen können.

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Bioplastik: das berühmte Ei des Kolumbus?

Die Vision ist verlockend. Grünes Plastik mit den gleichen Eigenschaften wie herkömmlicher Kunststoff, aber verrottbar wie gefallenes Laub. Alles bleibt beim Alten, die Hersteller müssen keinen Cent in neue Produktionsmaschinen investieren und die Konsumenten bleiben bei ihren lieb gewonnenen Traditionen. Clemens Holzer, Professor an der Montanuniversität in Leoben, relativiert die Situation. „Zwar lassen sich im Labor unter optimalen Bedingungen Folien aus Bio-Plastik in 12 Wochen zu Wasser und Kohlendioxid zersetzen. Dabei entstehen auch keinerlei für die Umwelt schädliche Stoffe. Doch im Kompostierwerk oder gar im eigenen Garten sind die Bedingungen nicht immer so gut und die Verweilzeit der Kunststoffe meist viel zu gering.“

Trotz des heute noch überschaubaren Marktes für Bio-Plastik ist oft nicht klar, was tatsächlich alles in den Produkten enthalten ist und welche Abbauprodukte am Ende vorliegen. Cellulosehydrat, besser bekannt unter dem ehemaligen Markennamen Cellophan, ist in reiner Form kompostierbar. Wird die besonders im Lebensmittelbereich beliebte Folie aus Haltbarkeitsgründen jedoch beschichtet, wird daraus Restmüll. Selbst verrottbare Müllsäcke brauchen Zusätze, um ein Mindestmaß an Festigkeit zu bekommen. Holzer: „Der Sack erkennt nicht, ob er noch in der Küche ist und stabil bleiben muss oder ob er schon in der Biotonne liegt und zerfallen darf. Manche dieser Inhaltsstoffe sind nicht oder nur schwer abbaubar.“ Das gilt vor allem für Farben, die für die grellbunten Aufdrucke verwendet werden. „Es gibt zwar abbaubare Farbstoffe, doch ist die Forschung hier noch am Beginn. Viele herkömmliche Farben enthalten immer noch Schwermetalle wie Cadmium oder Chrom.“

Das Umweltbundesamt in Berlin kommt zu dem Schluss: „Für herkömmliche Kunststoffe gibt es sinnvolle Verwertungskreisläufe. Bio-Plastik will aber auch bei den Verwertern keiner. Die Sorge ist die gleiche wie beim Kompost: Es könnte das Endprodukt verunreinigt werden.“

Organische Abfälle werden in Österreich seit 1992 gesammelt.

Neben dem Papier ist Biomüll die zweitgrößte Fraktion im Hausmüll. Dr. Johann Mayr ist Bundeskoordinator der österreichischen Abfallverbände und leitet damit den Dachverband für die 8 Landesverbände, die wiederum die Verbände in den einzelnen Bezirken repräsentieren. „Wir sehen uns als Info-Drehscheibe für unsere Mitglieder und geben fachliches Knowhow weiter. Uns ist wichtig, jene Stoffe aus dem Hausmüll zu holen, für die es einen Markt gibt. Dazu gehört ganz besonders der organische Anteil.“ 15 Kilogramm Biomüll fallen pro Jahr in einem heimischen Haushalt an. Dazu kommen noch rund 200 Kilogramm aus dem Garten, wobei gerade Strauchschnitt als Strukturverbesserung bei der Kompostierung sehr wichtig ist. Mayr: „Hochwertiger Kompost ist ein einfaches und bewährtes Mittel zur Verbesserung der Bodenqualität. Die Kompostierung von organischen Haushaltsabfällen stellt für viele Landwirte ein willkommenes Zusatzeinkommen dar.“

Ein strenger Blick in die Biotonne

Doch nicht alles, was den Weg in die braunen Behälter findet, löst sich auch tatsächlich rückstandsfrei auf. Organische Abfälle gehen den Weg alles Irdischen. Kunststoffe überleben länger, selbst wenn Bio draufsteht.

Für Thomas Prenner ein Problem, mit dem er täglich zu tun hat. Er ist Betriebsleiter eines großen Kompostierbetriebes in Wieselburg im niederösterreichischen Mostviertel. In der Firma Seiringer Umweltservice werden im Jahr 20.000 Tonnen organische Abfälle zu hochwertigem Kompost verarbeitet. 12.000 Tonnen davon stammen aus der Biotonne aus kommunaler Sammlung. Prenner: „Wir waren eine der ersten Kompostieranlagen in Niederösterreich und sind Träger des Österreichischen Umweltzeichens. Das organische Material wird zuerst in Dreiecksmieten aufgebracht und liegt dann 8 Wochen auf der Hauptrotte, wobei einmal pro Woche umgesetzt wird. Die Nachrotte dauert dann nochmals 5 bis 6 Wochen.“

Bis zu sechsmal im Jahr wird der Kompost der Firma Seiringer kontrolliert. Die Analysen nach der Kompostverordnung beschränken sich dabei auf klassische Schadstoffe wie Schwermetalle oder hygienische Parameter wie Salmonellen und Streptokokken. Weiter gehen da die Kontrollen der ARGE Kompost und Biogas. Prenner: „Dabei werden auch Faktoren wie die Prozessführung und Betriebsabläufe berücksichtigt.“

Bunte Plastikschnipsel machen die Erde unverkäuflich

Was bei der Biomüll-Sammlung schief läuft, wird spätestens zu diesem Zeitpunkt sichtbar. Probleme machen jene Abfälle, die in der Biotonne nichts zu suchen haben. 150 Tonnen Plastik werden jährlich aussortiert, darunter auch Material, das als abbaubar deklariert ist. Prenner: „Für den Verrottungsprozess ist das zwar kein Problem. Der Kompost wäre aber schon aus optischen Gründen kaum an die Kunden zu bringen. Zu schaffen macht uns vor allem die Unachtsamkeit der Menschen. Da gibt es noch viel Aufklärungsarbeit zu tun, was in die Biotonne darf und was zum Restmüll gehört.“ Für die Sammlung von organischen Abfällen in der Küche empfiehlt Prenner einen Kunststoffeimer mit Deckel, der mit Zeitungspapier ausgelegt werden kann und dann in die Biotonne entleert wird. „Papier zerfällt beim Kompostierprozess restlos.“

Einen Schritt weiter gehen manche Abfallverbände in Deutschland. Sie zweifeln zwar die Kompostierbarkeit der Biostärke-Säcke nicht an, verbannen sie aber trotzdem aus ihren Tonnen. Wilhelm Westenrieder, Abfallberater einer Abfallentsorgungsgesellschaft in Erbenschwang bei München: „Unsere Arbeiter, welche die Biotonnen entleeren, haben Anweisung, Tonnen mit Plastikbeuteln nicht zu leeren. Bei Akkordarbeit mit teilweise schlechten Lichtverhältnissen ist es nicht möglich, die guten von den schlechten Plastikbeuteln zu unterscheiden.“ Die Beutel verrotten in den Kompostieranlagen nicht so schnell wie notwendig. Die Kunststoffreste im fertigen Kompost sind ein absolutes Ausschlusskriterium bei der Vermarktung des Kompostes. Westenrieder: „Wir empfehlen unseren Kunden daher Beutel aus Papier oder unbeschichtetes Zeitungspapier.“

Heuer ist das internationale Jahr des Bodens

2015 wurde von den Vereinten Nationen als das Internationale Jahr des Bodens ausgerufen. Böden liefern die Grundlage für unsere Ernährung und müssen nachhaltig bewirtschaftet werden. Der Einsatz von Kompost als Dünger und Bodenverbesserer im Garten ist ein kleiner Beitrag, den Boden, auf dem wir stehen, zu erhalten.

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