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Nachhaltigkeit stärkt Wettbewerbsfähigkeit

Interview mit Prof. Dr. Karl Aiginger, Leiter des Österr. Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) und Koordinator des europäischen Projektes WWWforEurope – ein neuer Wachstumspfad für Europa.

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Foto: WIFO Foto: WIFO

Obwohl viele Gründe für nachhaltiges Handeln sprechen, sind Wirtschaft und Politik weit davon entfernt. Die VOEST beispielsweise warnt vor höheren Energiesteuern und baut ein neues Werk in den US, um aufgrund der dort niedrigen Energiepreise billiger produzieren zu können. Warum soll sich das ändern?

Aiginger: Der für seine Wettbewerbsanalysen bekannte Harvard-Ökonom Michael Porter hat diese Sicht schon vor mehr als 20 Jahren auf den Kopf gestellt: Anspruchsvolle Konsumenten, die ökologisch hochwertige Waren kaufen wollen, lösen Innovationen aus und verschaffen den Firmen, die diese anbieten, einen Wettbewerbsvorteil.
Auch volkswirtschaftlich zeigen sich ähnliche Ergebnisse. Nicholas Stern von der London School of Economics hat gezeigt, dass die Eingrenzung des Klimawandels auf zwei Grad die meisten Länder ein bis zwei Prozent der Wirtschaftsleistung kostet. Sie sind damit deutlich geringer als die durch ungebremsten Klimawandel verursachten Schäden. Besonders hoch sind die Kosten für jene Länder, die spät beginnen. Länder, die vorausschauend saubere Technologien nutzen, haben niedrigere Kosten und profitieren von der Nutzung der Technologie durch andere Länder; sie haben einen ökonomischen Gewinn durch Nachhaltigkeit.

Gibt es Länder, die diesen Weg erfolgreich gehen?
Beispielhaft sind hier die skandinavischen Länder. In Dänemark liegt das Energieangebot 2010 gleich hoch wie 1970. Die CO2-Emissionen aus fossiler Verbrennung liegen um 15% niedriger, fossile Energie wird um 23% weniger genutzt, alles bei einer Verdoppelung der Einkommen und der Wirtschaftsleistung. Dänemark will diesen Weg weitergehen und plant ab 2016 ein Verbot fossiler Energie zum Heizen in Neubauten.

Was kann und soll die Politik heute tun, um Nachhaltigkeit und Wohlstand zu sichern?
Der Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit unterliegt  keiner Automatik sondern ist politisch gestaltbar. Nachhaltigkeit reduziert die Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie nachträglich, mit abrupten Verboten betrieben wird. Sie ist neutral oder positiv, wenn Ziele vorgegeben werden, die mittelfristig, vorhersehbar und stetig erhöht werden und wenn technologische und soziale Innovationen die Umsetzung forcieren. Dann werden eine eigene Umweltindustrie oder ökologische Dienstleistungen entstehen und exportiert werden können.

Was braucht es, damit der neue Weg eingeschlagen werden kann?
Der Stellenwert von Nachhaltigkeit hängt davon ab, ob die Politik von kurzfristigen Erfolgen bestimmt wird oder von einer Vision ausgeht. Die Vision für Europa und Österreich könnte sein, hohe Einkommen mit hoher Beschäftigung und geringen Einkommensdifferenzen zu verbinden und in ökologischen und gesundheitlichen Zielen führend zu sein. Die Regierung sollte sich im neuen Regierungsprogramm zu einer technologiebasierten Vorreiterstrategie bekennen, die in allen Teilen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik verfolgt wird. Wenn diese Strategie konsequent festgelegt wird, stärkt das die Wettbewerbsfähigkeit. Zögern und permanente Kursänderungen bringen später höhere Kosten. Es braucht eine "Nachhaltigkeit mit Nachdrücklichkeit".

Das Interview führte: Roswitha M. Reisinger

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