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Mit zweierlei Maß?

Kommentar von Werner Wutscher, Vizepräsident des Ökosozialen Forums

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Werner Wutscher ist Vizepräsident des Ökosozialen Forums, Vorstandsmitglied der Nachhaltigkeitsplattform resPACT und finanziert als Business Angel junge Unternehmen Ökosoziales Forum

Die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten erwarten sich mit Recht sichere Lebensmittel von höchster Qualität. Wurde früher Qualität durch die Abwesenheit von gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen, durch Frische und Geschmack definiert, so haben sich die Anforderungen an unsere Lebensmittel zwischenzeitlich erheblich erweitert. Produktionsmethoden und Nachhaltigkeitsaspekte spielen zunehmend eine wichtige Rolle. Während sich Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf für Bio oder konventionelle Produktion entscheiden können, sind weitere Aspekte zu gesellschaftlichen Anliegen geworden, die durch Gesetze geregelt sind. Seit 2005 gibt es ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, in dem zum Beispiel die Käfighaltung von Legehennen oder die Schweinehaltung in Kastenständen verboten ist. Ein österreichischer Bauer kann sich nicht für oder gegen Käfighaltung entscheiden. Wir haben als Gesellschaft festgestellt, dass Käfighaltung unnötiges Tierleid verursacht, und sie deshalb verboten.

Das heißt aber noch nicht, dass in unseren Supermarktregalen keine Produkte sind, die Eier aus Käfighaltung enthalten. Aufgrund von internationalen Handelsvereinbarungen kommen nach wie vor Produkte aus bei uns verbotenen Haltungsformen bis zum Konsumenten. Und nicht nur das. Wir finanzieren das unter dem Deckmantel von Wirtschafts- und Entwicklungshilfe noch mit. Und das ist der eigentliche Skandal: Europäische Finanzinstitutionen finanzieren große Agrarunternehmen außerhalb der EU, die in Europa verbotene Praktiken anwenden, darunter befindet sich der größte Eier-Produzent der Türkei.

Es kann nicht sein, dass wir einerseits zu dem Schluss kommen, dass bestimmte Produktionsmethoden nicht unserem Wertesystem entsprechen und gleichzeitig unterstützen wir diese Praktiken mit österreichischem und europäischem Geld. Und zu guter Letzt kaufen wir dann noch die Produkte aus diesen Haltungsformen, weil sie auf der Verpackung nicht gekennzeichnet sind.

Die österreichische Landwirtschaft produziert auf höchsten Umwelt- und Tierschutzstandards. Importe aus Drittstaaten wie zum Beispiel Eier aus Käfighaltung gefährden nicht nur unsere bäuerliche Landwirtschaft, sondern widersprechen unserem Wertesystem. Das hohe Produktions- und Tierschutzniveau in Österreich darf nicht untergraben werden. In ganz Europa müssen dieselben Tierschutzstandards gelten – und auch eingehalten werden. Und das nicht nur bei der Herstellung der Lebensmittel, sondern auch bei den Produkten in den Regalen. Ich bin für einen freien Handel, aber nicht für unterschiedliche Maßstäbe. In die EU importierte Produkte sollten unter vergleichbaren Bedingungen erzeugt werden wie jene, die in Europa hergestellt werden. Alles andere wäre unfair gegenüber den europäischen Bäuerinnen und Bauern, aber auch unfair gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten.

Vor allem aber darf die EU keine Projekte finanzieren, die Haltungsformen anwenden, die bei uns verboten sind. Das ist eine Mindestanforderung für kohärente Politik. Das Ökosoziale Forum, HumanSocietyInternational und Vier Pfoten haben eine Initiative gestartet, um auf dieses Anliegen aufmerksam zu machen. Die österreichische Bundesregierung hat bereits zugesagt, sich für die Etablierung verbindlicher Nutztierkriterien bei der Finanzierung von Projekten in Drittstaaten einzusetzen. Bis dahin: Qualität aus Österreich garantiert nachhaltige Produktion, faire Löhne, regionale Herkunft und weltweit höchste Tierschutzstandards.