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Gewissensbissen

Gewissensbissen – Tierethik und Esskultur, ein Buch, das aufrüttelt und bewegt
gewissensbissen
Ein Buch von Christoph Wagner, Rudolf Winkelmayer, Eva Maria Winkler, erschienen im loewenzahn Verlag Ein Buch von Christoph Wagner, Rudolf Winkelmayer, Eva Maria Winkler, erschienen im loewenzahn Verlag

„A Pie of Bambi“ – oder der „Der Gutmenschenguide“

„Was soll denn schon dabei rauskommen“, ist man geneigt zu fragen, „wenn sich ein Gastro-Kritiker, eine Rechtsphilosphin und ein Tierarzt über das Thema ‚Tierethik und Esskultur“ unterhalten?“. „Nichts“, bin ich geneigt zu sagen, weil immerhin reden sie ja nicht miteinander. Eher nebeneinander. Aber auch das ist aufschlussreich. Also keine voreiligen Schlüsse bitte. Alles der Reihe nach.

Im Klappentext verspricht das Buch Antworten auf sensible Fragen der Esskultur. Die werden auch geliefert. Aber von jedem Autor aus seiner Sicht. Nicht im Dialog. Christoph Wagner gilt als Doyen der österreichischen Gastronomie-Kritik. Zu Recht. Was ihn von den meisten anderen Schreibern unterscheidet, ist sein humanistischer Background und sein kulturphilosophier Ansatz mit veritablem historischen Hintergrundwissen. Seine Texte sind einfach ein Genuss. Dieser auch. Christoph Wagner macht den Auftakt und beginnt gleich mit der Geschichte von Walt Disney, der – im Sacher dinierend – die Rehpastete nach des Kellners holpriger Übersetzung (siehe Titel) abgelehnt hat. Wagner bringt damit den ersten Punkt gleich auf den Punkt: „Tiere, die man einmal dabei erlebt hat, wie sie singen, tanzen und fröhlich sind, will mann nicht mehr essen. Wer Sebastian heisst und und einmal mit einer kleinen Meerjungfrau getanz hat, den will man nicht kopfüber im kochenden Wasser enden sehen, auch dann nicht, wenn es „nur“ ein  Hummer ist.“

Wagner bietet in seinem Teil des Buches ein interessantes Argumentarium für seine Leidenschaft, die Feinschmeckerei. Aus erkenntnisorientierter Sicht macht er einen deutlichen – und nachvollziehbaren - Unterschied zwischen Feinschmeckern, die einmal in ihrem Leben von „Schildkrötenfleisch, Wallerleber, gefüllten Siebenschläfern oder gekochten Schlangen gekostet haben wollen“ und jenen „Essern“, die sich gewohnheitsgemäß von verbotenen oder gefährdeten Tierarten ernähren. Für Wagner haben erstere mit Werten wie Neugier, Repsekt und Weltoffenheit zu tun, zweitere mit Egozentrismus und Geringschätzung.  Hilfreich für ethisch weniger versierte Feinschmecker ist sein „tierethischer Katechismus für Gourmets“, der sich am Ende seines Kapitels befindet. Die wichtigsten Aussagen darin: 1. Ja, Gänsestopfleber zu essen ist aus tierethischer Sicht ohne jeglichen Zweifel problematisch. 2. Ja, es IST möglich, Kinder zu Feinschmeckern zu erziehen. Natürliche Nähe zur Landwirtschaft und zu Tieren ist dafür Voraussetzung. Solange Kinder Tiere nur als Haustiere und aus Zeichentrickfilmen kennen, wird das Verhältnis zu ihnen immer ein Gestörtes sein.

Eva Maria Maier stellt in ihrem Beitrag die Abwesenheit der Tiere im abendländischen Denken über Ethik fest. Erklärt wird auch der daraus resultierende Status als „Sache“ im juristischen Sinn. Relevant unterschieden wird hier auch zwischen den faktisch privilegierten „Heimtieren“, also Hunden, Katzen, Zuchtvögeln und den einer radikalen Verdinglichung ausgesetzten Nutztieren (die allein schon aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit in weit umfangreicherem Ausmaß von Tierschutzmaßnahmen profitieren müssten.). Hier zeigt sich der Vorteil der biologischen Landwirtschaft mit seinen Grundgedanken artgerechter Tierhaltung am deutlichsten.

Alles in allem ein Buch das aufrüttelt und bewegt. Sehr empfehlenswert.
Rezension von Jürgen Schmücking

 

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Andreas Hierzberger, Graz
Corina Müller, Wien
Erika Schwarz, Innsbruck