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Freie Wahlen beim Mahlen!

Genussgrübeleien von Jürgen Schmücking

Das ist diesmal keine wirkliche Grübelei, weil eine Grübelei etwas Stilles ist und ich mich aller Voraussicht nach ziemlich in Rage schreiben werde. Es ist aber auch keine Schwärmerei, obwohl ich schon klar Stellung beziehe. Es geht aber um beide Seiten. Lesen Sie den Text diesmal einfach als vorweihnachtliches Schlussplädoyer. Ich hoffe, Sie lassen dann die Finger von billigen Maschinen und irgendwelchen Tabs, Kapseln oder sonstigem portionierten und verpackten Kaffeeschwachsinn. Der potentiell Beschenkte und der Planet werden Ihnen dankbar sein.

Es gibt so viele Gründe, die gegen Nespresso & Co sprechen, dass ich überhaupt nicht weiß, wo ich anfangen soll. Stellen wir das Ganze einfach einmal auf den Kopf und beginnen wir beim einzigen Argument, das - unter Umständen – für die Kapseln, bzw. Tabs spricht: die Sauberkeit. Wem kaffeepulverfreie Flächen in der Küche wichtiger sind, als guter Geschmack und (fast grenzenlose) Vielfalt beim Kaffee, der ist mit einer Kapselmaschine wahrscheinlich besser bedient. Das ist das einzige Argument, das ich gelten lasse – und auch das nur für Pedanten, die nicht aus ihrer Haut können. Stimmt schon, Siebträgermaschinen oder Vollautomaten produzieren Kaffeesud. Der allerdings ist kompostierbar und gibt außerdem einen grandiosen Dünger für den Garten ab. Nespresso ist da eindeutig unter Zugzwang. Vergangenes Jahr hat der Konzern „ecolaboration“ vorgestellt. Eine Initiative, bei der die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens gebündelt werden. Dazu gehören eine Verringerung des Materialeinsatzes pro Alu-Kapsel und eine deutliche Erhöhung der Recycling-Quote (Die aktuelle Quote sieht nämlich alles andere als gut aus.) Durch diese Ziele zeigt sich auch deutlich, wo der Hund begraben liegt: in der Abfallbilanz. Nachdem es im Moment nicht so aussieht, als ob Nespresso diese Probleme im Griff hätte, gibt es nur eine Schlussfolgerung. Hände weg!

Ein anderes – die Preisfrage – gilt universell, und man kann es drehen und wenden, wie man will. Kaffee aus Kapseln, Tabs und Pads ist um ein Vielfaches teurer, als Bohnenkaffee. In Zahlen? Wirklich guter Kaffee ist in Österreich zwischen 15 und 30 Euro pro Kilo zu haben. Bio- und Fairtrade ab etwa 20 Euro. Tabs und Kapseln hochgerechnet, ergeben sich Kilopreise von ca. 60 Euro. Für die einzelne Tasse bedeutet das 10 – 20 Cent für Bohnenkaffee, den ich mir nach allen Regeln der Kunst und mit sämtlichen Mitteln des Handwerks (Filter, Siebträger, French Press, Vollautomat, Mokka, ...) zubereiten kann versus 30 – 35 Cent für einen seelenlosen Kapselkaffee. Da kann die Kaffeemaschine noch so günstig sein. Im Grunde ist dieses Geschäftsmodell der gleiche Nepp, wie die „Null Euro Smartphones“, die dann über horrende Tarifverträge finanziert werden.

Philosophisch gesehen, geben wir mit den Tabs ein Stück Freiheit auf. Wehren Sie sich dagegen und machen Sie sich auf die Suche. Wir haben in Österreich ganz famose kleine Kaffeeröster, die mit Leidenschaft blenden, rösten und überhaupt der Kaffeebohne verfallen sind. Bei denen bekommen Sie Kaffee in einer Qualität und Frische, wie Sie ihn aluminiumverpackt nie und nimmer bekommen werden. Es geht um freie Wahlen! Um die Souveränität unserer Entscheidungen. Bei der Kaffeesorte, beim Mahlgrad und bei der Auswahl der Espressomaschine.

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Jürgen Schmücking auf den Spuren des Genusses. Foto: Liga Jürgen Schmücking auf den Spuren des Genusses. Foto: Liga

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