zum Inhalt springen

Die Wiener Sukzession

Steinige Wege in eine grüne Stadt

Um ein mit Schotter und Asphaltbrocken gefülltes Loch im Straßenbelag hat jemand mit weißer Kreide Blumen gezeichnet.
Foto: Wiener Sukzession

Ein Schritt und dann noch einer, aber bloß nicht auf die Fuge im Asphalt treten. Wo zuerst nur ein winziger, aufgerissener Spalt ist, in dem sich Straßenstaub und Laubstücke sammeln, findet sich etwas später der ein oder andere Halm. Bald darauf leuchtet ein knallgelbes Löwenzahnköpfchen aus ihm hervor. Die Ränder werden mürbe, Raum für ein weiteres Pflänzchen entsteht. Einige Meter weiter lässt die Wurzel eines Baumes den Gehsteig Wellen schlagen. Zu beobachten, wie sich die Natur die Stadt zurückerobert, ist faszinierend – Cordula Fötsch und Karl Michael Lange erzählen, warum dies auch wichtig ist.

LEBENSART: Warum interessiert sich die Wiener Sukzession so für Löcher im Asphalt?

Die Wiener Sukzession: Es ist Common Sense, dass wir für die klimafitte Stadt der Zukunft weniger Asphalt, mehr versickerungsfähigen Boden und mehr Grün brauchen. In Österreich wird nach wie vor zu viel versiegelt. Dass es ganz schön zäh und langwierig sein kann, Beton und Asphalt wieder aufzubrechen, haben wir schon im vorangegangenen Projekt „Essbare Seestadt” erfahren – daraus entstand die Idee, sich künstlerisch-partizipativ, sozial- und naturwissenschaftlich mit der Entsiegelung auseinanderzusetzen. Wie kommen wir, administrativ und sozial, zum Loch im Asphalt? Wie können wir gemeinsam entsiegeln und das Material, das plötzlich nicht mehr seiner ursprünglichen Bestimmung dient, künstlerisch nutzen?

Was darf man denn eigentlich im öffentlichen Raum?

Der Weg in den Asphalt war, wie könnte es anders sein, steinig. Wir wollten ja nicht einfach ein paar private Hinterhöfe entsiegeln oder heimlich bei Nacht und Nebel ein paar kleine Löcher in die Straßen bohren, sondern an möglichst öffentlichen Orten die (Er-)Öffnung des Bodens zelebrieren – gemeinsam mit Menschen aus der Nachbarschaft und mit offizieller Genehmigung. Somit führte unser Weg über Behörden und andere Entscheidungsträger*innen. Auch wenn wir viel positive Rückmeldungen bekamen, ließen die konkreten Bewilligungen auf sich warten und erforderten viel Kommunikation.

Grafische Darstellung:
Illustrationen: iStock/Tetiana Mykhailenko, dedy hartanto, Nuthawut Somsuk; Grafik: Sarah Wehinger

Wie konntet ihr Menschen dafür gewinnen?

Wir gingen direkt auf die Straße, wiesen mit künstlerischen Aktionen auf das Thema hin und haben strategische Partnerschaften gesucht – zum Beispiel mit Kulturinstitutionen. Erhielten wir keine Erlaubnis zur Entsiegelung, erforschten wir die Pflasterritzen, die schon da waren, und haben essbaren Asphalt gebacken, der beim nächsten Straßenfest mit Hammer und Meißel aufgeschlagen werden konnte. Wurde von städtischer Seite entsiegelt, beobachteten wir aufmerksam und sammelten Fundstücke, die wir in unserem „Teer-arium” zeigen oder zu Asphaltkorken weiterverarbeiteten, die Weinflaschen stilecht versiegeln. Wir träumten gemeinsam, wie mögliche Entsiegelungsflächen künstlerisch gestaltet werden könnten, und führten wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die Geräusche von Asphalt und Beton in ein Musikstück und -Video zusammen, das mehrfach öffentlich aufgeführt wurde.

Was war das Schönste, was ihr gefunden oder erschaffen habt?

Ein Mann mit Schirmkappe, in dunkelblauen Jeans und Steppdaunenjacke, kniet auf der Fahrbahn in einer Wohnsiedlung und macht sich mit Hammer und Meißel daran, den Asphalt aufzubrechen.
Foto: Wiener Sukzession
Als wir mit Hammer und Meißel, Brechstange und Bohrhammer endlich wirklich in den Asphalt eindringen durften! Die körperliche Auseinandersetzung mit dem Material, es Stück für Stück zu öffnen und zu entdecken, was darunter lag, erfüllte alle Beteiligten mit Freude. Und es machte Lust auf mehr.

Was für die Öffentlichkeit sicher am schönsten war, waren die Aktionen „Die vertikale Straße“ und „I give a Shit!”, in der unser selbstgebackener Asphalt entsiegelt und mitgenommen werden konnte. Gerne nachbacken!

Der Weg in den Asphalt war, wie könnte es anders sein, steinig. Wir wollten ja nicht einfach ein paar private Hinterhöfe entsiegeln oder heimlich bei Nacht und Nebel ein paar kleine Löcher in die Straßen bohren, sondern an möglichst öffentlichen Orten die (Er-)Öffnung des Bodens zelebrieren.

Drei Männer und zwei Frauen, herbstlich warm gekleidet, posieren neben der
Foto: Wiener Sukzession

REZEPT

KOKOSBUSSERL – ASPHALTEDITION

Auf einer Holztischplatte sind Kokosbusserl auf getrockneten Grashalmen in Konfektförmchen angerichtet. Das Kokos ist nicht wie üblich weiß, sondern wurde mit Aktivkohle asphaltschwarz eingefärbt.
Special Edition Kokosbusserl Foto: Wiener Sukzession

200 g Kokosraspel
ca. 100 ml Aquafaba
(Flüssigkeit einer Dose Kichererbsen)
Spritzer Zitronensaft
150 g Staubzucker
Aktivkohle – je mehr, desto dunkler
Prise Salz
½ TL Backpulver

 

Aquafaba in eine Schüssel geben und aufschlagen, bis die Masse steif ist. Mit den anderen Zutaten zusammenrühren, zuletzt die Aktivkohle unterheben. Mit einem Esslöffel kleine Portionen der Masse auf ein Backblech setzen und im Backofen bei 100 ºC trocknen, bis sie fest sind.

ÜBER DAS PROJEKT

Asphalt und Beton versiegeln und überhitzen öffentliche Räume, mindern die Aufenthaltsqualität und verschwenden Regenwasser. Die Wiener Sukzession schafft neuen Spielraum für Natur und Mensch – Aktivist*innen aus Kunst, Zivilgesellschaft und Forschung zeigen mit künstlerischen Mitmach-Aktionen, welche Potenziale über und unter der Oberfläche der Stadt schlummern.

NEUGIERIG AUF MEHR?

Du möchtest auch entsiegeln?
Dann lies dich mal bei der Wiener Sukzession rein!

www.wienersukzession.at
www.youtube.com/watch?v=oyfwgWtVtvM

Abo bestellen