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Die Äsche liebt es kalt

Ansiedlungshilfe für die Äsche: Mit einer neuen Methode und wissenschaftlicher Begleitung wird die gefährdete Fischart im Mittellauf des Kamp angesiedelt.

Zwei Männer in Watthosen hantieren im Fluss mit einem Rohr und anderen Behältern.
Foto: Gerhard Käfel

Wasserkraftwerke, Flussregulierungen und die zunehmende Erwärmung des Wassers durch den Klimawandel: Der Bestand der Europäischen Äsche, einer Leitfischart im Übergang vom kalten Gebirgslauf von Flüssen zum wärmeren Tiefland, ist in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen.

Auch am Kamp hat die Äsche durch die Errichtung der Stauseen Ottenstein, Dobra und Thurnberg wertvollen Lebensraum verloren. Früher reichte dieser von Rapottenstein über das heutige Stauseengebiet bis etwa Rosenburg.

Das aus der Tiefe der Stauseen abgeleitete Wasser hat nur etwa vier Grad Celsius, wodurch sich auch die Temperatur des Kamp verändert hat: Er ist jetzt ab Wegscheid im Sommer kälter als früher und damit ein potenzieller neuer Äschen-Lebensraum. Doch wie sollen die Fische dorthin gelangen? Durch die Stauseen und die Kraftwerke kommen sie nicht durch und unterhalb gibt es keine Äschen. Erwachsene, irgendwo anders gefangene Tiere einzusetzen, kommt für Günther Unfer, Hydrobiologe an der Universität für Bodenkultur, nicht in Frage. Die Fische wären genetisch nicht an die Charakteristik und die chemischen Eigenheiten des Flusses angepasst und könnten Krankheiten einschleppen. Was also tun?

Fisch-Brutstation im Container

Günther Unfers Kollege Thomas Friedrich hat auf der Donauinsel in Wien Sterlets, eine Störart, zur Wiederansiedlung gezüchtet – in einem Container. Nach diesem Vorbild richteten er und seine Kolleg*innen bei Steinegg am Kamp eine mobile Zuchtstation für die Äsche ein, die im Herbst 2023 feierlich eröffnet wurde.

Mitte Mai 2024 sperrt Gerhard Käfel, der in der Abteilung Wasserwirtschaft der NÖ Landesregierung arbeitet und das Projekt unterstützt, den Container für uns auf. Drinnen wimmelt es in länglichen blauen Becken. Die kleinen Äschen, die vor etwa drei Wochen geschlüpft sind, sind schon zwei bis drei Zentimeter lang und haben große Augen. Tapfer schwimmen sie gegen die Strömung des eingeleiteten Kamp-Wassers an und trainieren für ihr zukünftiges Leben im Fluss.

Ihre Eltern sind autochthone, also „eingeborene“ Wildfische aus dem Kamp und wurden von den Wissenschaftler*innen oberhalb von Zwettl kurz vor ihrer Laichzeit gefangen. Der Rogen wird schonend aus dem Bauch der Weibchen massiert, mit dem von den Männchen gewonnenen Samen befruchtet und dann nach Familien getrennt in Erbrütungsgefäße gefüllt. Die Elternfische werden gechippt, um sicherzugehen, dass sie nur einmal für das fünf Jahre laufende Projekt verwendet werden. So soll eine große genetische Vielfalt erreicht werden. Danach werden die Elternfische dorthin zurückgebracht, wo sie gefangen wurden – so bleibt nämlich auch die Population über den Stauseen intakt.

Nach dem Schlupf wachsen die kleinen Äschen in den Becken im Container auf – umspült von frischem, gefiltertem Kamp-Wasser und gefüttert mit winzigen Salinenkrebslarven. Im Herbst, wenn sie etwa einen Finger lang sind, werden sie dann in den Kamp gesetzt. Bis hinunter nach Gars am Kamp, so schätzt Günther Unfer, könnten sie passende Lebensbedingungen vorfinden.

Vergleich Container und Schotterbank

Mit dem begleitenden Forschungsprojekt des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement der BOKU sollen auch Erkenntnisse für Projekte in weiteren Flüssen gewonnen werden. Dazu gehört auch der Vergleich zweier Methoden: Ein Teil der Äschen-Eier wird nämlich direkt in den Kamp gesetzt, ohne sie vorher schlüpfen zu lassen.

In der Natur setzt das Äschenweibchen ihren Rogen an einer flachen Stelle eines Flusses in den Kies, das Männchen gibt darüber seine Samen ab. Dann reifen die Eier im Kieslückenraum heran. Durch die Stauseen im Kamp wird jedoch kein Kies nachtransportiert, weshalb für das Forschungsprojekt zwei Kiesbänke aufgeschüttet wurden. Mit einem Rohr wurden die befruchteten Äschen-Eier dort hineingesetzt. Interessant sei, erzählt Günther Unfer, dass die im Kamp geschlüpften Äschen schon etwas größer seien als jene im Aufzuchtcontainer. Das ist eine gute Nachricht für zukünftige Wiederansiedlungen, denn die Zucht im Container ist aufwendiger, als wenn die Eier direkt in das Flussbett gesetzt werden.

Wie gut sich die angesiedelten Äschen zurechtfinden und vermehren werden, wird während des Projekts mit Befischungen und genetischen Untersuchungen überprüft werden. Damit können die gefangenen Fische eindeutig ihren Eltern und der Besatzmethode zugeordnet werden.

Beim Besuch des Kamp in Steinegg Mitte Mai geht Gerhard Käfel mit uns zu jener Stelle, an der vor zirka drei Wochen der Ei-Besatz erfolgte. Nahe des schützenden Ufers entdecken wir eine kleine Äsche, die munter herumschwimmt. Gerhard Käfel freut sich und erzählt, dass es nach dem Emergieren, dem erstmaligen Auftauchen der kleinen Fische aus dem Kies, nur so gewimmelt habe. „Wir erfahren mit dem Projekt viel über die Biologie der Äsche und den Kamp“, sagt er.

Der Kamp ist morphologisch, von seiner Gestalt her, zwischen Wegscheid und Rosenburg in einem guten Zustand. Doch die Stauseen verhindern den jahreszeitlich und je nach Niederschlag unterschiedlichen Abfluss und den Weitertransport von Geschiebe, das für einen ökologisch guten Zustand wichtig wäre. Um das zu verbessern, müsste beim Betrieb der Kraftwerke etwas verändert werden. Doch das ist die Aufgabe der Behörde.

Sonja Bettel

Die Äsche

Die Europäische Äsche ist ein Knochenfisch aus der Familie der Lachsfische (Salmonidae). Sie lebt im Süßwasser und heißt lateinisch „Thymallus thymallus“, weil ihr Fleisch roh nach Thymian riechen soll. Eine ausgewachsene Äsche ist bis zu eineinhalb Kilogramm schwer und bis zu 50 Zentimeter lang. Besondere Merkmale sind die mandelförmigen Pupillen und die große Rückenflosse. Sie mag kühle Fließgewässer mit sauberem Wasser und frisst hauptsächlich Insekten.

Ein Fisch nahe dem kiesigen Grund im klaren Wasser.
Foto: Clemens Ratschan
Die „Äschenregion“ ist eine der fünf Leitfischregionen von Flüssen – sie hat eine starke Strömung und sauerstoffreiches Wasser. Die Äsche ist ein hervorragender Speisefisch, weil sie aber große Ansprüche an das Wasser stellt, wird sie nicht gezüchtet. Sie ist als gefährdete Art durch die Berner Konvention auf europäischer Ebene geschützt. Nach Ansicht von Günther Unfer ist sie sogar hochgradig gefährdet – aufgrund von Lebensraumzerstörung und Prädatoren wie dem Kormoran.

WARUM WIEDERANSIEDELN?

Grafik: Die fünf Leitfischregionen von Flüssen dargestellt anhand eines illustrierten Flusses von der Quelle bis zur Mündung:
Forellenregion, Äschenregion, Barbenregion, Brachsenregion und Kaulbarsch-Flunderregion.
Unsere Gewässer werden immer wärmer und immer mehr Flüsse sind verbaut. Dadurch finden Äschen weniger Lebensraum vor. Am Kamp hat sich durch den menschlichen Einfluss aber auch ein neuer möglicher Lebensraum ergeben. Dieser könnte helfen, die Art sowie auch die an den Kamp angepasste Äsche zu erhalten.

Die Wiederansiedelung ist auch ein Schritt in Richtung eines natürlicheren Flusses: Erstens prägt die Äsche ihren Lebensraum, indem sie zum Beispiel bestimmte Insekten frisst, und trägt so zum natürlichen Gleichgewicht bei. Zweitens sorgen viele der Maßnahmen, die für die Wiederansiedelung getroffen werden, dafür, dass der Fluss selbst natürlicher wird: Wenn Laichplätze und Geschiebequellen geschaffen oder Wasserverschiebungen durch die Kraftwerke hindurch weitergegeben werden, profitieren davon auch viele andere Tiere und das ganze ökologische System. Und auch wir Menschen, denn wenn der Kamp eine natürlicherer Flussdynamik hätte, würde auch die Kanadische Wasserpest, eine Wasserpflanze, die die Bäder am Kamp zuwächst, zurückgehen.

FORSCHUNGSPROJEKT

ZUR (WIEDER-)ANSIEDELUNG DER ÄSCHE AM MITTLEREN KAMP

Das Forschungsprojekt wird im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft gefördert. Der Aufzuchtcontainer wurde vom Verein „Fliegenfischen am Kamp“ mit Unterstützung der LEADER-Region Südliches Waldviertel-Nibelungengau, niederösterreichischen Fischereiverbänden, Forstverwaltungen des Waldviertels, dem Nationalpark Thayatal und den Abteilungen für Naturschutz und Wasserwirtschaft der NÖ Landesregierung errichtet.

forschung.boku.ac.at

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