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Bundesministerin Leonore Gewessler über ihre Motivation, Ziele und Maßnahmen

Michaela R. Reisinger und Roswitha M. Reisinger sprachen mit Bundesministerin Leonore Gewessler über ihre Motivation Ministerin zu werden und was sie tun will, um Österreich nachhaltiger zu machen.

Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Foto: Michael Zabel

Das sagt Bundesministerin Leonore Gewessler zu

ihrer Motivation & ihren Zielen

Du hast im Jänner ein Megaministerium übernommen: Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Das ist schon mal eine Riesenaufgabe. Dann kam Corona und damit nochmal eine ganz neue Dimension an Herausforderungen. Wie geht es dir? Wie bewältigst du diese Herausforderungen?

Leonore Gewessler: Mir geht es sehr gut. Die ersten 100 Tage als Ministerin waren sicher ganz andere 100 Tage als man sich das vorstellt. Corona ist eine Ausnahmesituation und sehr viele Energien fokussieren auf die Bekämpfung dieser Krise. Das ist auch bei uns im Ministerium so, egal ob es um die Zulassung von Desinfektionsmitteln geht oder um die Sicherstellung des Güterverkehrs etc.

Aber Krisen sind immer auch Zäsuren. Gerade jetzt, auf dem Weg aus der Krise, ist es wichtig, die richtigen Weichen zu stellen und damit die drohende Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise genauso zu bekämpfen wie auch die Klimakrise.

Um zu deiner Frage zurückzukommen: Es ist eine sehr intensive Zeit, eine große Herausforderung, aber um diese Herausforderung anzunehmen bin ich ja in die Politik gegangen.

Ist Corona mehr Hindernis oder mehr Chance für den Klimaschutz?

In der Coronakrise haben wir gespürt, wie sich eine Krise anfühlt. Ganz viele von uns haben gesehen, was es bedeutet, im Alltag eine Krisensituation zu erleben. Die Ausbreitung des Virus haben wir in den Griff gekriegt, mit Konsequenz und Durchhaltevermögen und hoffentlich bald mit einer Impfung. Bei der Klimakrise ist das anders. In der Klimakrise wird die Krise zum Dauerzustand. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit aller Kraft nicht nur gegen die Corona-Krise stemmen, sondern auch gegen die drohenden Krisen am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und gegen die Klimakrise.

Wir haben in der Corona-Krise aber auch gesehen, dass wir Krisen in den Griff bekommen können: mit Mut, Entschlossenheit, Zusammenarbeit über die Ministerien. Und das müssen und können wir in die Bekämpfung der Klimakrise mitnehmen.

Das sind auch ganz praktische Dinge wie Homeoffice oder die Erfahrung, dass man viele Managerflüge – Hinflug, eine Stunde Termin und dann gleich wieder zurück – schlicht durch Videokonferenzen ersetzen kann.

Klar ist auch: Die Krise ersetzt keine Klimapolitik.

Wolltest du schon immer Politikerin werden?

Das war nicht in meiner Lebensplanung. Ich habe immer sehr politiknahe gearbeitet und habe mich viele Jahre von außen dafür eingesetzt, dass in der Politik etwas passiert. Als mich Werner Kogler gefragt hat, ob ich kandidieren will, habe ich zwar kurz überlegt, aber es war schnell klar: Ja! Ich habe relativ lang kritisiert, dass in Österreich zu wenig Klimaschutz passiert. Jetzt kann ich einen Beitrag dazu leisten, dass sich das ändert. Mit allem, was ich kann, mit dem, was ich gerne mache und wofür ich mich schon lange einsetze.

Du bist in einer sehr mächtigen Position. Wofür willst du diese Macht nutzen? Was soll man später über deine Ära als Ministerin sagen?

Mir geht es nicht so sehr darum, was man darüber sagt, sondern was man davon sieht. Ich bin in die Politik gegangen, weil ich etwas verändern möchte und weil ich überzeugt bin, dass in dieser Veränderung riesige Chancen liegen: mehr Lebensqualität, saubere Luft, bequemere, klimafreundlichere Mobilität. Wenn davon ganz konkrete Dinge überbleiben – wie der Ausbau der erneuerbaren Energien, ein besseres Öffi-Angebot, das 1-2-3-Ticket – dann freue ich mich, dass ich zum Gelingen etwas beitragen konnte.

Zur Ökosteuer & der Motivation der Bevölkerung

Im Regierungsprogramm steht eine schrittweise Ökologisierung des Steuersystems, im Februar wurde eine Task-Force dazu ins Leben gerufen.

Wir haben mit dem Finanzministerium eine Task-Force, die die Steuerreform erarbeitet. Sechs konkrete Maßnahmen – Ökologisierung der NoVa, des Dienstwagenprivilegs, der Pendlerpauschale, der Lkw-Maut, Flugticketabgabe und Maßnahmen gegen den Tanktourismus – werden Anfang 2021 in Kraft treten – da wird es im Herbst konkrete Ergebnisse geben. Die CO2-Bepreisung soll 2022 kommen. Wir arbeiten an einem guten Modell, das für Österreich passt. Am Ende wollen wir umweltfreundliches Verhalten belohnen und umweltschädliches Verhalten nicht weiter fördern. Die umweltkontraproduktiven Subventionen sind im ersten Schritt der Steuerreform 2021 angesprochen. Da gehen wir schon ganz zentrale Bausteine dieser umweltschädlichen Subventionen an.

Durch die Corona-Krise werden wir in Österreich dieses Jahr voraussichtlich sieben Prozent weniger CO2 ausstoßen – weitaus weniger, als wir für Klimaneutralität schaffen müssten (Green-Deal-Ziel 2030: 50–55 %) – und dennoch waren die Maßnahmen in der Krise für jede*n Einzelne*n stark spürbar. Sind 50 bis 55 Prozent weniger ohne Stillstand wirklich schaffbar? Wo muss man in erster Linie ansetzen, um diese Reduktion bewältigen zu können?

Wir müssen unsere Wirtschaft, unsere Mobilität und unser Ernährungssystem so umgestalten, dass sie klimaneutral funktionieren können. Viele Lösungen liegen schon am Tisch und jetzt geht es darum, rasch und auf ganz vielen Ebenen in die Umsetzung zu kommen.

Ob der Umbau gelingt, hängt auch stark davon ab, wie die Menschen mitziehen. Sie müssen verstehen, warum Maßnahmen gesetzt werden. Zum Thema Corona ist das sehr gut gelungen. Wie kann für den Klimawandel eine ähnliche Dringlichkeit erzeugt werden? Was plant das Ministerium?

Ich glaube, dass die Klimakrise bei den Menschen bereits angekommen ist. Wir erleben gerade ein sehr trockenes Frühjahr, der Grundwasserspiegel ist im Keller, der Neusiedlersee auf einem Rekordtiefststand. Wenn die Entwicklung so weitergeht, kann man diesen Sommer im Neusiedlersee kaum mehr schwimmen.

Wir spüren es in der Landwirtschaft. In der Corona-Krise hatten wir das Problem, genügend Erntehelfer*innen zu finden. In der Klimakrise werden wir uns fragen, ob wir überhaupt noch ernten können. Die Sensibilität für den Klimawandel ist extrem hoch. Immer mehr Menschen spüren, was es bedeutet, wenn es in der Stadt im Sommer so heiß wird, dass alte Menschen nicht mehr vor die Tür können.

Ich glaube, es ist sehr viel Bewusstsein da und es ist Aufgabe der Politik und aller, die Verantwortung tragen für die Gesellschaft, darüber zu reden. Verständnis erreichen wir, wenn wir Politik erklären. Das ist eine zentrale Aufgabe und die versuchen wir im Ministerium abzudecken und darüber hinaus über die verschiedensten Institutionen, sei es über das Umweltbundesamt, das Hintergrundinfos liefert oder über den Klima- und Energiefonds, der in den Klima- und Energiemodellregionen sehr viel regionale Arbeit macht, damit die Themen begreifbar, angreifbar und umsetzbar werden.

zur Mobilitätswende

Was sind die wichtigsten Weichen, die wir stellen müssen?

Das ganz große Thema, das ganz große Sorgenkind in Österreich ist die Mobilität. Dieser Sektor hat, von den Emissionen her gesehen, am meisten zugenommen: um 72 Prozent seit 1990.

Da müssen wir eine Trendwende schaffen: Wir investieren dieses Jahr 2,4 Mrd. Euro in den Bahnausbau, wir investieren 91 Mio. mehr als im letzten Jahr in die Angebotserweiterung beim öffentlichen Verkehr. Das bedeutet bessere und häufigere Verbindungen, auch an den Tagesrändern und in den touristischen Gebieten. Im Konjunkturpaket haben wir zusätzliche 300 Mio. Euro für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs vereinbart.

Weiter geht es auch darum, aktive Mobilität zu fördern: zu Fuß gehen und Rad fahren – nicht nur in der Stadt. Wir haben das Budget dafür im Vergleich zum letzten Jahr verzehnfacht.

Dort, wo Pkws ein Thema sind, wollen wir, dass auf emissionsfreie Antriebe umgestellt wird.

Die Mobilität ist in der Klimabilanz unser Sorgenkind. Damit sie klimafreundlich wird, muss sie möglichst bequem für alle Menschen und auch leistbar sein.

Das Paket für den öffentlichen Verkehr setzt an verschiedenen Punkten an – Bahnhöfe, Infrastruktur, Angebot. Wo wird der geographische Fokus liegen? Wie sieht die Verteilung der Maßnahmen bezüglich Stadt/Land aus?

Die zentrale Frage ist die Verbindung der Städte mit dem Umland. Mit den zusätzlichen 300 Millionen Euro setzen wir einen Schwerpunkt bei Privatbahnen und Stadtregionalbahnen. Zum Beispiel soll in Innsbruck die Stadtregionalbahn ausgebaut oder die Graz-Köflach-Bahn elektrifiziert werden. Wir schauen uns gerade – gemeinsam mit den Bundesländern – an, welche Projekte die besten Wirkungen in der Region haben.

Mit dem 1-2-3-Ticket geht es scheinbar gut voran. Wie sieht der Zeitplan derzeit aus?

Wir haben trotz Corona intensiv weitergearbeitet und Gespräche mit allen Verkehrsverbünden und Bundesländern geführt. Wir sind gut im Zeitplan und das freut mich. 2021 werden wir mit ersten Schritten auch kundenwirksam werden.

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Es sind sehr viele Vorarbeiten im Ministerium vorhanden, darauf kann man gut aufbauen, das hilft. Es ist das erste Mal, dass der Bund sagt: Ja, ich übernehme Verantwortung für ein tarifliches Angebot. Da braucht es unter anderem eine gemeinsame und gute Vertriebsplattform und ein entsprechendes Abrechnungsmodell zwischen allen Verbünden.

Es gibt mittlerweile sehr gute Beispiele wie Wien – das Flatrate-Ticket mit 365 Euro war ja der Startpunkt in Österreich; auch Vorarlberg hat ein Modell, Tirol und Salzburg arbeiten daran. Wir schauen uns die Erfahrungen genau an. Alle, die es eingeführt haben, berichten, dass es sehr erfolgreich ist und dass es mehr Passagiere in die öffentlichen Verkehrsmittel gebracht hat. Das 1-2-3-Ticket ist auch eines der beliebtesten Projekte bei den Menschen. Sie wollen es und deshalb gibt es auch sehr viel positive Resonanz aus den Bundesländern.

Ein großes Sorgenkind ist der Güterverkehr. Das Ziel ist die Verlagerung von der Straße auf die Schiene, jedoch gibt es Bevorzugungen von Lkw gegenüber der Bahn, beispielsweise wird bei Betrieben die Zufahrtsstraße zu 100 Prozent von der öffentlichen Hand bezahlt, der Gleisanschluss jedoch nur zu rund 50 Prozent. Sollte die Bundesregierung nicht Unternehmen und Betriebe, die ihren Gütertransport auf die Schiene verlagern, deutlich stärker fördern?

Der Güterverkehr ist ein riesiges Thema und wir haben in Österreich mit 30 Prozent im Europavergleich einen sehr hohen Anteil von Gütern auf der Schiene. Trotzdem: Wenn wir bis 2040 klimaneutral werden wollen, ist das nicht genug. Der Schienengüterverkehr hat 44-mal weniger CO2-Emissionen als ein Lkw, 51-mal weniger als ein Transport derselben Güter mit dem Flugzeug. Daher haben wir im Budget die Förderung für den Güterverkehr deutlich erhöht, darunter die von euch erwähnte Anschlussbahnförderung.

Das Ziel ist, Kostenwahrheit im Verkehrssystem zu schaffen und Ungleichgewichte abzuschaffen. Zum Beispiel die Schienenmaut: Je mehr man fährt, desto mehr zahlt man. Der Güterverkehr auf der Straße hat einen Deckel: Je mehr man fährt, desto günstiger wird es. Genau das muss sich ändern, daran arbeiten wir auf nationaler und auch auf EU-Ebene.

Die Abschaffung der Steuerbegünstigung für Diesel und Flugverkehr ist längt fällig. Wann können wir damit rechnen?

Die Steuerbefreiung von Kerosin und Schiffsdiesel soll beendet werden – das hat Ursula von der Leyen zu einem Thema im Green Deal gemacht. Es ist wichtig, das Steuersystem als Stellschraube zu nutzen, damit über Preissignale die richtigen Anreize gesetzt werden. Selbst Teile der Autoindustrie sehen das Problem sehr deutlich. Darüber hinaus haben wir in Österreich großen Tanktourismus. Gerade in Tirol heißt das: mehr Lärm, mehr Verkehr, Staus, Transit in einer Art und Weise, der für die Menschen dort nicht mehr tragbar ist. Wir wollen etwas tun, um das einzudämmen. Deswegen ist auch das Dieselprivileg ein wichtiges Thema der Steuerreform.

Wird das nur im Gleichklang mit der EU beschlossen werden?

Nein. Das Steuersystem ist primär eine nationale Aufgabe. Nur manche Dinge, wie die Kerosinbesteuerung, haben auf Europaebene einen ganz anderen Impact, den es zu nützen gilt. Die Zukunft des Flugverkehrs kann jedenfalls nicht sein, dass ein irischer Milliardär mit seiner Fluglinie um 99 Cent von Wien wegfliegt und dabei auf Kosten der Umwelt und der Arbeitnehmer*innen Gewinn macht.

Wie wird die Bahn attraktiver?

40 Prozent der Flüge vom Flughafen Wien sind unter 800 Kilometer. Überall dort, wo man den Zug beschleunigt, vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr, ist er eine richtige Konkurrenz zum Flug. Das sieht man auf der Weststrecke in Österreich, aber auch international zwischen Brüssel und Paris. Da setzen sich alle in den Zug. Es geht darum, die Nachtzüge auszubauen. Ich bin selbst großer Nachtzug-Fan. Die ÖBB ist hier europaweit führend; Wien ist die Stadt mit den meisten Nachtzugverbindungen.

Wird es eine Verschrottungsprämie geben?

Gerade aus der Autoindustrie gibt es aktuell deutliche Stimmen, die sich gegen die Verschrottungsprämie aussprechen. Und die Expert*innen sind ganz klar dagegen – auch wenn man sich die Diskussion in Deutschland anschaut. Ich sehe keinen Sinn darin, dass man eine erfolgreiche Gesetzgebung, die wir unter österreichischer Ratspräsidentschaft hart erarbeitet haben – nämlich die Flottenziele für Autohersteller –, torpediert, indem die Verfehlung der Ziele gefördert wird. Die Autoindustrie hat eine große Transformation vor sich, und die müssen wir unterstützen. Da geht es um die E-Mobilität, neue Antriebsarten und die Umstellung in der Branche. Dann tragen wir etwas dazu bei, dass die Unternehmen ihre Ziele erfüllen, dass sie zukunftsfähig sind, sichere Arbeitsplätze bieten und sich Strafzahlungen ersparen, wenn sie die Ziele nicht erfüllen.

Wird es zusätzliche Förderungen für E-Autos geben?

Wir haben das Budget für die E-Mobilität aufgestockt. Und zwar sowohl für die Pkw und für die Ladeinfrastruktur, als auch für E-Lastenräder und alles was dazugehört.

Die gute Nachricht ist, dass die Zulassungszahlen von E-Autos im ersten Quartal 2020 doppelt so hoch wie im Vorjahr waren. Wir haben aber noch immer einen weiten Weg vor uns – sowohl im Vergleich zu Vorreiterländern in Europa, aber auch in dem, was wir brauchen, damit wir die Klimaziele erreichen. Wir wollen viele verschiedene Initiativen starten: zum Beispiel bei den größeren Flottenumstellungen bei Dienstwägen. Ein großer Teil der Neuzulassungen in Österreich fällt in diesen Bereich. Wenn man dort den Switch schafft, dann hat man wirklich einen Hebel, damit die E-Mobilität in die Breite kommt. Das Thema Förderung schauen wir uns gerade auf vielen Ebenen an.

E-Autos werden ja bereits gefördert – keine NoVa, aber auch kein zu versteuernder Gehaltsbestandteil. Braucht es da wirklich noch mehr?

Einerseits ist es gut, wenn sich der E-Automarkt rapide entwickelt und damit die E-Autos günstiger werden. Die Prognosen sagen, dass in zwei bis drei Jahren Mittelklasse-E-Autos und Mittelklasse-Verbrenner etwa im gleichen Preisniveau sein werden. Bei der E-Mobilität ist die Lade-Infrastruktur die noch zentralere Stellschraube, die soweit auszubauen ist, dass E-Autos sehr bequem „tanken“ können. Hier haben wir jetzt auch im Gemeindepaket weitere Möglichkeiten geschaffen, damit sich Gemeinden die Ladeinfrastruktur fördern lassen können. 

zu Wohnen/Energie

Die thermische Sanierungsrate ist ein wesentlicher Meilenstein zur Bewältigung der Klimakrise. Sie ist 2018 auf 1,4 Prozent gesunken. Drei bis fünf Prozent müssten wir erreichen. Wie können wir das schaffen?

Nur indem alle an einem Strang ziehen, vor allem die Bundesländer und der Bund. Deswegen arbeiten wir an einer Wärmestrategie. Welche Anstrengungen braucht es, damit unser Gebäudebestand klimafit wird, also weniger Energie verbraucht? Das gelingt durch die thermische Sanierung; gleichzeitig senkt man damit die Fixkosten und hat günstigere Lebenshaltungskosten. Diese Aufgabe werden wir gemeinsam lösen müssen: die Bundesländer über die Bauordnungen, die Bundesebene z.B. über Standards, Förderungen und das Steuersystem.

Braucht es da nicht noch viel mehr? Es sind ja Förderungen in der Vergangenheit nicht abgeholt worden.

Wir müssen unsere Fördersysteme optimieren und Steueranreize bieten. Da gibt es aus anderen Ländern spannende Zahlen, die zeigen, welchen Sanierungsboom man mit einer leichten Veränderung der Abschreibemodelle auslösen kann.

Woher kommen die Fachkräfte für diesen Bedarf?

Fehlende Fachkräfte – das betrifft sehr viele Zukunftsberufe: den Installateur, der die Heizung tauscht, die Elektrikerin, die die Photovoltaik aufs Dach montiert oder den Baumeister, der Expertise in der thermischen Sanierung hat. Da wird es sicher Qualifizierungsoffensiven brauchen.

Im Regierungsprogramm steht das Eine-Million-Dächerprogramm: Photovolataik auf einer Million Dächern. Bis 2030 brauchen wir 11 TWh. So viele Dächer haben wir in Österreich nicht. Wir werden Freiflächen wie Felder oder Verkehrsflächen nützen müssen. Da wird es Widerstand geben. Wie kann man damit umgehen? Was plant das Ministerium hier? Wie schafft man Akzeptanz?

Akzeptanz ist ein zentraler Schlüssel für die Energiewende hin zu 100 Prozent Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse. Ein wichtiger Teilaspekt davon sind Energiegemeinschaften – das sind Menschen, die gemeinsam in eine Anlage investieren, den Strom konsumieren und ins Netz einspeisen. Wenn man selbst an diesem System teilhaben kann, nicht nur irgendwo ansteckt und Strom aus der Steckdose bezieht, sondern Teil der Zukunft der Energiewende sein kann, dann schafft das sehr viel Akzeptanz. Deshalb wollen wir diese Energiegemeinschaften so gestalten, dass sich eine Dynamik entwickeln kann. Die große Mehrheit der Menschen in Österreich ist bereit, in ihrem Umfeld zur Energiewende beizutragen. Aber das braucht Dialog, das braucht Partizipation, das braucht Erklärung.

Wer soll das machen?

Das ist Aufgabe von uns allen: der Politik und aller Akteure im Energiesystem.

zur Ressourcenschonung / Kreislaufwirtschaft

Die negativen Auswirkungen der internationalen Verflechtung unserer Wirtschaft haben wir jetzt in der Corona-Krise sehr direkt gespürt. Wird es ein Konzept geben, dass wir zukünftig in Österreich bzw. Europa produzieren wollen?

Im Gesundheitsbereich wird das ganz intensiv diskutiert, weil wir einfach gesehen haben, wie verletzlich wir sind und dass die globalen Wertschöpfungsketten nicht nur Chancen bieten, sondern auch Risiken haben.

Auch im Energiebereich haben wir das auf Europaebene intensiv diskutiert. Photovoltaik ist ein Beispiel. Wenn wir da Wertschöpfungsketten wieder nach Europa holen, stärkt das nicht nur eine klimafreundliche Industrie in Europa, sondern auch unsere eigene Krisenfestigkeit und Versorgungssicherheit beim Strom. Dafür ist eine sehr hohe Sensibilität vorhanden.

Neben dem Klimawandel ist Ressourcenschonung einer der wesentlichen Parameter für eine Produktion der Zukunft. Die Lösung heißt Kreislaufwirtschaft mit möglichst vielen Zyklen. Dazu hört man momentan wenig.

Ressourcenschonung ist eine der zentralen Herausforderungen. Der nächste Schritt ist die Umsetzung der Einweg-Plastik-Richtlinie. Wir haben eine Studie beauftragt, wie man die Ziele – u.a. die Erreichung einer Sammelquote von 90 Prozent oder die Verringerung von Littering – am besten erreichen kann.

Wird es ein Pfandsystem für Einwegverpackungen geben?

Bei den Abfällen, die in der Natur landen, haben Plastikflaschen einen überproportionalen Anteil. Bei der Studie ist das Einweg-Pfandsystem als die volkswirtschaftlich sinnvollste Variante herausgekommen. Wir werden sie in den nächsten Wochen mit allen Beteiligten diskutieren, ein Modell entwickeln und dann nächste Schritte setzen.

Ein grünes Banner mit dem Lebensart-Schriftzug weist auf die Abomöglichkeit mit 5 Ausgaben pro Jahr hin