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Bühnenbild aus Pilzmyzel

Auf der Bühne des Staatstheaters Braunschweig steht im Theaterstück "Funken" eine besondere Berglandschaft: Statt üblicher Bühnenwerkstoffe ist diese mithilfe von Pilzmyzel entstanden. Das Bühnenbild veranschaulicht das Potenzial des Bauens mit einem innovativen - und natürlichen - Material.

Ein weiß-steinernes Gebilde mit einem Eingang auf einer Bühne.
Foto: Eva Lochner

Das besondere Bühnenbild wurde von Forschenden am Fraunhofer WKI gemeinsam mit dem Partner Protohaus gGmbH für das Staatstheater Braunschweig angefertigt. Sie machten sich dabei die Tatsache zu Nutze, dass Pilze in der Lage sind, auch Stoffe wie Stroh oder Sägespäne zu zersetzen. Das Myzel - die Gesamtheit der fadenförmigen Zellen des Pilzes - bildet bei der Zersetzung der organischen Materialien ein dreidimensionales Netzwerk, aus dem sich eine selbsttragende Struktur ergibt. So ergibt sich aus dem verwendeten Elefantengras ein weiches, schwammartiges und rein organisches Verbundmaterial, das in jegliche gewünschte Form gebracht werden kann. "Das Myzel hat sozusagen die Funktion eines biologisch gewachsenen Klebstoffs", fasst Henrik-Alexander Christ, Wissenschaftler am Fraunhofer WKI, zusammen.

Die gewünschte Form bestand in diesem Projekt aus einem Berg mit Höhleneingängen - und das Material ist ganz bewusst gewählt: In der Natur bilden Myzele Netzwerke, Bäume und Pilze gehen Symbiosen ein, und auch der junge Protagonist Malte findet sich im Stück nicht nur im Ferienlager, sondern auch in der Rolle des Netzwerkers wieder. Aus Forschungssicht ist es aber natürlich auch eine Gelegenheit zu zeigen, welche Potenziale im Bauen mit Myzel stecken. "Durch die Verwendung von organischen Substraten, wie Fasern aus Elefantengras, können wir Reststoffe verwenden, um einen 100 Prozent biobasierten, abbaubaren, nachwachsenden und energiearmen Baustoff herzustellen. Mit verschiedenen Verfahren können die gewünschten Eigenschaften und Leistungsmerkmale des Baustoffs wie Textur, Festigkeit, Elastizität und Faserorientierung gesteuert und gezielt erzeugt werden", erklärt Dr. Steffen Sydow, Wissenschaftler am Fraunhofer WKI.

Die strukturgebenden Elemente im Inneren des Berges bestehen aus Holz, für die Oberfläche des Berges wurde Substrat aus Elefantengrasfasern mit Myzel angesetzt. "Die befüllten Rahmen wurden dann in einer Klimakammer unter hoher Luftfeuchtigkeit behandelt. So ergibt sich eine schöne glatte Oberfläche", erläutert Christ. Durch den abschließenden Trocknungsvorgang wird das Myzel inaktiviert und an weiterem Wachstum gehindert. Auch die Lampenschirme auf der Bühne bestehen aus Pilzmyzel, berichtet Sydow: "Die geformten Schirme bestehen aus teilweise heißgepressten Myzelmaterialien. Es gibt zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten für diese Materialien, an denen wir sehr gern weiterforschen würden."

Eine steinern anmutende weiß-gelbliche Platte.
Ob rund, rechteckig oder komplex geformt: Der Myzelwerkstoff lässt sich quasi in jede Form bringen. Beispiel hier: Fertige Platte für das Berglandschaft-Bühnenbild im Theaterstück "Funken". Foto: Fraunhofer WKI/Henrik-Alexander Christ

Der leichte und stabile Bio-Verbundwerkstoff könnte künftig zum Beispiel in der Baubranche eingesetzt werden. Dort könnten Dämmplatten oder MDF-ähnliche Platten für den Innenausbau mit dem innovativen Verfahren hergestellt werden. Die zahlreichen positiven Eigenschaften des Materials – es ist wärmedämmend, isolierend, feuchtigkeitsregulierend und darüber hinaus brandbeständig – könnten so genutzt werden. "Die Einsatzbereiche von myzelbasierten Materialien sind vielseitig. Daher freuen wir uns über die Gelegenheit, dem Publikum des Theaters Braunschweig einen Einblick in die Anwendungsmöglichkeiten dieses zukunftsweisenden Bio-Verbundwerkstoffs zu geben", sagt Christ.