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Bio für gesunde Verdauung

Ein guter Grund mehr Bio zu essen: eine artenreiche Darmflora. Studien vergleichen mikrobielle Biodiversität auf konventionell angebauten und biologisch erzeugten Äpfeln und die Artenvielfalt des Mikrobioms in Lebensmitteln und im Körper.

Bündel an Karotten mit Grünzeug auf einem Tisch.
Foto: Brad Stallcup, Unsplash

Mikroorganismen verschiedener Arten sind unerlässlich für die menschliche (Darm-)Gesundheit. Beim Essen eines kompletten Apfels nehmen Sie ungefähr 100 Millionen Bakterien zu sich. Dabei spielt keine Rolle, ob der Apfel konventionell oder biologisch erzeugt wurde – die Menge der Bakterien bleibt gleich. Einen wesentlichen Unterschied gibt es dennoch: die Artenvielfalt der Bakterien ist in einem Bio-Apfel wesentlich größer!

Das geht aus einer österreichischen Studie hervor, in der die mikrobielle Biodiversität auf konventionell angebauten und biologisch erzeugten Äpfeln miteinander verglichen wurde. Die Artenvielfalt im Bio-Apfel, gemessen mit dem Shannon-Index, lag dabei bei ungefähr 6, bei einem herkömmlichen Apfel waren es ungefähr 4.

Der Shannon-Index ist die am häufigsten verwendete Kennzahl für die biologische Vielfalt und misst nicht nur die Artenzahl, sondern auch die Anzahl der Individuen je Art. Je besser die Biodiversität, umso höher die Kennzahl. Überraschenderweise war der Großteil der Bakterien nicht auf der Apfelschale zu finden, sondern befand sich – auch, was die unterschiedlichen Bakterienstämme anging – in Fruchtfleisch und Kerngehäuse.

Volkert Engelsman, Direktor von Eosta, erklärt: „Es ist schon lange bekannt, dass die intensive Landwirtschaft die Vielfalt der Arten an Mikroorganismen im Boden ausdünnt. Jetzt wurde erstmals nachgewiesen, dass die intensive Landwirtschaft auch das Mikrobiom in unseren Lebensmitteln reduziert. Und das ist wahrscheinlich nicht förderlich für unsere Gesundheit".

Bedeutung des Mikrobioms für die Gesundheit

Der Einfluss des Mikrobioms auf die Gesundheit ist groß. Die Forschung zeigt, dass Mikroorganismen eine wichtige Rolle bei Unter- und Übergewicht spielen können; zudem beeinflussen sie über das Immun-, Nerven- und Kreislaufsystem all unsere Organe. Die bei weitem meisten Bakterien (sowie Pilze und andere Mikroorganismen) im menschlichen Körper befinden sich in unserem Verdauungssystem. Im Darm leben etwa 100-mal mehr Bakterien als auf der Haut (in der Lunge sind es etwa 10-mal mehr). Auch schein ein klarer Zusammenhang zwischen einer artenreichen Darmflora und der Gesundheit zu bestehen. So zeigen Forschungsergebnisse unter anderem, dass gesunde 90-Jährige mehr Arten an Darmbakterien besitzen als durchschnittliche Erwachsene.

Die Vermeidung des Kontakts mit dem natürlichen Artenreichtum (z.B. durch den Verzehr vieler industriell verarbeiteter Lebensmittel oder durch eine einseitige Ernährung) kann sich negativ auf das Immunsystem auswirken. Die Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass der Kontakt mit einer großen Vielfalt von Mikroorganismen in jungen Jahren wichtig ist, um ein überaktives Immunsystem zu verhindern. Der Boden spielt dabei eine große Rolle. So kommt ein Kleinkind, das in einer natürlichen Umgebung aufwächst und im Freien spielt, automatisch in Kontakt mit Erde – was einen wichtigen Beitrag zum Aufbau des Immunsystems leistet.

Neue Techniken machen das Artensterben im Darm sichtbar

Neue biologische Forschungstechniken sorgen für Durchbrüche in diesem Bereich. MWAS-Studien (Metagenome-Wide Association), die den Zusammenhang zwischen dem menschlichen Mikrobiom und komplexen Krankheiten (wie Diabetes Typ 2 oder Rheuma) untersuchen, zeigen, dass der Verlust der biologischen Vielfalt im Darm mit der Entwicklung chronischer Krankheiten in Verbindung steht. „Nomics"-Techniken wie die Genomik machen es immer einfacher, die Zusammenhänge zwischen biologischer Vielfalt des Bodens, Pflanzengesundheit, Lebensmittelqualität und menschlicher Gesundheit zu entschlüsseln.

Vom evolutionären Standpunkt aus logisch

Es gibt auch evolutionäre Argumente für die Bedeutung der biologischen Vielfalt in unseren Lebensmitteln und in unserer Umwelt. Der Mensch hat sich so entwickelt, dass er mit einer großen Vielfalt von Organismen in seinem Lebensumfeld und in seinem Körper koexistiert. Der westliche Lebensstil hat einen schlechten Einfluss auf das Mikrobiom im Körper. Völker, die von Jagd und Sammeln leben (z. B. die Hadzas in Tansania), scheinen die höchste biologische Vielfalt in ihrem Verdauungstrakt zu besitzen, gefolgt von Völkern, die traditionelle Landwirtschaft betreiben. Menschen, die in westlichen urbanisierten Gesellschaften leben, stehen am unteren Ende dieses Vergleichs. In den sogenannten „Blauen Zonen", also den Gebieten der Erde, in denen Menschen besonders lange leben, ernähren sie sich zum Großteil frisch, saisonal und von selbst erzeugten Produkten – und profitieren so von einer artenreichen Darmflora.

Mikrobiom in Lebensmitteln beeinflusst Darmmikrobiom

Eine Studie, die am 2020 in Nature veröffentlicht wurde, lieferte den ersten direkten Beweis dafür, dass unsere Nahrung das Mikrobiom unseres Darms beeinflusst; fermentierte Lebensmittel scheinen unseren Darm und unser Blut mit Milchsäurebakterien zu versorgen. Darüber hinaus gibt die DNA-Forschung eine klare Richtung vor: Das Genom lässt vermuten, dass unsere Darmbakterien von Nahrungsbakterien abstammen.

Eine entscheidende Frage, so Marco van Es von Bac2nature, müsse lauten: Wie kann man den Artenreichtum an Darmbakterien im Körper durch Ernährung und Lebensstil beeinflussen? Schließlich könne man nicht einfach Schlamm oder verdorbene Lebensmittel essen, so Van Es – mangelnde Hygiene kann lebensgefährlich sein, wie Lebensmittelvergiftungen in der Vergangenheit gezeigt haben. Die Frage ist also, wie sich Lebensmittelsicherheit und Mikrobiom-Kontakt am besten miteinander kombinieren lassen.

Studie untersucht Zusammenhang näher

Gemeinsam mit der Universität Maastricht und der VU Universität Amsterdam hat die Stiftung Bac2nature 2020 mit Unterstützung von Eosta die Studie Bac2food ins Leben gerufen, die die Zusammenhänge zwischen der mikrobiellen Vielfalt in Lebensmitteln und der Verdauung genauer untersuchen will. Dank der stark gesunkenen Kosten für DNA-Analysen ist es jetzt viel einfacher, die Artenvielfalt des Mikrobioms in Lebensmitteln und im Körper zu untersuchen.

Das Projekt untersucht, ob frisches, roh verzehrtes und in einem Boden mit artenreichem Mikrobiom gewachsenes Obst und Gemüse einen positiven Effekt auf das Verdauungssystem hat. Die Untersuchung befasst sich speziell mit den Anbaumethoden von Tomaten, Gurken, Paprika und Salat, wobei zu beachten ist, dass Tomaten, Gurken und Paprika in Gewächshäusern angebaut werden, während Salat im Freiland angebaut wird. Die ersten Ergebnisse sollen Anfang 2022 veröffentlicht werden.