Aus Fluss wird mehr
Naherholung, Hochwasserschutz, Leben.
Entsiegelung passiert nicht nur auf Plätzen, sondern auch im Flussbett: So entstand durch Revitalisierung des Michelbachs bei Böheimkirchen ein besserer Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie ein wertvoller Naherholungsraum für die Bevölkerung.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Michelbach in Böheimkirchen hat schon immer so ausgesehen wie heute. Spätestens bei der schlangenförmigen Wasserführung zwischen befestigten Steinen bei Außerkasten erkennt man aber, dass hier der Mensch eingegriffen hat. Und tatsächlich ist die Gestalt des Michelbachs zwischen Böheimkirchen und Furth „Natur aus zweiter Hand“.
Schon in den 1930er Jahren wurde begonnen, den Michelbach zu begradigen, um Flächen zu gewinnen. Durch die „Regulierung“ war der Bach jedoch zu einer Abfolge von Stauräumen und Sohlschwellen geworden, also Stufen, die Fischen das Auf- und Abschwimmen im Bach erschwerten oder unmöglich machten. Außerdem gab es nur wenige überströmte Kiesflächen, auf denen Fische ablaichen konnten, und wegen der geringen Wassertiefe erwärmte sich der Bach im Sommer stark.
Der Michelbach sollte deshalb wieder mehr Leben bekommen. Dafür wurden zwei Sohlschwellen abgebaut und vier Stufen, die nicht entfernt werden konnten, mit einer seitlichen Fischwanderhilfe, also einer Rinne mit sanfterer Steigung, passierbar gemacht. Um die Struktur des Flusses zu verbessern, wurden abwechselnd links und rechts Buhnen eingebaut – Bauwerke aus großen Steinen, die vom Ufer in den Fluss hineinragen und das kanalartige Flussbett in einen natürlicheren, pendelnden Lauf bringen. Der Fluss kann nun auch wieder seinen Schotter umlagern und sein Bett vielfältiger gestalten. An den Buhnen entstanden dadurch ein bis zwei Meter tiefe Gruben, sogenannte Kolke. „Dort kommt das Flusswasser in Kontakt mit dem Grundwasser und wird so abgekühlt“, erklärt Martin Mühlbauer von ezb (Eberstaller Zauner Technische Büros für Angewandte Gewässerökologie, Fischereiwirtschaft, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft), der die Revitalisierung des Michelbachs geplant hat. Bei sommerlicher Hitze ist das Wasser an den tiefen Stellen nun um bis zu acht Grad Celsius kühler als in der fließenden Welle. Das ist für Fische sehr wertvoll, denn diese leiden zunehmend unter der Erhitzung. Für mehr Struktur und damit eine Verbesserung des Lebensraums sorgen auch flache Ufer und Kiesinseln, im Bachbett verankerte Baumstämme und die Beschattung der Ufer durch Bäume und Sträucher. Fische können sich nun dank dieser natürlicheren Strukturen zwischen Steinen und unter Ästen und Wurzeln verstecken und an flachen Stellen laichen. Auch andere Wasserlebewesen profitieren von der neuen Vielfalt. So wurden bereits Reiher und Flussuferläufer am Bach gesichtet.
An den sogenannten Buhnen entstanden ein bis zwei Meter tiefe Gruben. „Dort kommt das Flusswasser in Kontakt mit dem Grundwasser und wird so abgekühlt“,
erklärt Martin Mühlbauer.
Auch für die Menschen ist der Michelbach durch die Revitalsierung attraktiver geworden: „Bei den Buhnen gehen die Leute jetzt lieber baden als vorher, wo das Wasser nur zehn Zentimeter tief war“, erzählt Franz Erasimus, der Amtsleiter der Gemeinde Böheimkirchen.
Die Gemeinde Böheimkirchen sei sehr zufrieden mit dem Projekt, sagt Franz Erasimus. Das Projekt zur ökologischen und landschaftlichen Verbesserung des Michelbachs erfüllt die Anforderungen der EU Wasserrahmenrichtlinie und hat auch über die Gemeinde hinaus Aufmerksamkeit erregt: Es erhielt 2018 einen „Climate Star“ des Klima-Bündnis Österreich, 2019 den „Energy Globe Award“ und 2023 den „Adapterra Award“ für eines der besten Klimawandel-Anpassungsprojekte in Österreich.
Bei den katastrophalen Überflutungen im September 2024, bei denen ganz Böheimkirchen unter Wasser stand, wurden einige der gebauten Buhnen beschädigt und Kolke zugeschwemmt. Was der Fluss nicht selbst „reparieren“ kann, indem er Schotter aus den Kolken wieder ausschwemmt, muss nun wieder instandgesetzt werden.
Zwar wurde im Zuge der Revitalisierung auch Raum geschaffen, um Starkregenereignisse etwas abzufedern, doch das reiche bei so einem extremen Hochwasser bei weitem nicht aus, sagt der Flussbauer Martin Mühlbauer. Für zukünftige Hochwasser brauche es mehr und größere Retentionsräume an unseren Flüssen – und mehr Flussnatur, da diese auch einen besseren Hochwasserschutz bieten kann.
Sonja Bettel
UMSETZUNGSZEITRAUM
2016 – 2018
KOSTEN
3
MILLIONEN EURO
FÖRDERUNGEN UND
FINANZIERUNG
Bund: 1,8 Millionen Euro
Land NÖ: 900.000 Euro
Marktgemeinde Böheimkirchen:
300.000 Euro
BEGLEITUNG UND UMSETZUNG
Wasserbau-Abteilung Land NÖ
Ökologie Wasserbau-Abteilung
Land NÖ
Firma ezb (DI Martin Mühlbauer)
Firma Traunfellner