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Wie Landwirtschaft zu Naturschutz wird

Landwirt*innen und Naturschützer*innen stehen sich in mancher Debatte unversöhnlich gegenüber. Wie ein sinnstiftendes Miteinander gelingen kann, zeigt der Biohof Harbich in Aderklaa.

Eine Nahaufnahme einer trocken aussehenden Wiese: Im Vordergrund der Kopf einer Kuh, die sich an pinke Blüten und spitze Grashalme heranäst. Im Hintergrund offene Fläche und ein Schaf.
Foto: Biohof Harbich

„Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb aus dem Naturschutz einen Mehrwert generieren kann, ist das für beide Seiten positiv und schafft außerdem einen Mehrwert für die gesamte Region“, ist Biobauer Vinzenz Harbich überzeugt.

Sein Vater Gerald hat das Betriebskonzept in den 1990er Jahren aus gesundheitlichen Gründen umstellen müssen. Anstelle des Obst- und Gemüseanbaus traten Getreideanbau und Rinderhaltung, genauer gesagt: Mutterkuhhaltung. Einige Jahre später kam die Mutter-Sauen-Haltung dazu. Die Tiere werden am Ende eines artgerechten Lebens in der eigenen Metzgerei geschlachtet, zerlegt und im Bio-Hofladen sowie nach Vorbestellung über verschiedene Abholstationen verkauft. Harbich begreift sich und seinen Betrieb als Teil eines größeren Ganzen. Er denkt in Kreisläufen. „Unser Acker bietet Futter für unsere Kühe, während diese wiederum den Acker mit Nährstoffen versorgen. Ein sehr wichtiges Instrument ist für uns auch die Fruchtfolge, das heißt es wechseln die Kulturen auf einem Feldstück, um voneinander zu profitieren und um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten“, so Harbich.

Die Landschaft steht nie still, sie ist immer in Bewegung. Man kann sogar sagen, dass die Rinder die Landschaft formen.

Biobauer Vinzenz Harbich

Naturschutz und landwirtschaft unter einem Dach

Bei allem Tatendrang sind der gedeihlichen Entwicklung eines landwirtschaftlichen Betriebs durch die Größe der vorhandenen Weide- und Ackerflächen Grenzen gesetzt. Deshalb wurde Harbich – ursprünglich vollkommen ungeplant – vor einigen Jahren zum Naturschutzgebiet-Erhaltungspartner. Dabei beweiden Harbichs Rinder als Naturschutzgebiet ausgewiesene Flächen wie beispielsweise die Rabensburger Bauernwiesen, die Baumgartner Salzsteppe oder die Obersiebenbrunner Wacholderweide. Das hat den großen Vorteil, dass die eigenen landwirtschaftlichen Flächen für den Anbau von Speisegetreide genutzt werden können, während seine Herde im Naturschutzgebiet Futter findet und damit wie nebenbei einen Beitrag zum Erhalt von Biodiversität und Artenvielfalt leistet. „So ist es uns gelungen, unsere Herde Schritt für Schritt zu vergrößern“, freut sich Harbich. Als er gefragt wurde, ob er „Erhaltungspartner“ werden möchte, hatte Harbich seine Zweifel: „Naturschutzgebiete sind oft ungepflegte Gstätten, mehr oder weniger stark mit Büschen bewachsen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Rinder das fressen. Wie sich herausgestellt hat, ist der Futterwert aber recht gut.“

Eine Wiese mit gelben Blüten. Darauf eine Gruppe braun-weiß gescheckter Ziegen.
Foto: Biohof Harbich

Vom Hörndlfresser zum Körndlfresser

Manuel Denner ist selbstständiger Landschaftsplaner und Schutzgebietsbetreuer in der Weinviertler Klippenzone. Halbtrocken- und Trockenrasen etwa am Bisamberg, Feuchtenwiesenreste wie jene an der Zaya und einzelne Salzstandorte zählen zu den Lebensraumtypen, die besonders schützenswert sind. Denn dort gedeihen viele unterschiedliche Gräser, Kräuter und Insekten. Eine von Denners Aufgaben besteht darin, gezielt nach landwirtschaftlichen Betrieben mit Schafen, Ziegen oder Rindern Ausschau zu halten und Weideprojekte in diesen Schutzgebieten zu initiieren. Werden die Schutzgüter vor zu dichtem Bewuchs mit Gehölzen und Sträuchern bewahrt, bleibt die Vielfalt in Flora und Fauna erhalten. Weidetiere sind quasi lebendige Rasenmäher. „Meine Vision ist, dass 2030 alle Naturschutzflächen im Weinviertel beweidet werden. Das ist ambitioniert, aber machbar“, gibt sich Denner zuversichtlich. Historisch gesehen wurden die Kulturflächen des Weinviertels seit jeher durch weidende Tiere erhalten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg haben die meisten Bauern die Viehzucht zugunsten des Ackerbaus eingestellt, viele Flächen sind seitdem mehr oder weniger dicht mit Büschen und Bäumen bestockt. Hier setzen die von Denner vorangetriebenen Weideprojekte an. Naturschutz wie nebenbei – so wie es ursprünglich war.

Eine Nahaufnahme einer Eidechse durch Blättergewirr. Die Eidechse hat einen grünlich-blau schillernden Kopf und einen gelbgrün leuchtenden Körper.
Die Östliche Smaragdeidechse liebt sonnenerwärmte Orte wie trockene Waldränder, Halbtrockenrasen oder Steppenheiden. Foto: Manuel Denner

Landschaft in Bewegung

Die Naturschutzgebiete Niederösterreichs sind hauptsächlich Standorte, die nicht oder nur schwer maschinell bewirtschaftet werden können. Daher sieht Denner auch keinen Konflikt zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz. Das ist aber nicht überall in Österreich so. In den Alpen sind Bergbäuerinnen und Bergbauern oft auf jede noch so kleine Fläche angewiesen, auch wenn sie nur mühsam und teilweise von Hand bewirtschaftet werden kann. Eine Ausweisung von größeren Schutzflächen bedeutet dann einen echten Einschnitt und stellt im schlimmsten Fall sogar das Betriebskonzept in Frage. Die Debatte um die Ausweisung von zusätzlichen Naturschutzgebieten wird daher in kleinbäuerlich strukturierten Regionen weit emotionaler geführt als in Gebieten, wo Schutzflächen ohnehin nicht landwirtschaftlich genutzt werden.

TROCKENRASEN

sind besonders artenreiche Lebensräume an trockenen, nährstoffarmen, meist südlich ausgerichteten Standorten. Die vielen unterschiedlichen Gräser und Kräuter, die auf Trockenrasen gedeihen, sind ein idealer Lebensraum für Insekten. Um die Entwicklung eines Trockenrasens zu einer Buschlandschaft zu verhindern, müssen die Flächen regelmäßig gepflegt werden. Das geschieht am besten durch extensive Beweidung sowie das Hacken oder Ausreißen von Büschen.

BUCHTIPP
WALD. GESCHICHTE. WEINVIERTEL.
Der Mittelwald im Weinviertel – historische Waldnutzung als gelebte Tradition und Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt.
Von Manuel Denner im Verlag Berger.

Das Buch spannt einen Bogen von den Ursprüngen des Waldes im nacheiszeitlichen Mitteleuropa über die ersten nachweisbaren Nutzungen durch den Menschen bis hin zur heutigen Bewirtschaftung. Denner geht außerdem der Frage nach, was die lichten, sonnendurchfluteten Eichenwälder des Weinviertels so bedeutend für den Erhalt der Biodiversität macht – zählen sie doch zu den artenreichsten Wäldern in ganz Österreich.

Denner sieht Weideprojekte wie im Weinviertel gleichzeitig als Belebung der Landschaft: „Wenn ich im Gelände unterwegs bin, begegne ich vielen Menschen, die hier Erholung suchen. Oft gehen Großeltern mit ihren Enkeln spazieren, um sich die Schafe anzuschauen. Eine belebte Landschaft ist auch für uns Menschen attraktiv.“

Ins selbe Horn stößt Vinzenz Harbich, für den die Erhaltungsarbeit im Naturschutzgebiet ein persönliches Anliegen ist. Menschen sind Teil der Natur. In seiner Stimme schwingt Demut, er befürchtet, dass uns die Erde irgendwann abschüttelt, wenn wir uns nicht auch um andere Lebewesen und Lebensformen kümmern. „Die Landschaft steht nie still, sie ist immer in Bewegung. Man kann sogar sagen, dass die Rinder die Landschaft formen“, sagt der Biobauer. Je naturbelassener die Landschaft, desto besser kann man sich darin erholen. Auch er selbst nimmt sich im arbeitsintensiven Alltag manchmal Zeit für einen Spaziergang in die Naturschutzgebiete. Das entschleunigt und erdet ihn, wie er sagt. Bei dieser Gelegenheit sieht er nach seinen Tieren und kann so das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. „Es erinnert mich dann ein wenig an die Ursavanne, wo der Mensch einst seinen Lebensraum hatte. Vielleicht fühlen wir uns da deshalb zuhause – ohne es zu wissen.“

Regina M. Unterguggenberger

Dieser Beitrag ist in der LEBENSART Naturland Niederösterreich erschienen.
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