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Warum Bienen, Vögel und Falter sterben

Es ist stiller geworden auf Wiese und Feld. Die Zahl der Insekten, von Wild­bienen bis hin zu Schmetterlingen, nimmt weltweit ab. Höchste Zeit, etwas zu tun.  Oberösterreich macht den Anfang.

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Foto: Pixabay_commons Pixabay

Drei Viertel aller Insekten sind in den letzten drei Jahrzehnten verschwunden, mehr als die Hälfte der in Österreich lebenden Insektenarten sind akut gefährdet. Insekten sind umgekehrt aber die Nahrungsgrundlage vieler Vögel. Mit den Insekten sind auch rund 40 Prozent der wichtigsten Feldvögel in den vergangenen 20 Jahren verschwunden.

Was bringt die Zukunft? Wird die Bestäubung unserer Pflanzen noch durch Nützlinge möglich sein oder werden Mensch und Drohnen zum Einsatz kommen für diese „Dienste“?

Oberösterreich will dem entgegenwirken. „Mit der Kampagne „Oberösterreich blüht auf“ wollen wir 2018 und 2019 über die Ursachen des Insektensterbens informieren, Aufklärung leisten von den Schulen bis hin zu den Gärtnervereinen, die notwendigen Veränderungen und Reformen aufzeigen und diese politisch durchsetzen“, sagt Landesrat Rudi Anschober.

Zahlen des Verschwindens

Die Artenvielfalt und unsere Böden sind durch das „Ausräumen“ der Landschaften, durch den Klimawandel, die Intensivierung der Landwirtschaft massiv unter Druck geraten - Wissenschaftler/innen erheben seit Jahren warnend dazu ihre Stimme. Besonders am Beispiel der Insekten und Feldvögel, wie auch dem Verlust an Bestäubungsleistung zeigt sich die erschreckende Lage deutlich.

Insekten stellen 80 % der Tierwelt, aber auch 80 % der Nutzpflanzen werden durch Insekten bestäubt und wiederum fast 80% der Vögel ernähren sich bevorzugt oder ausschließlich von Insekten. Eine Studie aus Deutschland zeigt für 67 Naturschutzgebiete einen Biomasse-Rückgang von bis zu 82% in den letzten 30 Jahren. Diese Insekten-Biomasse ist Nahrung für unsere Vögel, Reptilien, Amphibien, Fledermäuse und viele mehr.

Das gesamte Ökosystem ist gefährdet – eine Abwärtsspirale:

  • Drei Viertel aller Insekten sind in den letzten drei Jahrzehnten in Deutschland verschwunden; in Österreich geht man von einem ähnlichen quantitativen Rückgang aus, das sind 80% der Gesamtmenge an Insekten;
  • mehr als die Hälfte der in österreichischen Insektenarten sind akut gefährdet; bei Wiesenschmetterlingen sind es 70 bis 80%;
  • gut 80% der Wildpflanzen werden von Insekten bestäubt;
  • für 60%-80% aller Vogelarten sind Insekten eine wichtige Nahrungsquelle;
  • Laut Birdlife gibt es einen Rückgang von 42% der wichtigsten Feldvögel seit dem Jahr 1998.

Die sinkenden Zahlen an Bienen, Schmetterlingen und Mücken könnten aber umfassende Auswirkungen, z.B. auch für Wirtschaft und Lebensmittelversorgung haben – etwa in Form von verminderter Erntequalität und Rohstoffknappheit.

Die Kosten des Insektensterbens

Ein neuer Bericht des UN-Umweltbeobachtungszentrums (UNEP-WCMC) zeigt, welche Kosten das zunehmende Aussterben von Wildbienen- und Schmetterlingsarten für die Nahrungsmittel-versorgung haben könnte:

  • Abhängigkeit der Landwirtschaft von Bestäubern hat sich seit 1960 um 400% erhöht;
  • etwa drei Viertel der Nahrungspflanzen sind von der Bestäubung abhängig;
  • Bienen und andere Bestäuber sind jährlich 577 Mrd. USD (466 Mrd. Euro) wert; die Hälfte dieses Wert stammt von Wildinsekten (!);
  • Für Deutschland berechnete der Imkerbund einen Wert der Bestäubungsleistung von Bienen in Höhe von 2 Mrd. Euro; Bienen gehören neben Rindern und Schweinen zu den drei wichtigsten Nutztieren in Deutschland; der Wert der Leistung von Bienen beträgt weltweit 200 Mrd. Euro; in der EU: 65 Mrd.; verschiedene Quellen geben für Österreich über 500 Mio. Euro jährlich an;
  • Befragte aus weltweit agierenden Großunternehmen geben an, es gebe nicht genug Informationen über den Rückgang der Bestäuber bzw. über die Auswirkungen des Insektensterbens hin zu möglichen Risiken für die Lieferkette;

Die Studienleiterin warnt: „Weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen wissen, welche Rohstoffe, die sie beziehen, von Bestäubern abhängig sind.“

Um die Artenvielfalt zu erhalten, ist es unumgänglich, eine kritische Masse von Menschen zu erreichen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und sich dafür einsetzen. Fritz Gusenleitner (Biologiezentrum Linz): „Das verursachte Insektensterben ist die größte „Natur-Vernichtungswelle“ der Menschheit, ist bedeutender als der Klimawandel einzustufen und multikausal, deshalb sind auch breit wirksame Maßnahmen zur Gegensteuerung nötig.“

Ursachen für das Insekten-Sterben

  • Flächenmäßig ist die industrialisierte Landwirtschaft mit Pestizid- und Düngereinsatz (Abdrift), Monokulturen ohne Begleitstrukturen (Mais) häufige und frühe Mahd ein Hauptfaktor für das Insektensterben.
  • Ein wesentlicher Grund für einen massiven Rückgang der Insektenbiomasse ist aber auch die Lichtverschmutzung.
  • Ebenso trägt die falsche Bewirtschaftung oder Nutzung von Flächen in öffentlicher oder privater Hand zum Artenschwund bei.
  • Dazu kommen Bodenversiegelung und die Vernichtung kleinstrukturierter Lebensräume sowie die Zerschneidung von Habitaten.
  • Über allem stehen das fehlende Bewusstsein und die fehlende Bildungsstrategie, die eine Änderung herbeiführen könnte. Der Rückzug der Universitäten aus dem Themenbereich der Organismischen Biologie belegt dies.

Der Münchner Zoologe Prof. Reichholf zeichnet drei Wendepunkte in der Landwirtschaft für das Insektensterben verantwortlich:

  • Flurbereinigung in den 1960/70er Jahren
  • Überdüngung seit den 1980er Jahren zur Ertragssteigerung
  • Seit den 1990er Jahren Ausweitung Maisanbau mit massivem Pestizideinsatz > Glyphosat: sorgt dafür, dass auf dem Feld nichts mehr wächst außer Mais; Neonics töten massenhaft Insekten, unterscheiden dabei nicht zwischen Nützling und „Schädling“.

In einer Ursachenanalyse wurden vier Problemfelder festgestellt: Industrialisierte Gärten, Öffentliche Flächen, Industrialisierte Landwirtschaft, Fehlendes Wissen. LR Anschober: „Wir wollen die Bevölkerung mit den Inhalten der Ursachenanalyse sensibilisieren. Danach wollen wir eine breite Bürgerbewegung auslösen und vernetzen und das Maßnahmenpaket politisch durchsetzen.“

Positive Beispiele gibt es bereits, wie Bodenbündnis-Gemeinden, Gemeinschaftsgärten, die pestizidfrei garteln oder Bio-Landwirt/innen, die ohne Umweltgifte ihre Felder bestellen. Diese sorgen dafür, dass Boden und Arten auch für unsere nächste Generation noch erhalten werden.

Quelle: LR Rudi Anschober, www.land-oberoesterreich.gv.at

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