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Natur Barometer 2022

Umfrage zeigt: Die größten Sorgen der Österreicher*innen sind die Ausbeutung von Wäldern, Ernteflächen, Bodenschätzen und Meeren

Auf einer der zahlreichen weissen Blüten einer Heckenrose lässt sich eine Biene nieder.
Foto: Dr. Stefan M. Gergely

Eine Studie von Marketagent im Auftrag der gemeinnützigen Arche Guntrams zeigt die größten Sorgen der Österreicher*innen auf: An erster Stelle steht die Ausbeutung von Wäldern, Ernteflächen, Bodenschätzen und Meeren zum Schaden unserer Nachkommen, gefolgt von Umweltverschmutzung, Artensterben, Krankheit und Klimawandel.

Die Umfrage fand Ende April 2022 statt, also mitten im Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine. Die eingangs genannten Sorgen sind auch in dieser heiklen Phase größer als vor einem begrenzten oder globalen Atomkrieg, der sich an Stelle 12 bzw. 15 wiederfindet. Vergleichsweise wenig Sorgen bereiten den Österreicher*innen auch neue Seuchen / Pandemien, ein totaler Stromausfall sowie der Verlust von Wohnung oder Arbeitsplatz.

Die wichtigsten persönlichen Anliegen der Befragten waren Gerechtigkeit, medizinische Versorgung, Menschenrechte und Demokratie, dicht gefolgt von Natur- und Artenschutz, Artmut und Bildung für alle. Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende sind nur für etwas mehr als die Hälfte ein Anliegen, das sehr oder eher berührt.

Ein Balkendiagramm der größten Sorgenbereiche.
Quelle: marketagent

Die Natur als höchstes Gut?

„Es ist die Pflicht des Menschen, die Natur zu schützen“; diese Aussage trifft für 88,2 Prozent der Österreicher*innen voll und ganz oder eher zu. Fast ebenso viele macht es glücklich, in der Natur zu sein. Nur 22,9 Prozent sind der Meinung, dass die Natur der wirtschaftliche Entwicklung nicht im Weg stehen darf.

Auch auf die Frage, wie notwendig ein stärkeres gesellschaftliches Engagement im Bereich Natur- und Artenschutz sei, antworten drei Viertel der Befragten mit „sehr dringlich“ oder „eher dringlich“. „Noch deutlicher geht es kaum“, kommentiert Stefan M. Gergely der Arche Guntrams, die sich gemeinnützig für Bio-Monitoring und konkrete Artenschutz-Projekte einsetzt; „dieses Bekenntnis der Österreicher*innen für die Natur ist ein klarer Auftrag für die Politik, mehr zu tun als bisher“.

Ein Säulendiagramm, dass zeigt, dass knapp 75% der Befragten Arten- und Naturschutz für ein dringliches Thema hält.
Quelle: marketagent

Was die Vielfalt der Arten am meisten bedroht

Die Verbauung von Grünflächen und die Bodenversiegelung mit Beton und Asphalt halten 59,5 Prozent der Befragten für die größte Bedrohung der Artenvielfalt, knapp gefolgt von Müllbelastung und Mikroplastik, Umweltverschmutzung, Abholzung sowie Klimawandel. Dagegen seien Jagd und Wilderei, Massentourismus und Überbevölkerung vergleichsweise geringe Bedrohungen. Nur 2,6 Prozent sehen keine Bedrohung der Artenvielfalt. Auch eingeschleppte Pflanzen und Tiere sind ein Thema, das bewegt: So ist es für 71% der Befragten wichtig, dass Maßnahmen gegen invasive Arten gesetzt werden.

Ein Balkendiagramm der größten Bedrohungen der Artenvielfalt
Quelle: marketagent

Knapp 73 Prozent der Österreicher*innen sind davon überzeugt, dass die biologische Vielfalt auf der Erde abnimmt - 67 Prozent sehen sie als vorrangige gesellschafliche Aufgabe.

Die Wünsche nach mehr Kenntnis über Artenvielfalt

Für fast die Hälfte der Befragten soll die Schule mehr Wissen über Artenvielfalt vermitteln. Führungen in der Natur sind für 36,4 Prozent wichtig, das Fernsehen für 28,4 Prozent. Die Wissensvermittlung in der Familie, Zoos und Tierparks sowie botanischen Gärten ist für jede*n Fünfte*n wichtig.

Mehr Artenkenntnis wünschen sich die Österreicher*innen am ehesten über Bäume, Blütenpflanzen und Vögel. In Grenzen dagegen hält sich das Interesse an Algen und Flechten, Spinnen sowie Muscheln und Schnecken.

Welche politischen Maßnahmen als wichtig gelten

81,8 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Verbrauch von Bodenflächen für Siedlungen, Gewerbe und Verkehrsflächen reduziert werden muss, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Der Klimawandel wird fast ebenso stark als Bedrohung für die biologische Vielfalt eingestuft. Gleichzeitig sehen knapp 80 Prozent der Befragten den positiven Einfluss biologischer Vielfalt auf ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität und nehmen Naturschutzflächen und Schutzgebiete als besonders wichtig wahr. Fast drei Viertel der Österreicher*innen sehen Schutzgebiete ebenso als wichtigen Teil ihrer Heimat. Nur 15,2 Prozent meinen, dass es schon genug davon gibt.

Klare Mehrheit für radikale Kehrtwende

Nur ein knappes Fünftel der Österreicher*innen glaubt, dass die moderne Technik dafür sorgen kann, Natur und Umwelt intakt zu halten. Dagegen denken 61 Prozent der Befragten, dass eine radikale Kehrtwende in unseren Lebensgewohnheiten und Ansprüchen angesagt ist und dass es dazu auch ein stärkeres Thematisieren von Natur und Artenschutz auf politischer Ebene braucht. „Das Bewusstsein, dass es so nicht weiter gehen kann und darf, zieht sich wie ein roter Faden durch unsere ganze Studie“, betont Thomas Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent.

Für die Hälfte der Befragten wird der Klimawandel vorallem durch menschliches Handeln verursacht. Ein Drittel meint, dass natürliche Vorgänge und menschliches Handeln „in etwa zu gleichen Teilen“ beteiligt sein - nur für 4,7% hat sich das Weltklima nicht verändert. „Diese Daten belegen, dass 'Klimaleugner' wenigstens in Österreich ziemlich unbedeutend sind“, ergänzt Stefan M. Gergely.

Was jede*r selbst und was die Politik tun soll

An der Spitze der „effektivsten alltäglichen Handlungen“ stehen Plastik vermeiden, regional einkaufen und Müll vermeiden/trennen. Für jeden Vierten der Österreicher*innen sollten wir unseren Konsum eingeschränken und weniger kaufen, was wir nicht wirklich brauchen. Verkehrswege zu Fuß zurückzulegen und statt mit dem Auto mit dem Rad oder der Bahn zu fahren ist für knapp ein Fünftel ein Thema. Am unteren Ende der Skala finden sich Maßnahmen wie „statt einem Diesel- oder Benzinmotor ein E-Auto kaufen“.

Ein Balkendiagramm zu den wichtigsten alltäglichen Handlungen für Klima- und Artenschutz.
Quelle: marketagent

Als effektivste politische Maßnahme für den Klima- und Umweltschutz wird das Verursacherprinzip als gesetzliche Regel gefordert: Es soll derjenige für die Beseitigung von Schäden an der Umwelt und am Klimawandel sorgen, der sie angerichtet hat. Darauf gefolgt liegt der Ausbau und die Förderung des öffentlichen Verkehrs, sowie das Verbot der industriellen Tierzucht. Als weniger wichtig werden höhere Abgaben auf Erdöl und Erdgas, der Ausbau der E-Mobilität, die Besteuerung von Kohlendioxid sowie die Einschränkung des globalen Handels angesehen.

Ein Balkendiagramm zu den wichtigsten politischen Handlungen für Klima- und Artenschutz.
Quelle: marketagent

Die Rolle der Konzerne und Interessenverbände

Für 75,3 Prozent der Befragten hat die Wirtschaft - also Konzerne und Interessenverbände einen (sehr) großen Einfluss auf die Politik bei Natur-, Umwelt- und Artenschutz. Zu Werbeaussagen und Gütesiegeln mit Slogans wie „nachhaltig“, „aus biologischem Anbau“, „ohne Gentechnik“ oder „aus regionaler Herkunft“ waren die Befragen eher skeptisch eingestellt: Für knapp die Hälfte wird nicht ausreichend kontrolliert, ob die werblichen Aussagen und Gütesiegel auch halten, was sie versprechen und knapp ebensoviele denken, dass Gütesiegel mehr versprechen, als sie halten - nur 11,3 Prozent haben Vertrauen in solche Werbeaussagen und Gütesiegel.

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