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750 Kilometer Müll

Rund eine Million Tonnen Lebensmittel landen in Österreich jährlich im Müll – was tun?

Eine Mülltonne mit überquellendem Biomüll, eine Hand hebt mit spitzen Fingern eine Bananenschale hoch.
Foto: Cyano66/iStock

Ein Stau von Wien bis nach Zürich: Den gäbe es, würde man alle in Österreich in einem Jahr entsorgten Lebensmittel auf LKWs laden und diese aneinanderreihen - 750 Kilometer lang. Noch eindrucksvoller wird das Ausmaß unserer Verschwendung, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Million jährlich entsorgten Tonnen nur um sogenannte vermeidbare Lebensmittelabfälle handelt – also um Lebensmittel, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch genießbar sind oder genießbar gewesen wären, wenn man sie rechtzeitig gegessen hätte, beziehungsweise um Lebensmittel, die aus Gründen wie mangelhafter Optik nicht marktgängig sind.

Eine Illustration von 50.000 LKWs die sich von Wien nach Zürich schlängeln.
Bild: Land schafft Leben

“Es braucht endlich wirksame Gesetze, um die Verschwendung an der Wurzel zu stoppen. Freiwillige Maßnahmen allein reichen nicht aus”, sagt Dominik Heizmann vom WWF Österreich - denn etwa 15 Prozent der weltweit produzierten Lebensmittel gehen bereits am Anfang der Wertschöpfungskette, also in der Landwirtschaft, verloren. “Der Handel sollte seine Vorgaben anpassen und auch Obst und Gemüse, das in Form, Farbe oder Größe von der Norm abweicht, attraktiv anbieten. Zusätzlich braucht es mehr Daten aus der Landwirtschaft, damit wir die Dimension des Problems besser erfassen können“, fordert Heizmann. Ein wichtiger Schritt gegen die Verschwendung ist die Berichtspflicht für Unternehmen im Lebensmittelsektor: Ab Oktober müssen große Händler regelmäßig offenlegen, wie viele Lebensmittel sie entsorgt oder gespendet haben. Eine Ausweitung auf Produktion, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung wäre laut WWF sinnvoll.

„Lebensmittelverschwendung ist ein großes gesamtgesellschaftliches Problem“, bekräftigt auch Maria Fanninger, Gründerin des Vereins Land schafft Leben. „Es geht nicht nur um die Lebensmittel, die wir entsorgen, sondern auch um das Geld und die Ressourcen, die mit ihnen in den Müll wandern.“     

Lebensmittelverschwendung als Kostenfaktor

Dass sich die Verschwendung deutlich im Budget niederschlägt, zeigt ein Blick auf den Warenwert unserer Lebensmittelabfälle: Laut Umweltbundesamt landen in österreichischen Haushalten zwischen 400.000 und 600.000 Tonnen essbare Lebensmittel in den Mülltonnen. Ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt mit 2,2 Personen wirft in einem Jahr Lebensmittel im Wert von bis zu 800 Euro in den Müll. Zum Vergleich: Knapp 400 Euro gibt der Durchschnitts-Haushalt pro Monat für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke aus (exklusive Außer-Haus-Verzehr). Mit dem Warenwert seines Lebensmittelmülls könnte sich ein Haushalt also wiederum etwa zwei Monate lang mit Lebensmitteln versorgen.

Eine Illustration zeigt, dass von den 900.000 Tonnen jährlich verschwendeter Lebensmittel 58 Prozent im privaten Haushalt, 19% in der Gastronomie, 14% in der Verarbeitung, und 9% im Handel anfallen.
Bild: Land schafft Leben

…und Umweltfaktor

Weltweit betrachtet landet ein Drittel aller Lebensmittel in der Mülltonne. Auf deren Weg entlang der Wertschöpfungskette, also von der Landwirtschaft über die Verarbeitung und den Transport bis in den Einkaufswagen, entstehen bis zu zehn Prozent der global produzierten Treibhausgase. Deshalb haben die Vereinten Nationen den 29. September zum Internationalen Tag des Bewusstseins für Lebensmittelverluste und -verschwendung erklärt. Bis 2030 hat sich Österreich das Ziel gesetzt, die Lebensmittelabfälle im Land zu halbieren.

In einer aktuellen Iglo-Trendstudie setzen von den 1.000 befragten Österreicher*innen zwar bereits 96 Prozent Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, trotzdem gaben etwa zwei Drittel an, in den letzten drei Monaten Lebensmittel entsorgt zu haben. Am häufigsten weggeschmissen werden Brot und Gebäck, Obst, Gemüse sowie Milch- und Wurstprodukte. Im Vergleich zum Vorjahr zeichnet sich aber ein leicht positiver Trend aus: 4 Prozent weniger Gebäck, 3 Prozent weniger Obst und 5 Prozent weniger Gemüse sind in den Mülltonnen des eigenen Haushalts gelandet.

Klimaschutz und schlechtes Gewissen treiben Jüngere mehr

Die Gründe, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, sind vielfältig. Höhere Lebensmittelpreise sind für 71 Prozent ein Anreiz, je 69 Prozent geben das schlechte Gewissen und die allgemeine Teuerung als Treiber an, für zwei Drittel ist der Klimaschutz ausschlaggebend. Für 18- bis 29-Jährige ist dieses Argument überdurchschnittlich wichtig (74 Prozent), auch das schlechte Gewissen (82 Prozent) plagt Jüngere mehr. Hingegen sind ältere aber schon versiert in der Vermeidung: Besonders die 50- bis 69-Jährigen haben im untersuchten Zeitraum deutlich weniger Lebensmittel weggeschmissen als alle anderen Altersgruppen - 46 Prozent gaben an, nichts Essbares in den Müll geworfen zu haben.

Was tun?

In der Studie finden sich aber auch viele Maßnahmen, die wir selbst gegen Lebensmittelverschwendung treffen können. Dazu gehören:

  • Lebensmittel nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) nutzen, wenn diese noch genießbar sind
  • Regelmäßig den Lagerstand prüfen, um die Verschwendung möglichst gering zu halten
  • Lebensmittel einfrieren, verarbeiten, verschenken oder spenden, wenn sie bald nicht mehr genießbar sein könnten oder in der nächsten Zeit nicht gegessen werden können
  • Einkaufslisten und Speisepläne nutzen, um nicht zu viel oder das falsche zu kaufen.

Eine weitere Möglichkeit der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken ist, Lebensmittelüberschüssen eine zweite Chance zu geben. Im Markt geht das durch das bewusste Kaufen von Ware, bei der das MHD bald erreicht wird, die man aber ohnehin sofort verzehren möchte. Von Zuhause hilft die App Too Good to Go. Mit ihr konnten in Wien in einem Jahr 1,24 Millionen Lebensmittel-Sackerl gerettet werden - pro Kopf das beste Ergebnis in Österreich. Auf Platz zwei landen im Bundesländer-Ranking die Steirer*innen, auf Platz drei die Niederösterreicher*innen.

Und wenn man eher zu viel als zu wenig zuhause hat? Lokale Inititativen könnten sich darüber freuen. In der Steiermark, in Wien und in Salzburg können Warenspenden zum Beispiel während der Öffnungszeiten in allen VinziMärkten abgegeben werden. Dort werden sie zu maximal 30 Prozent des normalen Verkaufspreises an armutsbetroffene Menschen weitergegeben.

Es gibt viele Wege weg von der Lebensmittelverschwendung und hin zu Ernährungssicherheit und mehr Lebensqualität. Sei dabei!

Auf einer Österreichkarte ist das Bundesländer-Ranking von Too Good To Go eingezeichnet - 1. Wien, 2. Steiermark, 3. Niederösterreich, 4. Burgenland, 5. Salzburg, 6. Oberösterreich, 7. Tirol, 8. Vorarlberg, 9. Kärnten
Bild: Too Good To Go