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Klimwandel: Wie reagieren?

Der Klimawandel findet statt. Deshalb ist es wichtig zu lernen, wie wir uns anpassen können. 74 Regionen in Österreich tun das bereits und liefern praktische Beispiele.

Ein Kind in einer Lacke.
Foto: мария, Pexels

Im Juni 2018 gab es im Semmering-Wechsel-Gebiet und in der Buckligen Welt schwere Unwetter, die teils zu Überflutungen führten. So dramatisch die Situation für manche war, für Rainer Leitner, den Manager der Klimawandelanpassungs-Modellregion Bucklige Welt – Wechselland, war sie eine Unterstützung: „Als wir 2017 mit dem Programm begonnen haben, wurde von den Gemeinden oft gefragt, wozu wir das brauchen. Im Sommer 2018 ist die Feuerwehr mit Sandsäcken vorbeigefahren, da war das dann kein Thema mehr.“

Der Klimawandel lässt sich nicht mehr wegdiskutieren und nicht mehr völlig abwenden. Nun ist es wichtig, dass wir uns vorbereiten, an die Veränderungen anpassen und negative Auswirkungen minimieren.

In der Region Bucklige Welt – Wechselland sind die Herausforderungen vielfältig, denn die Region mit 823 Quadratkilometern Fläche und 32 Gemeinden erstreckt sich von den Ebenen des Steinfeldes bis auf 1.743 Meter Seehöhe am Hochwechsel. Es gibt Streusiedlungen und einige dichtere Siedlungskerne, viele Hügel sowie alpine Bereiche mit engen Tälern und ausgedehnten Waldflächen. Bei längeren Trockenperioden mangelt es in der südlichen Buckligen Welt an Wasser, im gebirgigen Bereich drohen bei Starkniederschlägen Hochwässer, Verklausungen und Murenabgänge. Nach den Erfahrungen im Juni 2018 werden deshalb entlang von Güterwegen, Forst- und Gemeindestraßen kleine Rückhaltebecken mit quer montierten Baumstämmen angelegt, in denen sich Niederschlagswasser, mitgeschwemmter Schotter und Äste sammeln können, statt ungebremst ins Tal gespült zu werden. Von Zeit zu Zeit werden die Becken dann ausgeräumt.

Ein Graben zwischen zwei Waldabschnitten in den Baumstämme quer eingebaut sind.
Rückhaltebecken entlang von Güterwegen, Forst- und Gemeindestraßen sammeln Niederschlagswasser, mitgeschwemmte Äste und Schotter in der Region Bucklige Welt. Foto: KLAR! Bucklige Welt - Wechselland, Rainer Leitner

Wasser speichern

Maßnahmen zur Rückhaltung von Starkniederschlägen, die als Folge des Klimawandels zunehmen, sind überall wichtig und haben einen zweifachen Nutzen: Sie verhindern die Überlastung des Kanalsystems bei Regen und speichern Wasser für Trockenperioden.

Ein erster Schritt ist die Entsiegelung von Flächen, wo immer dies möglich ist. Hauseinfahrten, Wege oder Parkplätze können statt mit dichtem Beton oder Asphalt mit Drainbeton, Pflaster, Rasensteinen oder Kalkschotter befestigt werden. Im städtischen Bereich setzt sich bei der Neuanlage von Straßen und Plätzen das sogenannte Schwammstadtprinzip durch, wo unter einer wasserdurchlässigen Decke Substratkörper angelegt werden, in denen Niederschlagswasser gespeichert wird, statt in den Kanal und die Kläranlage abzufließen. In Wien zum Beispiel wurde die neue Fußgängerzone in der Zollergasse im 7. Bezirk so gestaltet. Aus diesem Speicher nähren sich Bäume, Sträucher und Stauden, was die Bewässerung spart und für Verdunstungskühle sorgt.

Bäche und Flüsse brauchen mehr Überflutungsflächen wie Wiesen oder Retentionsbecken, wo sich bei Starkniederschlägen Wasser ohne größeren Schaden ausbreiten kann und dadurch Siedlungen vor Hochwasser geschützt werden. Im privaten Garten oder auf einem Betriebsgelände kann man Niederschläge in einer Zisterne, einem Teich oder in Regentonnen speichern und für die Bewässerung des Gartens verwenden. Für Wasserspeicherung und Verdunstungskühlung sorgen auch Pflanzen im Garten, an der Hausfassade oder auf dem Dach. Es empfiehlt sich, für den jeweiligen Standort und Einsatzbereich Rat von Expertinnen und Experten einzuholen, damit man gleich Pflanzen setzt, die mit dem veränderten Klima – Hitze, Sturm, Trockenheit oder Starkniederschlägen – zurechtkommen.

Sehr wichtig ist das auch für Waldbesitzer*innen. Leiden zum Beispiel Fichten unter der Trockenheit, haben Borkenkäfer ein leichtes Spiel. Die KLAR! Bucklige Welt – Wechsel veranstaltet deshalb für Waldbesitzer*innen Exkursionen mit einer Fachkraft der Universität für Bodenkultur, die praktische Tipps für die Anpassung der Bewirtschaftung gibt. Welche Bäume für welche Standorte geeignet sind, erfährt man auch auf der Website www.klimafitterwald.at des Bundesforschungszentrum für Wald.

Modellregionen für die Klimawandelanpassung

Um Gemeinden und Regionen bei der Anpassung an den Klimawandel mit wissenschaftlichen Informationen, Weiterbildung und Erfahrungsaustausch zu unterstützen, hat der österreichische Klima- und Energiefonds in Kooperation mit dem Klimaschutzministerium im Herbst 2016 das Förderprogramm „Klimawandelanpassungsmodellregionen KLAR!“ initiiert. Derzeit gibt es 74 Modellregionen in Österreich, die an diesem Programm teilnehmen. Nach der Einreichung hat eine Region ein Jahr Zeit, ein Konzept zu entwickeln. Dieses wird durch eine Jury geprüft und freigegeben. Mindestens zehn der geplanten Maßnahmen müssen über einen Zeitraum von zwei Jahren umgesetzt werden. Danach kann die Region die Weiterführung und Adaptierung ihres Programms für weitere drei Jahre einreichen.

Notfallpläne und Checklisten

Extreme Unwetter sind eine Gefahr für unsere Infrastruktur, wie man beim Tornado im Juni in Tschechien oder bei der Hochwasserkatastrophe in Teilen Europas im Juli sehen konnte. Der Ausfall oder die Zerstörung von Stromversorgungsanlagen kann sich in einer Kettenreaktion schnell zu einem großräumigen Blackout ausweiten. Im Feistritztal in der Buckligen Welt wurde deshalb ein Notfallplan erarbeitet: Die Gemeinden nehmen im Falle eines Blackouts die Trafos händisch vom Netz und bilden mit den bestehenden kleinen Wasserkraftwerken, Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen Stromversorgungsinseln für die wichtigsten Einrichtungen.

Wie kann man sich als Haushalt oder Betrieb auf Wetterextreme und Krisen vorbereiten? Dafür entwickelt Rainer Leitner derzeit gemeinsam mit dem Zivilschutzverband und anderen Präventionsfachleuten Checklisten für die Bevölkerung. So sollte man schauen, ob der Kanalanschluss eine Rückstauklappe hat und ob das Dach stabil und intakt ist. Wenn man eigene Sandsäcke vorbereitet, mit denen man Wasser abhalten kann, entlastet dies die Feuerwehr. Kanister mit Trinkwasser, Lebensmittelkonserven, ein geladener Akku fürs Handy, ein batteriebetriebenes Radio – der Zivilschutzverband hat viele Tipps für Notfallvorbereitungen, die auch bei anderen Störungen des gewohnten Lebens hilfreich sind.

Gegen den Hitzestau

„Grüscht si“, also vorbereitet sein, nennt man das im Vorarlberger Walgau. Dort leiden vor allem Kinder und ältere Menschen unter den vermehrten Hitzetagen. Es sei deshalb wichtig, den Tagesablauf, die Kleidung, die Aktivitäten und das Essen an die Temperaturen anzupassen, erklärt KLAR!-Managerin Marina Fischer. Leichte Kost, viel trinken, luftige Kleidung, nachmittags eine Siesta und nachts durchlüften helfen, die Hitze besser zu ertragen, liest man im Folder „Cool bleiben!“, in dem auch für jede Gemeinde im Walgau Orte aufgelistet sind, an denen man sich abkühlen kann. In Nenzing, der Heimatgemeinde von Marina Fischer, wurden dafür sogar ein Fußweg am Bach und ein kühlender Park neugestaltet.

Kühlung bietet auch ein Wald. Als Gemeinschaftsprojekt verschiedener lokaler Organisationen aus den Bereichen Energie, Landwirtschaft, Bildung und Jugend wurden deshalb 1.200 „klimafitte“ Baumsetzlinge von Tanne, Lärche, Linde und verschiedenen Eichen- und Ahorn-Arten gepflanzt und ein „Waldwissenweg“ angelegt. Die Bäume werden auch CO2 speichern und zukünftigen Generationen als nachwachsender Rohstoff dienen.

Helfer*innen beim Bäumepflanzen heben nach verrichteter Arbeit freudig die Hände in die Höhe.
Anlässlich der 1200-Jahr-Feier der Marktgemeinde Nenzing wurden im Galinawald 1.200 klimafitte Bäume gepflanzt. Foto: Thomas Walter

Wer seinen eigenen Garten an den Klimawandel anpassen oder sein Dach begrünen möchte, kann einen Scheck für eine kostenlose Beratung beziehen.

Die Region Walgau besteht aus 14 Gemeinden, die im Verein „Regio Im Walgau“ kooperieren. Der Walgau liegt im alpinen Raum mit einem hohen Risiko für Naturgefahren, ist dicht besiedelt und beherbergt viele große Betriebe. Verschiedene Nutzungen auf begrenztem Raum führen zu Konflikten. Der Umgang mit Grund und Boden – ein wichtiges Thema für die Klimawandelanpassung – ist deshalb eine große Herausforderung für die Region. Das Thema Bauen mit nachwachsenden oder natürlichen Rohstoffen wie Lehm zählt deshalb ebenfalls zum KLAR!-Programm im Walgau, noch dazu, da der Lehmbauexperte Martin Rauch dort lebt. Lehm hat den Vorteil, dass er Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen und wieder abgeben kann, auch das hilft bei extremen Wetterlagen.

Die Möglichkeiten, sich an den Klimawandel anzupassen und ihn sogar zu bremsen, sind vielfältig und jede und jeder kann etwas dazu beitragen. Ein wichtiger Aspekt des KLAR!-Programms ist deshalb auch der Austausch von praktischen und wirksamen Beispielen zwischen den Regionen, aber auch mit der Bevölkerung. Im Walgau wird dafür im September 2021 ein Bürger*innen-Forum veranstaltet: „Wie der Walgau lernt, sich dem Klimawandel anzupassen“.

Links:

KLAR!

KLAR! Bucklige Welt – Wechselland

KLAR! Im Walgau

Klimawandelanpassung generell

Sonja Bettel