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Blackout. Stromnetz vor dem Kollaps?

Herbert Saurugg beschäftigt sich mit systemischem Risiko- und Krisenmanagement und ist Gründungsmitglied von Cyber Security Austria, Verein zur Förderung der Sicherheit Österreichs strategischer Infrastruktur.

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Foto: Herbert Saurugg Foto: Herbert Saurugg

Welche Probleme sehen Sie aktuell bei der Stromversorgung?

Unser gesamtes gesellschaftliches Leben und nahezu die gesamte Infrastruktur ist von der permanenten Verfügbarkeit von Strom abhängig. Daher ist es umso erschreckender, wie leichtfertig in unsere wichtigste Infrastruktur eingegriffen wird. Das System wurde für relativ einfach berechenbare Großkraftwerke errichtet. Der massive Umbau der Erzeugerlandschaft mit vielen dezentralen Anlagen, die noch dazu eine schwankende Erzeugung aufweisen, steigert die Komplexität erheblich und verändert das komplette Systemverhalten.

Wie wirkt sich das konkret aus?

Das System stößt immer häufiger an seine Belastungsgrenzen und wird anfälliger für Störungen. Dabei geht die größte Gefahr nicht von einem Strommangel, sondern von einer Überproduktion aus. Wird eine Netzfrequenz von 50,2 Hertz überschritten, schalten beinahe alle dezentralen Erzeuger zeitnah ab, da es hier eine "Sollbruchstelle" gibt. Damit können Kleinigkeiten zu einer Kettenreaktion führen. Alleine in Deutschland stand das Stromnetz in den letzten eineinhalb Jahren vier Mal vor dem Zusammenbruch, zuletzt Ende März diesen Jahres. Der Kollaps des gesamten europäischen Verbundsystems ist daher sehr realistisch. Der Wiederaufbau der Versorgung wird vermutlich mehrere Stunden, im schlimmeren Fall sogar Tage dauern.

Was kann dadurch passieren?

Mit dem Strom fallen so gut wie alle technischen Infrastrukturen (Kommunikation, Verkehr, Versorgung, etc.) aus. Der mögliche volkswirtschaftliche Schaden bei einem österreichweiten Ausfall wird mit bis zu 900 Millionen Euro beziffert. Das betrifft aber nur die ersten 24 Stunden. Unsere Gesellschaft ist in keiner Weise darauf vorbereitet.

Soll die Energiewende aus Gründen der Sicherheit abgesagt werden?

Nein, auf keinen Fall! Die Energiewende ist aus heutiger Sicht alternativlos. Der Weg dorthin weist aber noch viele Herausforderungen auf. Vor allem ist eine koordinierte Vorgangsweise erforderlich. So ein Blackout ist auch kein Schicksalsszenario, wir können und müssen uns darauf vorbereiten, mit sehr individuellen Lösungen.

Konkret welche?

Eine Reduktion des Energiebedarfs, die Erhöhung der Fehlertoleranz, Einfachheit sowie Reichweitenbegrenzungen könnten die Abhängigkeiten deutlich reduzieren und die Widerstandsfähigkeit des Systems erhöhen. Darüber hinaus geht es bei der Energiewende nicht nur um die Technik, sondern auch um Menschen. Eine Energiewende wird nur durch eine Verhaltensänderung zu bewerkstelligen sein. Wie sich beim Thema intelligente Stromzähler abzeichnet, kann durch persönliche Beratung einiges erreicht werden.

Weitere Infos: Blackout-Ratgeber der NÖ-Zivilschutzverbandes: www.noezsv.at.

www.cybersecurityaustria.at