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„Fragt nach Hilfe und nehmt sie an“

Neun Monate im Jahr war er unterwegs um Messen aufzubauen, 15 Jahren lang. Dann wollte Wolfang Dieck nicht mehr. Zu viel auf der Straße, zu wenig zu Hause, und zu hohe körperliche Belastung. Was tun und womit Geld verdienen?

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Wolfgang Dieck, Messe-Nerd, Trainer, Coach, Berater, Bastler. Foto: Paletteria Wolfgang Dieck, Messe-Nerd, Trainer, Coach, Berater, Bastler. Foto: Paletteria

Ein Freund brachte Dieck auf die Idee, eine Trainerausbildung zu machen. „Damit konnte ich an meine Erfahrungen andocken. Ich weiß, wie ich mit Leuten reden muss, wenn ich eine Messe erfolgreich abwickeln will,“ erklärt Dieck. Beim Trainer blieb es nicht. Dieck ließ sich auch zum Coach ausbilden und absolvierte das psychotherapeutisches Propädeutikum.

2007 startete er mit Kursen für das AMS – Bewerbungstrainings, Werbung, Aktivierungs- und Verkaufskurse– und zog bald darauf von Wien auf einen Bauernhof ins Südburgenland. „Ich stamme aus Hartberg und wollte irgendwann wieder rausziehen.“ Seine Frau, eine g‘standene Wienerin, war zunächst nicht sehr begeistert. „Aber heute möchten wir keinen Tag mehr missen.  Das ganze Leben ist entspannter, freundlicher, nicht so hektisch. Wenn du im Supermarkt einkaufen gehst, fragen dich die Leute, wie es dir geht.“

Ein Bauernhof hat so an sich, dass vieles herumliegt, weil man es vielleicht irgendwann wieder brauchen kann. Bei Dieck waren es ein paar Paletten, und eine Sendung auf Galileo, die zeigte, was mit Paletten möglich ist. „2012 begann ich zu basteln, das tu ich gerne“. Zwei Kursteilnehmer interessierten sich für sein Hobby und machten mit. Die Idee zog Kreise bis Dieck schließlich eine größere Halle suchen musste. „Nun musste ich damit Geld verdienen, um die Kosten zu decken.“ Er aktivierte seine führeren Kontakte zu Messebauern und Werbeagenturen – „die sind immer auf der Suche nach neuen Ideen“ – und begann Mietmöbel, Miethütten und Designerprodukte  zu produzieren.

Dieck arbeitet vorwiegend mit Materialien, die sonst weggeworfen würden, wie Paletten, Altholz, Altmetall und ausgemusterte Möbelstücke. Produziert werden die neuen, stylischen Gegenstände hauptsächlich von arbeitslosen Menschen, die sich dadurch wieder in einen Arbeitsprozess eingliedern lernen. „Die größte Herausforderung für die Menschen ist,  selbst Entscheidungen zu treffen“, erklärt Dieck. Sie seien gewöhnt alles vorgegeben zu bekommen und trauen sich nicht. „Bei uns müssen sie selbst entscheiden, was und wie gebaut werden soll, sie müssen kalkulieren, die Menge an Materialien  checken und die anderen motivieren, mitzumachen.“  Dieck selbst bleibt im Hintergrund und berät. „Nach anfänglicher Skepsis nehmen die Leute das durchwegs sehr positiv auf.“

Die Arbeit hilft auch, den Frust nach der dreihundersten Absage eines Vorstellungsgesprächs abzubauen. „Besser beim Schleifen oder an der Hobelmaschine, als mit Alkohol“, sagt Dieck. Ein Großteil seiner Mitarbeiter sei ausgeglichener, ruhiger, und viele finden schließlich auch wieder einen Job. „Das tut gut“ freut er sich.

Einziges Problem sei die Finanzierung. „Das was reinkommt geht an die Leute und für die Materialbeschaffung drauf. Die Fixkosten zahle ich selbst.“ Derzeit sucht er einen Verkäufer, der ihm hilft, das Angebot bekannter zu machen. In fünf Jahren soll die Paletteria ein sozialökonomischer Betrieb sein, der sich durch Dienstleistungen selbst finanziert.

Was empfiehlt Dieck Menschen in Krisensituationen?

„Nehmt Hilfe an und fragt nach Hilfe. Seid euch nicht zu gut. Redet mit Verwandten und Freunden – es wird euch keiner verurteilen. Leider können die wenigsten Hilfe annehmen oder erst zu einem Zeitpunkt, wo es schon sehr spät ist.

Woran liegt das?

Am eigenen Ego. Das sagt, mir geht’s nicht so schlecht. Denn wenn ich Hilfe brauche bin ich ein Versager – und das bin ich nicht. Dass die meisten zu diesem Zeitpunkt schon mitten drin stecken wollen sie nicht wahrhaben.

Bei welchen Anzeichen sollte ich hellhörig werden?

Es fängt meist beim Finanziellen an. Da ist es wichtig, Hilfe zur Überbrückung anzunehmen. Wichtig ist auch, weiter zu machen – sich nicht unterkriegen zu lassen, auch wenn es ein Schritt zurück ist. Irgendwann kommt wieder ein Schritt vorwärts.

www.paletteria.at

Autorin: Roswitha M. Reisinger

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