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Reparieren ohne Risiko

Repair-Cafés werden immer beliebter. Aber was, wenn wenn dann etwas schiefgeht? Matthias Neitsch (RepaNet), und Werner Panhauser (Helvetia) erzählen von einer gelungene Kooperation und vom Reparieren ansich.

Ein Mann repariert ein Rad
Foto: Helvetia

Da schaltet man – noch etwas schlaftrunken – am Morgen die Kaffeemaschine ein, es macht Klacks, und plötzlich geht nichts mehr. Ohne den morgentlichen Muntermacher startet es sich wenig freudvoll in den neuen Tag – zumindest für Kaffeeliebhaber*innen. Eine Lösung muss her – und die heißt immer häufiger reparieren. Und das hat gute Gründe. Roswitha M. Reisinger hat zwei Experten dazu befragt: Matthias Neitsch, Geschäftsführer von RepaNet, und Werner Panhauser, Vertrieb & Marketing-Vorstand von Helvetia.

Reparieren hatte lange Zeit kein positives Image – neu kaufen und dann wegwerfen war die Devise. Jetzt ändert sich das langsam. Wieso lassen die Menschen wieder häufiger reparieren?

Matthias Neitsch: Das hat mehrere Gründe. Natürlich werden wertvolle Ressourcen geschont, die Umwelt geschützt und Arbeitsplätze geschaffen. Darüber hinaus haben sowohl die Pandemie als auch die Ukraine-Krise gezeigt, dass es wichtig ist, selbst die Kontrolle über viele Dinge zu haben. Man spürt, dass das zugenommen hat. Vielleicht ist es Wunschdenken, aber reparieren wächst aus der Nische heraus und wird vom breiten Mainstream in Erwägung gezogen. Zudem ist es mittlerweile deutlich einfacher geworden, Haushaltsgeräte, Handys & Co reparieren zu lassen. Die Repair-Café- Bewegung hat dazu wesentlich beigetragen.

Was ist ein Repair-Café?

Neitsch: Repair Cafés sind nicht-kommerzielle Veranstaltungen von sehr unterschiedlichen Trägern, bei denen defekte Alltagsgegenstände wie Elektrogeräte, Fahrräder, Spielzeug, Textilien und andere Dinge von den Besucher*innen selbst unter Anleitung durch fachkundige Personen repariert werden.

Wieso sind Repair Cafés so beliebt?

Neitsch: Die Menschen haben kein Kostenrisiko. Die ehrenamtlichen Expert*innen vor Ort können sagen, ob es sich lohnt, ein Gerät reparieren zu lassen oder nicht. Das erleichtert die Entscheidung. Warum also nicht zumindest die Reparatur zu versuchen?

Dazu kommt ein – unerwarteter – sozialer Wert: dass Menschen zusammenkommen, die sich nicht kennen und miteinander Probleme lösen: Das ist eine soziale Fähigkeit, die wir pflegen sollten, denn wir werden sie in Zukunft noch viel mehr brauchen.

Mittlerweile gehen wir auch in Schulen und sind in der außerschulische Jugendarbeit aktiv um Jugendliche anzuleiten. Das funktioniert sehr gut, weil sie sehen, dass sie selbst Probleme lösen können und nicht hilflos ausgeliefert sind. Die Selbstermächtigung, das Spüren der eigenen Wirksamkeit motiviert enorm.

Was wird am häufigsten repariert?

Neitsch: In den Repair Cafés sind es vor allem Elektrogeräte wie Kaffeeautomaten, Staubsauger, gefolgt von Laptops und Handys. Es ist ein Spiegel der Alltagshäufigkeit der Benützung: Zuerst trinke ich den Frühstückskaffee, dann schaue ich auf das Handy und dann werfe ich den Laptop an.

Selbst reparieren, unter Anleitung von fachkundigen Menschen. Was ist, wenn dann etwas schiefgeht?

Werner Panhauser: Genau da kommen wir ins Spiel. Wir bieten eine Haftpflichtversicherung durch die Reparaturinitiativen und deren ehrenamtliche Mitarbeiter*innen vor Folgeschäden durch nicht erfolgreiche Reparaturen geschützt werden. Wenn zum Beispiel ein Bügeleisen unter Anleitung repariert wird und daheim einen Brand auslöst. Oder wenn ein*e Besucher*in ins Repair Café kommt, über ein Kabel stolpert und sich das Bein bricht.

Dort arbeiten Menschen, die in ihrer Freizeit reparieren oder anleiten, zu reparieren. Es macht Sinn, das ordentlich abzusichern. Denn nur so können auch in Zukunft und ohne Bedenken defekte Alltagsgegenstände gemeinsam wieder in Stand gesetzt werden.

Matthias Neitsch, Geschäftsführer von repaNet und Werner Panhauser, Vertrieb & Marketing-Vorstand von Helvetia berichten über ihre Kooperation. Foto: Helvetia

Diese Versicherung kostet den Repair Cafés nichts – die Prämie übernimmt Helvetia. Es gibt nur einen Selbstbehalt von Euro 100,- im Schadensfall. Das ist ein tolles Angebot. Wieso machen Sie das?

Panhauser: Nachhaltigkeit ist der verbindende Wert zwischen dieser Initiative und Helvetia. Wir finden es klasse, dass die Dinge wieder in den Benutzungskreislauf zurückgeführt werden. Ich habe das selbst erlebt, ein Fahrrad, ein Tastentelefon, das wieder funktioniert, das macht Freude! Wir müssen mit unserer Welt sorgsamer umgehen – wenn wir so weitermachen wie bisher und alle so viele Ressourcen benötigen wie wir hier in Europa brauchen wir 3,5 Erden. Das geht sich nicht aus.

Neitsch: Das Sponsoring des Risikos für die Ehrenamtlichen durch ein namhaftes Versicherungsunternehmen ist darüber hinaus eine sehr wichtige Wertschätzung der engagierten Menschen. Es wird ihnen gezeigt, dass das, was sie tun, ökologisch sinnvoll, wettbewerbsrechtlich in Ordnung und gesellschaftlich gewünscht ist.

Die Versicherung gibt es nun seit knapp einem Jahr für etwa 40 Repair Cafés in Österreich? Wie viele Schadensfälle hat es gegeben?

Panhauser: Bis jetzt keinen einzigen Schadensfall.

Neitsch: Das Risiko ist relativ gering. In Deutschland gibt es diese Versicherung seit etwa sieben Jahren mit zwei bis drei Schadensfällen im dreistelligen Bereich. Das spricht für die Sorgsamkeit und Qualität mit der die Menschen dort arbeiten.

Lässt Helvetia die eigenen Bürogeräte reparieren?

Panhauser: Ja, natürlich. Für unsere Geräte haben wir meist Serviceverträge, in denen Wartung und Reparatur inbegriffen sind.

Neitsch: Was wenige wissen: Helvetia hat einen ganz berühmten Bezugspunkt zur Reparatur – die Ankeruhr in der Generaldirektion in Wien. Sie ist eines der herausragenden Werke des Jugendstils und eine beliebte Touristenattraktion. Helvetia kümmert sich darum, dass sie gepflegt und repariert wird.

Panhauser: Wir erhalten sie nun mehr als 100 Jahren und sind stolz darauf. 1945 – zu Beginn der Besatzung – hat die Belegschaft die Figuren der Uhr abgebaut und mit nach Hause genommen um sie zu schützen. Am Ende der Besatzungszeit haben alle, bis auf eine, den Weg wieder zurückgefunden. Da sieht man, wie sehr man sich identifiziert, wenn man etwas gernhat. Die Uhr ist ein wichtiger Beitrag für eine schöne Umgebung in Wien. Sie hat noch immer ihr Originalgetriebe und wird vom Uhrmachermeister in der dritten Generation repariert. 

Woran erkenne ich beim Einkauf, dass ein Gerät reparierbar ist? Gibt es quick checks?

Neitsch: Das ist schwer zu sagen. Aber es gibt zwei grobe Indikatoren. Der erste ist, ob ein Gehäuse verschraubt ist, denn nur dann kann man es zerstörungsfrei öffnen und reparieren. Der zweite ist oft das Gewicht: Ein ultraleichter Fön oder Mixer läuft sehr schnell heiß, weil die Materialien zu dünn sind. Schwerere Geräte halten in der Regel länger. Leider kosten sie in der Anschaffung meist mehr.

Bei vielen Geräten bricht ja ein Plastikteil: die Befestigung des Deckels des Wasserkochers, die Abdeckung der Kaffeemaschine. Hier könnten die Möglichkeiten des 3-D-Drucks genutzt werden. Passiert das schon?

 Neitsch: Ich glaube die Möglichkeiten, die sich dadurch bieten sind noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Da Repair-Cafés temporäre „Pop-up-Events“ an wechselnden Orten sind, gibt es in der Regel dort keine 3-D-Drucker. In einem anderen, weniger bekannten Format zivilgesellschaftlicher Gemeinschaftsreparatur, den „Open Labs“, „Fab Labs“ oder „offenen Werkstätten“ gehört 3-D-Druck aber bereits zum Standard. Ich würde mir wünschen, dass Hersteller von diversen Elektrogeräten oder anderen Produkten, für die kritischen Plastikteile, die so gerne brechen und dann oft das ganze Produkt unbrauchbar machen, die 3-D-Druckdaten open-source zur Verfügung stellen. Ich finde, das müsste sogar in der Ökodesign-Verordnung gesetzlich vorgeschrieben werden. Dann könnten sowohl gewerbliche als auch ehrenamtliche Reparateur:innen viel billiger, schneller und erfolgreicher reparieren.

Im Frühjahr kommt österreichweit der Reparaturbonus. Was erwartet ihr von RepaNet?

Neitsch: Wir erwarten einen ziemlichen Run auf die Reparaturbetriebe. Diese werden vor einem Personalmangel stehen – es werden mehr Jobs geschaffen werden.

Die Förderung wird auch die Vorurteile gegenüber reparierten Geräten weiter abbauen. Reparieren wird „normal“ werden.

Durch die Förderung wird auch deutlicher werden, dass nicht die Reparatur zu teuer ist, sondern die Alternativen dazu zu billig. Es braucht diese marktbasierten Instrumente und Incentives. Der Wiener Reparaturbonus hat die Nachfrage explodieren lassen. Die Förderung durch den Bund ist sogar höher – das wird einen noch stärkeren Effekt bringen. Wir fürchten nur, dass das Budget, das für vier Jahre angesetzt ist, früher ausgeschöpft sein wird, weil der Budgettopf der EU begrenzt ist. Da ist die Frage, ob die Aktion dann trotzdem weitergeht oder beendet wird.

Danke für das Gespräch.

Zum Reparaturführer: www.reparaturfuehrer.at

Zu den Reparaturnetzwerken in Wien und Graz.

RepaNet

Unter dem Dach von RepaNet, der heimischen Interessenvertretung der sozialwirtschaftlichen  Re-Use-Betriebe, Reparaturnetzwerke und Repair Cafés, finden sich österreichweit bereits etwa 150 Initiativen, die das Konzept von Reparaturcafés anbieten. www.repanet.at.

Helvetia Versicherung

Im Sinne des vielseitigen Engagements für Nachhaltigkeit ist Helvetia seit Mai 2021 Kooperationspartnerin von RepaNet und unterstützt mit einer kostenlosen Versicherungslösung die freiwilligen Helfer*innen vor Folgeschäden durch nicht erfolgreiche Reparaturen. www.helvetia.at.