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oh, oh, oh du fröhliche...

Kann eine Ökoanhängerin Weihnachten einfach himmlisch finden? Kommentar von Marlene Krispin.

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Marlene Krispin ist Freie Journalistin, Systemischer Gesundheitscoach und bekennende Ökoanhängerin Seimel

Eine Ökoanhängerin kann Weihnachten einfach nicht himmlisch finden, ganz im Gegenteil: Für einen gesundheitsbewussten Menschen ist Weihnachten die Hölle. Es ist das All-Inklusive-Gesamtpackerl der heilinszenierten Welt im Wohnzimmer, die von ungesunder Völlerei bis hin zu produzierten Müllbergen aus Geschenkspapier reicht. Da möchten Bios, Grünkornfreak und Co sich die Haare raufen und alle Engelshaare gleich mit dazu.

Nur noch einmal schlafen …
bis zum Christkind und wie lange keine Möglichkeit zum Sport treiben haben? Sobald der Weihnachtsbaum steht, ist es nämlich damit in den eigenen vier Wänden vorbei, die Yoga-Ertüchtigungszone muss gnadenlos dem Weihnachtsbaum weichen und das Meditieren ist in dieser Zeit sowieso sinnlos geworden. Dafür sorgt die Dauerzwangsberieselung mit „Last Christmas„. Dieser Ohrwurm kennt kein letztes Mal. Er schleicht sich  in den gedankenfreien Raum, um für eine beschwingte vorweihnachtliche Stimmung zu sorgen. Eine naheliegende Alternative wäre eine Baummeditation. Aber, wie bitte soll man einen Weihnachtsbaum umarmen?

Bleibt nur noch das Haus zu verlassen. Aber Vorsicht ! Wer bei einer Runde Nordic Walking Lametta hinter sich herschleift, wird schonungslos als Nostalgiker entlarvt, der noch immer einen Retro-Christbaum nach seinen Kindheitserinnerungen herausputzt. Okay, Klopapier an den Sportschuhen wäre noch schlimmer, da könnte man aber wenigstens zeigen, dass man vorbildhaft Recycelbares verwendet.

Kein einziges mal mehr schlafen …
bevor das Christkind kommt, jetzt heißt es nur noch völlern: Alle Jahre wieder, wenn der Weihnachtskarpfen serviert wird, gibt der gesundheitsbewusste Mensch ein „Nein Omi, Vegetarier essen auch keinen Fisch!“ von sich. Zudem lebt er gerade nach der Metabolic-Balance Methode, was die Essensfrage an diesem heiligen Abend zusätzlich erschwert. Verständnisvoll und diäterprobt serviert die Gattin der Familie 135 Gramm Gans und 144 Gramm Karotten, sehr appetitlich angerichtet. Weil sie es besonders gut meint, hat sie braunen Naturreis als Beilage gekocht. Zum Anstoßen gibt es Smoothies in allen Variationen: Prost! Nur nicht zu sehr über die Stränge schlagen!

Das 5-Gang Dinner ist vorbei, doch der Kampf geht weiter: Jedes Kekserl schreit: „Nimm mich, nimm mich, nimm mich! Einmal im Jahr kannst du dir eine klitzekleine Sünde genehmigen.“ So schnell kann man gar nicht schauen und man hat eine ganze Großfamilie dieser putzigen kleinen Lebkuchenmännchen und Zimtsternchen auf dem Gewissen.

Also auf zum Höhepunkt des Abends, zur Bescherung unter dem Weihnachtsbaum, die von einigen schauspielerisches Talent erfordert, gilt es doch so oft die erste Enttäuschung zu verbergen. Als Sachbuch-Junkie vergisst der gesundheitsbewusste Mensch, dass Selbsthilfebücher bei anderen so beliebt sind wie lauwarmer Hirsebrei mit Soft-Feigen. Für Herrn Papa Bankdirektor liegt daher ein Burn Out-Bestseller unter dem Baum, ihm bleibt das Lächeln im Halse stecken und er trägt pflichtbewusst einen Lesetermin in sein Handy ein. Für Mutti gibt es ein Buch über das Pilgern am Jakobsweg, obwohl sie jahrelang schon nur mehr deshalb in die Kirche pilgert, um eine Ansprache zu erhalten, die länger als fünf Minuten dauert. Hallelujah. Den Haupttreffer der Geschenksideen hat Omi für ihre an Fressattacken leidende Enkelin gelandet: Fünf All–You- Can- Eat -Brunch-Gutscheine! Na Mahlzeit.

Wenn Familie und Verwandtschaft endlich weg sind, darf der Partner dann - zugegebener Maßen nicht ganz uneigennützig- ein Tantra-Buch auspacken. Denn schließlich ist Weihnachten ja das Fest der Liebe. Aber mehr als Oh, oh ,oh … du fröhliche… ist zu Weihnachten einfach nicht drinnen!

In diesem Sinne: ein schönes Weihnachten!