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Pack die Badehose ein - Winterurlaub in Österreich

Wie wird der Winter in den Bergen in zehn, zwanzig, fünfzig Jahren aussehen? Aktuelle Studien und Umfragen zeigen, dass wir uns die kalte Jahreszeit und den Winterurlaub anders vorstellen müssen als bisher. Zwar nicht immer und überall, aber immer öfter.

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NÖ verliert, Vorarlberg gewinnt

Tief verschneite Hänge, Pulverschnee und Pistenspaß – das sind die gängigen Bilder, die wir mit dem Winterurlaub verbinden. Mit der Klimaveränderung werden die Winter in den Ostalpen und damit in weiten Teilen Österreichs schneeärmer, und das immer öfter. Als „Chance für Veränderungen“ bezeichnet die Meteorologin Helga Kromp-Kolb den Klimawandel im alpinen Raum. TouristikerInnen und Wintersport-Begeisterte müssten sich auf neue Gegebenheiten einstellen. „Der Tourismus steht sowohl wegen des Klimawandels selbst als auch wegen der nötigen Klimaschutzmaßnahmen vor großen Herausforderungen. Zusammen mit der Energieverknappung lässt dies tief greifende Umstellungen erwarten. Die konkreten Veränderungen in den einzelnen Regionen können allerdings sogar innerhalb Österreichs sehr unterschiedlich sein.“

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Istockphoto.com

NÖ verliert, Vorarlberg gewinnt
Natürlicher Schneefall in tieferen Lagen wird seltener. Das trifft vor allem Schigebiete in Niederösterreich, auch manche Gebiete in Kärnten und Salzburg. Weniger stark betroffen werden Tirol und Voralberg sein. Der Sommerbetrieb von Gletscherschigebieten wird immer aufwendiger und kann nicht mehr garantiert werden.

Die hochgelegenen Schigebiete der Schweiz und Frankreichs in den Westalpen werden vom Klimawandel kaum oder erst sehr spät betroffen sein. Schneemangel ist dort voraussichtlich bis 2035 kein Thema. Die Temperaturen werden kalt genug bleiben, um eventuell geringen natürlichen Schneefall durch Beschneiung ausgleichen zu können. Diese Schigebiete werden vielleicht sogar vom Klimawandel profitieren, denn durch ihre Schneesicherheit könnten sie Gäste von den Ostalpen abziehen. Italiens Schigebiete dagegen werden zu den Verlierern zählen, denn sie liegen mehrheitlich unter 1.300 Metern und auf der Südseite der Alpen. Höhere Temperaturen, weniger Niederschlag, immer weniger Schnee. „Der Sommertourismus kann hier aber vom Klimawandel profitieren, denn im Sommer sind die geringen Niederschläge natürlich für den Tourismus von Vorteil“, so Kromp-Kolb.

Christian Baumgartner, Generalsekretär der Naturfreunde Internationale, weist auf die Studie „Klimawandel in den Alpen“ hin. „Die OECD prognostizierte hier bereits 2007, dass bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad Celsius von 666 untersuchten Skigebieten nur noch 404 eine natürliche Schneesicherheit aufweisen. Erwärmt sich das regionale Klima im Alpenraum gar um vier Grad, würden nur 202 Gebiete übrig bleiben.“

Der technischen Anpassung sind Grenzen gesetzt
„Leider herrscht bei den Tourismusplanern nach wie vor ein sehr techniklastiger Ansatz bei der Anpassung an den Klimawandel vor. Vor allem wird auf künstliche Beschneiung gesetzt, aber das hat wie auch alle anderen technischen Maßnahmen, die ein ‘Weiter wie bisher‘ ermöglichen sollen, Grenzen“, warnt Baumgartner. Auch Helga Kromp-Kolb teilt diese Einschätzung: „Beschneiungsanlagen sind bestenfalls eine kurzfristige Übergangslösung.“ Auch der Neuentwicklung von Schigebieten auf Nordhängen und in höheren Lagen seien durch hohe Investitionskosten, Topografie und nicht zuletzt durch die Umweltgesetzgebung Grenzen gesetzt. „In Zukunft werden Gebiete unter 1.500 m das Schifahren nur mit deutlich gesteigerter Kunstschneeproduktion garantieren können. Das bedeutet aber hohe Kosten für mehr technische Ausrüstung, mehr Wasser, und vor allem mehr Energie. Letztendlich führt das zu noch größeren Abhängigkeiten“, so Baumgartners Schlussfolgerung.

Konsequenzen fehlen
Das alles ist schon länger bekannt. Warum ziehen Tourismus- und Regionalplanung kaum Konsequenzen aus diesem Wissen? Gerade die Tourismuswirtschaft ist doch eigentlich für Kreativität bekannt. Dazu Christian Baumgartner: „Der Titanic-Tanker der Tourismusindustrie ist viel zu behäbig, um sich von einigen schneearmen Wintern aus der üblichen Bahn bringen zu lassen. Obwohl heute niemand, der ernst genommen werden will, die Erderwärmung leugnet, setzen die Wintersportgebiete die Konsequenzen daraus viel zu zögerlich um. Zu weit weg scheinen die Änderungen, zu ungewiss ihre Dimensionen. Eine neue Schneekanone hingegen hilft wahrscheinlich erstmal über den nächsten Winter.“

Viele Wintersport-Destinationen müssten auf neue Konzepte setzen. Dazu gehören schneeunabhängige Winteraktivitäten im Sport- und Kulturbereich ebenso wie eine Umorientierung auf die anderen Saisonen. „Nötig ist auch politische Unterstützung für die Anpassungsmaßnahmen, also fallweise eine Änderung der Förderausrichtung“, so Christian Baumgartner.

Jeder Zehnte hört mit dem Schifahren auf
„Eine im Auftrag des österreichischen Wirtschaftsministeriums durchgeführte Studie zeigt, dass bei einem über mehrere Jahre anhaltenden Schneemangel eine deutliche Mehrheit der WinterurlauberInnen das Schifahren reduzieren würde, jeder Zehnte würde sogar damit aufhören“, so die Tourismusforscherin Dagmar Lund-Durlacher von der Modul University Wien. Die Expertin empfiehlt alpinen Urlaubsregionen, rechtzeitig an schneeunabhängigen Ganzjahresangeboten zu arbeiten. „Einfache Antworten auf die komplexen Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, gibt es zwar nicht, denn die WinterurlauberInnen sind derzeit noch vorrangig an Schifahren interessiert, aber die Nachfrage nach Aktivitäten abseits der Pisten nimmt zu.“ Individuell zusammengestellte Pakete seien gefragt. „Wellness ist kein touristisches Allheilmittel, gilt aber als wichtiger Baustein eines gelungenen Winterurlaubs“, so Dagmar Lund-Durlacher.

Wintersport im höheren Lebensalter
„Langfristig ist auch deshalb ein Nachfragerückgang nach den klassischen Wintersportangeboten wie Schifahren und Snowboarden zu erwarten, weil Europas Bevölkerung altert und das Interesse am Wintersport mit zunehmendem Alter geringer wird. Dagegen werden Angebote, die speziell auf eine ältere Zielgruppe ausgerichtet sind, stärker nachgefragt werden“, hält Lund-Durlacher fest. Das sei eine Chance, von der Fixierung auf Saisonen wegzukommen, denn ältere Gäste sind nicht an Urlaubs- und Ferienzeiten gebunden.

Winterurlaub anders denken
Für viele Regionen im alpinen Raum, die sich vom „klassischen“ Wintersport ökonomisch abhängig gemacht haben, sind die Aussichten natürlich bitter, wenn nicht bald ein Umdenken in der touristischen Planung, aber auch im Marketing und damit in der Vorstellung der Gäste vom „richtigen“ Winterurlaub einsetzt. Aber das sind Probleme im Umgang im dem Klimawandel, die relativ einfach in Griff zu bekommen sind. Gute Nachrichten, im Prinzip.