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Wachstum und Nachhaltigkeit: Warnung vor zu einfachen Lösungen.

Fred Sinowatz wird gern damit zitiert, dass alles sehr kompliziert sei. Wie der Mann selbst wird auch das Zitat unterschätzt, denn: Die Welt ist kompliziert. Kommentar von Fred Luks.

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Im Zusammenspiel ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Problemlagen sind einfache „Lösungen“ extrem unwahrscheinlich: Die Rede von nachhaltiger Entwicklung als Such- und Lernprozess muss man sehr ernst nehmen. Umso erstaunlicher ist die Gefechtslage im Wachstumsdiskurs. Wachstum ist ein Feld, an dem sich ökonomische und sozial-ökologische Themen berühren wie in kaum einem anderen Bereich. Sehr viele Leute glauben, dass Nachhaltigkeit und Wachstum leicht vereinbar seien. Diese Interpretation dominiert nach wie vor. Technische Innovationen und wirtschaftlicher Strukturwandel Richtung „Wissensökonomie“, so die zuletzt in Rio wieder bekräftigte Meinung, können für „nachhaltiges Wachstum“ sorgen.

Auf der anderen Seite sind immer mehr Leute der Ansicht, dass Nachhaltigkeit und Wachstum auf Dauer nicht zusammengehen. Diese Strömung nimmt gerade gehörig Fahrt auf, und das ist auch gut so: Bei allen Möglichkeiten zur Entkopplung von Wirtschaftsleistung und Umweltverbrauch ist Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt begrenzt. Die reichen kapitalistischen Demokratien müssen endlich im Endlichen ankommen, also damit anfangen, sich auf die Suche nach Entwicklung jenseits von Wachstum zu machen.

Die Wachstumskritik sollte dabei nicht den Fehler machen, der oberflächlichen Technik- und Innovationseuphorie einen nicht minder oberflächlichen „Populismus der einfachen Lösung“ entgegenzusetzen. Wenn Wachstumsmanie durch Wachstumsphobie ersetzt wird, ist niemandem geholfen. Wie die Schrumpfung des Umweltverbrauchs mit einer hohen Lebensqualität für am Ende 9 Milliarden Menschen vereinbar ist, wirft sehr komplizierte Fragen auf. In diesem Zusammenhang sind Begriffe wie Suffizienz, Postwachstumsgesellschaft, Großzügigkeit und Gemeinwohlökonomie wichtige Inspirationsquellen für die Suche nach einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Patentlösungen sind sie nicht – die sind nämlich nicht verfügbar.

Gleichwohl häufen sich im Wachstumsdiskurs populistische Argumente, die auf einfache „Lösungen“ setzen. Nachhaltigkeit ist aber nicht nur dadurch erreichbar, dass man bessere Gesetze macht oder den eigenen Konsum einschränkt – und gewiss nicht, indem man von China lernt, wie effektive Politik funktioniert. Ökologisch ist klar, dass Wachstum Grenzen hat. Aber was sagt man spanischen Arbeitslosen und griechischen Pensionistinnen, wenn es um ihre Gegenwart und Zukunft geht? Moralapostel und Wanderprediger helfen da nicht weiter. Die Wachstumsfrage zwingt uns, komplexe Probleme anzufassen und uns dabei auf Interessengegensätze, Paradoxien, harte Auseinandersetzungen und auch mal Ratlosigkeit einzulassen. Populismus darf man den Straches und Stronachs überlassen. Die Nachhaltigkeitscommunity sollte es besser machen – gerade bei der Frage nach lebenswerten und demokratischen Alternativen zu einer wachstumsabhängigen Wirtschaft.

Fred Luks lebt und arbeitet in Wien. Zu seinen Publikationen gehören die Bücher „Die Zukunft des Wachstums“, „Endlich im Endlichen“ und zuletzt „Irgendwas ist immer. Zur Politik des Aufschubs“ (alle bei Metropolis).