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Spiel mit mir – nicht gegen mich!

Spielen ist wertvoll. Ob Brett- oder Kartenspiel, wir verbringen gemeinsame Zeit und schärfen unsere Fähigkeiten. Das Gegeneinander ist dabei das zentrale Element – aber muss es das sein? Ein Überblick über Spiele, die mehr können.

Eine Frau und eine Jugendliche stellen aus einer Box Spielfiguren auf einem Tisch auf. Sie wirken nachdenklich.
Foto: Karolina Grabowska, Pexels

Spiele trainieren logisches Denken, fördern die Konzentrationsfähigkeit und machen Spaß. Das gilt für Groß und Klein. Aber manchmal kann der Spaß schnell in Frust umschlagen, wenn das Glück nicht den Vorstellungen entspricht, die Mitspieler*innen eine fiese Taktik an den Tag legen oder die Spiellogik einfach nicht zu den eigenen Fähigkeiten passt. Gerade für Kinder seien diese Erfahrungen wichtig, heißt es oft. Sie lernen Frustrationstoleranz und eben auch mal zu verlieren. Und das Verlieren gehört zum Spielen eben dazu.

Als spielfreudige Eltern einer nicht besonders frustrationstoleranten Fünfjährigen sind wir mit dieser Einstellung schnell an unsere Grenzen gestoßen. Ob Kinder wirklich möglichst früh lernen sollen, dass immer jemand verliert und alles auf einen Konkurrenzkampf hinausläuft? Wir haben uns auf die Suche gemacht nach Spielen, die andere Werte vermitteln können – wie Teamgeist, Zusammenarbeit, sich aufeinander zu verlassen, gegenseitig zu bestärken und die eigenen Fähigkeiten bestmöglich für das Gemeinsame einzusetzen.

Die Fülle und Vielfalt an solchen „kooperativen Spielen” hat in den letzten Jahren durchaus zugenommen und auch wir Eltern haben darunter viele Lieblinge gefunden. Deshalb geben wir hier einen kleinen Einblick in die Welt der kooperativen Spiele für kleine und große Kinder – eine kleine Auswahl, die Lust auf mehr machen soll.

Von Obstgärtchen und Einhörnern

Eines der bekanntesten kooperativen Spiele ist das Obstgärtchen von Vera Baumeister, das es mittlerweile in verschiedenen Varianten, von Memory bis Kartenspiel, gibt. Das Spielziel ist, gemeinsam alle Früchte von den Bäumen zu sammeln, bevor der freche Rabe kommt und sie stibitzt. Und falls es mal nicht klappt und der Rabe doch schneller ist, kann man sich natürlich immer tierlieb zeigen und dem armen Vogel sein bisschen Obst vergönnen.

Eine besonders schöne Variante dieses Spielprinzips ist Einhorn Glitzerglück – Eine Party für Rosalie von Kristin Mückel. Hier müssen alle Freund*innen von Rosalie zu ihrer Überraschungsparty eingeladen werden, bevor sie selbst dazu stößt – sonst ist es ja keine Überraschung mehr. Dabei springt man von Wolke zu Wolke, rutscht Regenbögen hinunter, sammelt rosa Kristalle und ist natürlich selbst auch ein Einhorn. Ideal also für alle kleinen und großen Einhornfans.

Auf einem Spielbrett steht eine Rabenfigur und ein Baum auf den Spielzeugkirschen gehängt sind. Vor dem Spielbrett liegen Memory-Karten, ein Würfel und ein Minitur-Obstkorb.
Obstgärtchen: 1–8 Spielende, ab 3 Jahren Foto: HABA Sales GmbH & Co. KG
Ein pinkes und hellblaues Spielfeld mit Regenbögen, einem Schloss und Spielsteinen.
Einhorn Glitzerglück - eine Party für Rosalie: 1–4 Spielende, ab 4 Jahren Foto: HABA Sales GmbH & Co. KG

Immer diese Zauberringe

Mit magischen Ringen ist bekanntlich nicht zu scherzen. Aber welcher Dieb hat jetzt eigentlich den Ring gestohlen? Bei Wer war’s? vom bekannten Spieleautor Reiner Knizia ziehen Spielende gemeinsam durch das Schloss und lassen sich von Tieren Hinweise geben, während sie dem gruseligen Schlossgespenst ausweichen. Der Dieb muss gefunden werden, bevor der böse Zauberer das Schloss erreicht. Eine raffinierte Mechanik sorgt dafür, dass jede Partie anders ist und die Schwierigkeitsstufe an das Alter der Spielenden angepasst werden kann.

Damit Zauberringe erst gar nicht geklaut werden können, sollten sie besser zerstört werden. Das wissen auch die neun Gefährten der Ringgemeinschaft, in deren Fußstapfen Spieler*innen in Der Herr der Ringe (ebenfalls von Reiner Knizia) begeben können. Zur sehr schönen thematischen Umsetzung passt auch, dass es mitunter wirklich schwierig ist, diesen blöden Ring in den Schicksalsberg zu werfen.

Ein Spielbrett auf dem Räume zu sehen sind mit Spielfiguren, Karten und einer sprechenden Truhe.
Wer war's: 2–4 Spielende, ab 6 Jahren Foto: Ravensburger Verlag, team dv GmbH
Die Verpackungsschachel von
Der Herr der Ringe: 2–5 Spielende, ab 10 Jahren Foto: Kosmos

Sich aufeinander einspielen

Die Spielverpackung von
Die Crew: 3–5 Spielende, ab 10 Jahren Foto: Kosmos

Wer schon immer gerne heimlich unter der Schulbank Schnapsen gespielt hat, wird von diesem kooperativen Stichspiel begeistert sein. Bei The Crew (von Thomas Sing) müssen Spieler*innen – die Mitglieder einer Raumschiffcrew – gemeinsam den neunten Planeten finden und in 50 verschiedenen Missionen bestimmte Stiche machen. Dabei dürfen nur wenige Hinweise über die eigenen Karten gegeben werden, etwa welche die höchste oder niedrigste Karte einer bestimmten Farbe ist. Die Kunst ist dabei nicht nur, die eigenen Hinweise zielgerichtet einzusetzen, sondern auch zu verstehen, wie die anderen denken.

Auch The Mind vom Wiener Spieleautor Wolfgang Warsch macht dieses Prinzip zum Kern der Erfahrung. Dabei legen die Spielenden eine wachsende Anzahl von Handkarten in der richtigen Reihenfolge ab. Es darf nicht gesprochen werden – die Spieler*innen müssen ein gemeinsames Zeitgefühl entwickeln. Erstaunlicherweise funktioniert das, vor allem je länger gespielt wird.

Auch bei Space Alert von Vlaada Chvátil bilden die Spielenden eine Raumschiffcrew, die immer schwierigere Weltraummissionen bestehen und lernen muss, unter Zeitdruck effizient zusammenzuarbeiten. Ein Soundtrack (auf CD oder als MP3) gibt immer neue Gefahren vor und die Spielenden müssen sich schnell absprechen: Wer lädt die Laserkanone nach? Wer feuert sie auf die Meteoriten ab? Wer steuert das Schiff? Das kann schnell hektisch werden, macht aber auch viel Spaß.

Das Schöne an dieser Gruppe kooperativer Spiele ist, gemeinsam zu einer immer besseren Crew zu werden und so als Team zusammenzuwachsen. Gemeinsames Kennenlernen und Verstehen wird in den Mittelpunkt gerückt. So wird, gerade auch für Kinder, ein schönes Gemeinschaftsgefühl erzeugt.

Die Box und Spielkarten von
The Mind: 2–4 Spielende, ab 8 Jahren, Foto: Nürnberger Spielkarten Verlag
Auf der Box von
Space Alert: 1–5 Spielende, ab 12 Jahren Foto: Heidelbär Games GmbH

Gemeinsam im Kampf gegen die Pandemie

Nein, das ist kein Slogan der Bundesregierung, sondern das Spielprinzip von Pandemie (von Matt Leacock). Gemeinsam muss einer Reihe von sich global rasch ausbreitenden Krankheiten Einhalt geboten werden, indem man Seuchenwürfel vom Spielbrett entfernt. Die Spieler*innen bekommen dabei zufällig unterschiedliche Rollen zugeteilt, die alle unterschiedliche Spezialeigenschaften haben. So kann beispielsweise der Sanitäter besonders gut heilen oder die Forscherin gut Wissen weitergeben.

Auf der Box von
Pandemie: 2–4 Spielende, ab 12 Jahren Foto: 2021 Z-Man Games
Das Spielbrett von
Foto: 2021 Z-Man Games

Falls das Spiel thematisch momentan zu sehr an den Alltag erinnert, sorgt die Variante Pandemie – Untergang Roms (von Matt Leacock und Paolo Mori) für Abwechslung. Das Spielprinzip ist fast ident, allerdings müssen, statt Seuchenwürfel zu entfernen, verschiedene Barbar*innen daran gehindert werden, Rom zu erobern.

Auf einem ähnlichen Spielprinzip beruht auch Spirit Island (von R. Eric Reuss). Hier verkörpert jede*r Spieler*in den Geist einer Tropeninsel, der versucht, europäische Siedler*innen zu vertreiben. Damit liefert Spirit Island eine interessante Perspektive auf das in Brettspielen allgegenwärtige Kolonialisierungsthema, das allzu oft unhinterfragt bleibt, wie beispielsweise im beliebten Die Siedler von Catan, wo Spieler*innen ein anscheinend leeres Land mit all seinen Rohstoffen in Besitz nehmen.

Die Box von
Pandemie - Untergang Roms: 2–5 Spielende, ab 8 Jahren Foto: 2021 Z-Man Games
Die Box von
Spirit Island: 1–4 Spielende, ab 12 Jahren Foto: Pegasus Spiele

Pandemie war auch eines der ersten Spiele, das als sogenanntes Legacy-Spiel erschienen ist. Legacy-Spiele verändern sich beim Spielen: Im Laufe des Spiels werden neue Regeln aufgedeckt, Karten zerrissen und der Spielplan beschriftet und beklebt – so entwickelt sich jedes Spiel für jede Gruppe einzigartig und erzählt eine fortlaufende Geschichte. Das ist ideal, um in einer fixen Spieler*innengruppe über viele Abende lang gemeinsam ein Abenteuer zu erleben.

Kooperative Partyspiele

Ein paar der zuletzt besprochenen Spiele erfordern recht viel strategisches Kalkül. Es gibt aber auch einige kooperativen Spielen, die leichtfüßiger und schneller sind. Codenames Duet (von Vlaada Chvátil und Scot Eaton) ist eine kooperative Variante des beliebten Codenames. Bei diesem Assoziationsspiel geht es darum, möglichst raffinierte Hinweise auf die gesuchten Begriffe zu geben und so gemeinsam zu erraten, wer die gesuchten Spione sind.

Codenames Pictures (auch von Vlaada Chvátil), eine auf Bildern basierende Variante, lässt sich schon mit etwas jüngeren Spieler*innen und natürlich ebenfalls im kooperativen Modus spielen.

Ein kreativer Umgang mit Begriffen ist auch bei Just One (von Ludovic Roudy und Bruno Sautter) gefragt, bei dem alle Spieler*innen jeweils ein Wort als Hinweis auf den gesuchten Begriff für die ratende Person geben müssen. Allerdings ist Vorsicht gefragt – wenn mehrere Personen denselben Hinweis wählen, fällt dieser weg – zu offensichtliche Assoziationen sollte man also vermeiden.

Ebenfalls assoziativ und bildlich denken muss man bei Mysterium (von Oleg Sidorenko und Oleksandr Nevskiy). Hier verkörpern fast alle der Spielenden Spiritist*innen. Ein*e Spieler*in jedoch ist der Geist, der den anderen in Form von Bildern Hinweise über seine Ermordung geben muss. Herausfordernd ist dabei die Mehrdeutigkeit der Bilder und deren Interpretation, aber gerade das gemeinsame Kniffeln sorgt für viel Unterhaltung.

Die Box von
Just One: ab 3 Spielenden, ab 8 Jahren Foto: Repos Production
Die Box und Spielteile von Mysterium sind in einem klassischen Whodunnit-Stil gestaltet.
Foto: Libellud

Ein paar Tipps zum Schluss

Wir hoffen, mit dieser kleinen Übersicht Neugierde geweckt zu haben. Und weil gesellige Brettspielabende gerade nicht so angesagt sind, haben wir im letzten Jahr festgestellt, dass man auch online gut Brettspiele spielen kann. Die allermeisten Spiele können in der Plattform Steam über das Spiel TableTop Simulator geladen werden. Und auch auf Boardgame Arena können einige der erwähnten Spiele online gespielt werden. Die gesellige Runde am Wohnzimmertisch kann das zwar nicht ganz ersetzen, aber zumindest kann man so gut mit Freund*innen in Kontakt bleiben und den Teamgeist online bestärken. In diesem Sinne: Stay safe and play on!

Links:

Alle Spiele sind im Spielwarenhandel erhältlich. Das Geschäft Sirengames aus Wien versendet diese auch österreichweit. www.sirengames.at.

Auf www.spiel-des-jahres.de die Nominierungen der letzten Jahre auf kooperative Spiele durchsuchen.

Sich im Forum boardgamegeek.com mit eingefleischten Spielefans austauschen – auch über kooperative Spiele.

Online Brettspiele spielen auf de.boardgamearena.com.

Auf der Plattform Steam store.steampowered.com den TableTop Simulator kaufen und Brettspiele über Distanz spielen.

Dorothea Born, Michael Penkler

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