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Was tun, wenn Kinder leiden?

Depressionen, Angst oder Schul­pro­bleme: Was können Eltern tun? Auf welche Symp­tome sollen sie achten? Wann müssen sie eingreifen und wann einen Exper­ten hinzuziehen? . Interview mit Kinder­psychologin Sabine Seiberl.

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Asya Khalef, Kinderpsychologin Sabine Seiberl Foto: Privat

Frau Seiberl, kommen zu Ihnen auch Migrantinnen?

Im Ambulatorium habe ich viele Familien mit Migrationshintergrund, auch in meiner Praxis kommen Patienten mit Migrationshintergrund zu mir, die teilweise auch schon lange Zeit in Österreich leben.

Was sind die häufigsten Probleme, die Eltern mit ihren Kindern haben?

Das ist sehr unterschiedlich. Beim Elterntreff zum Beispiel geht es in erster Linie um Schulfragen bzw. Schulprobleme. Ein Thema war aber auch zum Beispiel, dass ein Kind nach der dramatischen Flucht nicht mehr gesprochen hat. Es hat sich zurückgezogen, war schüchtern und hat nicht mit anderen Kindern gespielt. Ein anderes Thema ist, dass  Kinder nicht auf ihre Eltern hören. In diesen Fällen geht es u.a. darum, Eltern zu unterstützen konsequent zu sein, Regeln aufzustellen, die auch eingehalten werden. Das ist manchmal schwierig für die Eltern.

Bei Familien, die fliehen mussten, ist häufig ein großes Problem, dass Kinder nicht über die Flucht sprechen. Es fehlt ihnen die Sprache, das Erlebte beschreiben zu können. Das Erlebte kann zu Ängsten führen. Sowohl Eltern als auch Kinder sind traumatisiert. Das ist ein großes Thema. 

Was ist besonders wichtig, worauf müssen die Eltern achten?

Allgemein ist es wichtig, nicht zu dramatisieren. Manche Schwierigkeiten und Themen legen sich gerade bei Kindern von selbst wieder. Andererseits ist es  auch sehr wichtig, sorgsam zu sein und - wenn die Eltern unsicher sind - zu überlegen, ob das Kind eine psychologische oder psychotherapeutische Betreuung braucht.

In der Erziehung von Kindern ist es wichtig, den Kindern Sicherheit und somit auch Grenzen zu setzen, denn die Grenzen geben Sicherheit.

Wenn das Kind zu viel mit dem Handy spielt, muss man es ihm auch einmal wegnehmen. Natürlich protestieren dann die Kinder – oft geben Eltern nach und lassen das Kind weiter spielen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass Eltern in solchen Situationen „Nein“ sagen können. Dieses „Nein“ gibt Sicherheit. Es zeigt dem Kind, dass Mama und Papa sich um das Kind sorgen, „die achten auf mich, die schauen auf mich".

Wenn man auf einen Berg wandert, einen abschüssigen Weg entlang geht, so gibt uns eine Absperrung, ein Geländer, auf der Seite Sicherheit: Ich kann mich hier anhalten, fühle mich durch diese Grenze sicherer, wäre das Geländer nicht da würde ich mich weniger sicher fühlen.

Ähnlich ist es auch bei Kindern: Grenzen, die Eltern setzen, sind sozusagen die Absperrung, das Geländer. Die konsequente Grenzsetzung lässt das Kind wissen, dass es beim "Nein" bleibt, wenn Papa oder Mama „Nein“ sagen. Ich kann mich auf das verlassen, was meine Eltern sagen. Das ist für alle Kinder wichtig, egal woher sie kommen oder welche Muttersprache sie haben. Kinder sind überall Kinder!

Wann braucht man professionelle Hilfe und externe Unterstützung?

Das kann man erkennen, wenn die Probleme in der Schule sehr groß werden, das Kind unter Schlafstörungen leidet oder Schwierigkeiten mit seinen Emotionen hat. Wenn sich das Kind längere Zeit zurückzieht, nur mehr wenig spricht oder keine Kontakte mit anderen Kindern aufnimmt, sind das Punkte, an denen die Eltern Hilfe suchen sollen. Aber auch wenn die Eltern merken, dass sie selbst an ihre Grenzen kommen, dass sie keine Kraft und Energie mehr haben.

Besser wäre natürlich, dass es gar nicht soweit kommt, sondern sich die Eltern schon vorher Unterstützung holen. Zum Beispiel indem sie zum Hausarzt oder zum Kinderarzt gehen und dort ihre Probleme schildern. Sie werden dann an die richtigen Stellen weiterverwiesen.

In Syrien und in der Türkei ist es sehr schwer, sich psychologische Hilfe zu holen. Wie funktioniert das in Österreich?

Mit dem Elterntreff und dem Ambulatorium Sonnenschein, aber auch anderen Einrichtungen, gibt es hier in St. Pölten sehr gute Möglichkeiten, die die Eltern einfach in Anspruch nehmen können und auch sollen!

Mag. Sabine Seiberl ist Psychologin und Psychotherapeutin im Ambulatorium Sonnenschein in St. Pölten. Zudem ist sie stellvertretende Leiterin des Autismus Zentrums. Ihre Aufgabenbereiche sind klinische psychologische Diagnostik, psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung von Kindern mit psychischen Problemen, psychologische Unterstützung bei chronisch erkrankten Kindern und Elternberatung. In ihrer psychotherapeutischen Praxis arbeitet sie mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, es kommen z.B. Patienten, die  unter Depressionen, Traumata oder Angststörungen leiden.

Interview: Asya Khalef