Das Glück des Selbermachens
Editorial 6/2015
Es ist kaum zu glauben: Die Geschäfte quellen über vor Waren, es gibt alles zu jeder Zeit, für jeden Geschmack – und billig! Und trotzdem wird genäht, gestrickt und gebastelt, was die Phantasie hergibt. Da saß noch vor Kurzem unsere jüngste Kollegin mit den Stricknadeln in der Hand und schwärmte, wie toll es doch sei, selbst eine Haube zu stricken. Aber damit noch nicht genug: sie durchforstete – für meine Generation eindeutig altmodische – Frauenzeitschriften, um Anleitungen für weitere Designs zu finden. Kollegin Gudrun hingegen vergleicht die technischen Assets von Nähmaschinen und Daniel baut sich sogar ein Fahrrad aus Bambusstangen und Carbonverbindungen selbst. Von den Quitteneinkoch- und Rezepttauschfreuden der Chefs einmal ganz abgesehen.
Was ist da passiert? Plötzlich ist Stricken und Basteln cool. Der Lohn für die Mühen ist ein glückliches Hochgefühl, eine fast kindliche Freude. Stolz präsentieren die Schöpfer der Hauben, Räder, Marmeladen oder lavendelgefüllten Stoffsäckchen ihre Schätze, erzählen strahlend Anekdoten vom Werden der Kreation und streichen liebevoll über kleine Unperfektheiten, die sie bei einem gekauften Produkt nie akzeptiert hätten.
Mit den eigenen Händen etwas zu schaffen, gibt ein wenig Selbstbestimmung zurück in einem oft sehr fremdbestimmten Leben und eine Bestätigung, die im Berufsleben leider allzu häufig ausbleibt. Das Ausleben der Kreativität ist wie eine Insel, und es ist äußerst erfrischend, immer wieder mal zwischendurch auf solche Inseln des puren Lebens zu reisen.
Wir sind in unserem Schwerpunkt den vielen Facetten dieses Megatrends auf den Grund gegangen und haben nachgefragt, warum scheinbar konservative Dinge plötzlich chic sind. Wer selbst werken, stricken oder Gletscherschliff sammeln möchte, findet Tipps für Kreativreisen, die Urlaub mit eigenem Schaffen verbinden.
Einen kreativen Herbst wünscht Ihnen
Annemarie Herzog