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Wie funktioniert ein gutes Leben?

Philosoph Christoph Quarch im Interview

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Christoph Quarch (Foto: Nomi Baumgartl) Christoph Quarch (Foto: Nomi Baumgartl)

Sie schreiben von philosophischer Lebenskunst. Welche Lösungen bietet die Philosophie für ein gutes Leben?
Philosophische Lebenskunst fängt damit an, alle fragwürdigen oder lebensfernen Ideen vom guten Leben zu entlarven und bloßzustellen, die in den Köpfen vieler Zeitgenossen stecken. In einem zweiten Schritt kann man dann schauen, ob es im großen Schatzhaus der Philosophiegeschichte überzeugendere Vorschläge gibt, die für heute aktualisiert werden können.
 

Wo sind Sie fündig geworden?
Für mich ist die antike Philosophie eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Die Griechen haben nicht versucht, das Leben moralisch zu maßregeln, sondern sie haben gefragt: „Was heißt es, wirklich lebendig zu sein?“ Sie haben die Natur beobachtet und am Leben selbst maßgenommen, um die Frage nach dem guten Leben zu beantworten.

Welche Antworten haben die alten Philosophen gegeben?
Platon sagte: Ein gutes Leben ist ein Leben im Einklang mit sich und der Welt. Mit sich, das heißt: Harmonie von Geist, Gefühlen, Begierden usw. Einklang mit der Welt ist eine Resonanzerfahrung, die Sie sicher kennen; ein Zustand, bei dem Sie sich aufgehoben fühlen, eingebettet in die große Melodie des Lebens. Dann können Sie zu sich und der Welt „Ja“ sagen, sich und die Welt gut heißen oder wenigsten doch gut sein lassen. Diesen Zustand können Sie aber nicht erzwingen, Sie werden ihn nie erreichen, wenn Sie ihn mit aller Gewalt herstellen wollen. Glücklich werden Sie, indem Sie sich auf das Leben und die Welt einlassen, sich einstimmen auf das, was ist. Dann ereignet sich das Glück – meistens in unerwarteten Augenblicken.

Neuerdings kursiert die These, wir könnten mit der Kraft unserer Gedanken glücklich werden. Ist Glück also eine reine Kopfsache?
Gedanken spielen eine große Rolle, sind aber nicht alles. Falsche Glücksverheißungen halten uns vom Glück ab. Etwa die Idee, man könne sich sein Glück selbst machen, wenn man nur hart genug daran arbeitet. Mit solchen lebensfernen Modellen muss man aufräumen und sie durch bessere Theorien vom Glück ersetzen. Eine gute Theorie aber macht noch niemanden glücklich. Es kommt darauf an, ihr gemäß zu leben und sich mit Leib und Seele aufs Leben einzulassen.

Manchmal hat man das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Man sucht Halt und findet ihn nicht. Was tun?
Solche Gefühle kommen meistens dann auf, wenn Sie den Kontakt zum Leben verloren haben und nur noch um sich selbst kreisen. Dann verlieren Sie sich in Gedankenschleifen, die Sie nicht voranbringen. In solchen Fällen ist es gut, sich zu öffnen und darauf zu achten, was das Leben Ihnen anbietet. Je mehr das von Ihren fixen Ideen und Konzepten abweicht, desto besser wird es Ihnen helfen, aus einer Krise herauszufinden.

Ein Tipp zur Urlaubszeit: Urlaub wird immer öfter zum Stress, man kommt nicht zur Ruhe. Wie sollte man reisen?
Stress im Urlaub kommt fast immer von den Bildern und Idealen, die Sie von zuhause mitbringen. Sie meinen, Ihr Urlaub müsse genauso so sein, wie Sie es in der Zeitung gelesen oder von Ihrer Freundin gehört haben. Völliger Quatsch. Lassen Sie alle Programme zuhause, lassen Sie Ihre Reiseführer zuhause. Fahren Sie los und freuen Sie sich an dem, was die Menschen an einem fremden Ort Ihnen entgegenbringen.

Interview: Annemarie Herzog

 

alltagsphilosoph

Infos:
Dr. phil. Christoph Quarch ist Philosoph und Theologe, Autor und Publizist. Er lebt in Fulda und hält Seminare zu Themen der philosophischen Lebenskunst (www.christophquarch.de).

Zuletzt von ihm erschienen:
Der kleine Alltagsphilosoph
Ein leichter Einstieg in die Welt der Philosophie
,
Gräfe und Unzer Verlag.