zum Inhalt springen

Schwammerl suchen im Winter?

Die Biologin und leidenschaftliche „Gastro-Mykologin“ Dr. Romana Ull geht auch im Winter auf Schwammerlsuche. Sie erzählt von wilden Austernpilzen, Frostschnecklingen und Judasohren und warum Pilze öfter auf den Tisch kommen sollten.

Pilze zählen zu Ihren großen Leidenschaften. Warum?

Romana Ull: Pilze sind eine geheimnisvolle Welt von Fadenwesen. Sie sind weder Pflanzen noch Tiere, aber den Tieren näher als den Pflanzen. Erkennbar ist das am Chitin, einem Kohlehydrat, das beispielsweise auch in den Schalen von Garnelen zu finden ist. Was wir Schwammerln nennen sind nur Fruchtkörper eines im Verborgenen wachsenden fädigen Mycels. Es kann mehrere Quadratkilometer groß werden. Als größtes bisher bekanntes Lebewesen wurde ein Halimasch gefunden, mit einer Ausdehnung von 9 Quadratkilometern und einem Gewicht von etwa 600 Tonnen, das entspricht etwa dem Gewicht von vier Blauwalen.

Was macht die Faszination des Schwammerlsuchens aus?

Schwammerl suchen ist für mich wie Meditation. Von meinen Ausflügen in die Wälder komme ich meist mit einem Korb voll Pilzen zurück. Mich fasziniert diese Farbenvielfalt, von weiß über rot, orange, grün, lila und gelb bis schwarz. Manche zeigen ein unglaubliches Farbenspiel wie die Hexenröhrlinge oder die Rotfußröhrlinge. Unter den weißen Pilzen sind die giftigsten – da ist große Vorsicht geboten. Hingegen entsteht die Blauverfärbung bei vielen Pilzen durch harmlose Oxidation und ist kein Zeichen von Gift.

Finden Sie das ganze Jahr über Schwammerl?

Ja. Im Winter sammle ich Austernpilze, die in Buchen und Pappeln wachsen. Auf Hollerbüschen finden sich Judasohren, die wir aus der chinesischen Küche kennen. Der Frostschneckling fängt überhaupt erst nach den ersten Herbstfrösten an zu wachsen. Schneeschwammerl werden schon manchmal in Rezepten erwähnt, auch meine Mutter erzählt von ihnen, allerdings habe ich noch keine gefunden.

Etwas Besonderes ist der Samtfußrübling, dem sehr viele Vitalkräfte zugeschrieben werden. Und die Wintertrüffel. Leider ist unser Hund noch nicht so gut ausgebildet, um welche zu finden, der interessiert sich eher fürs Steckerlsuchen.

Was macht Pilze so gesund?

Pilze sind Balaststoffspender und wahre Vitaminbomben. Bemerkenswert ist ihr Gehalt an Vitamin B 1, B 2, Niacin, Folsäure, Pantothensäure und Ergosterin, einer Vorstufe von Vitamin D, das für Vegetarier wichtig ist, weil Pflanzen kein Vitamin D enthalten. Zudem sind Pilze extrem purin- sowie natriumarm und reich an Kalium, weshalb sie blutdrucksenkend wirken. Der Eiweißgehalt ist nicht so hoch, wie oft angenommen, aber die Eiweißverfügbarkeit verstärkt sich, wenn Pilze mit Gemüse kombiniert werden.

In China gab es früher keine Champignons. Als diese bekannt wurden, haben die Chinesen sofort nach Heilanwendungen geforscht. Es gibt mittlerweile medizinische Versuche, wonach Champignons in speziellen Krebsbehandlungen eingesetzt werden. Alle heimischen Pilze sind Vitalpilze und ebenso viel wert, wie aus Asien importierte Heilpilze.

Beim Pilze Sammeln ist Sicherheit Voraussetzung: Wer sie nicht wirklich kennt, greift besser zu Marktpilzen oder frischen Kulturpilzen, die in Punkto Heilkraft und Ernährungswert den Wilden kaum nachstehen.

Info: Dr. Romana Ull ist Vizepräsidentin des steirischen Naturschutzbundes und beruflich in den Bereichen Bauökologie, Stadtökologie und Baubiologie tätig. www.hegedys-ull.at

Interview: Annemarie Herzog

LEBENSART abonnieren / diese Ausgabe der LEBENSART bestellen