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Schauspieler Cagri Dogan

Hier bin ich wieder, mit einem neuen Interview für euch! :) Diesmal habe ich mit Theaterschauspieler Cagri Dogan gesprochen: über ihn selbst, seine Projekte und über die Kulturfabrik, St. Pöltens neuen Verein für Jugendkultur.

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Cagri Dogan und Asya Khalef. Reisinger

Wer bist du?

Das ist ein schwierige Frage (lacht)  Ich bin vieles, und es ist  schwierig nur zu sagen Cagri Dogan ist diese Person. Aber wenn du mich fragst, was ich bis jetzt gemacht habe, kann ich sagen, dass ich hier in St. Pölten geboren und aufgewachsen bin, Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert habe und in Projekten gearbeitet habe, die viel mit zu kulturellen Sachen, wie Theater, oder Film und mit Jugendlichen, also einen sozialen Aspekte haben, zu tun haben.

Außerdem war ich Schauspieler, habe in der Produktion gearbeitet, in der Sozial- und Jugendarbeit, war ein Jahr in Sidney in Australien. Heute mache ich eigenständige  Projekte.

Wir gehen kurz zu deiner Vergangenheit. Du bist ja hier geboren. Wie bist du aufgewachsen?

Wir sind drei Geschwister und ich bin der Älteste. Mein Bruder ist zwei Jahre jünger  als ich und meine Schwester ist Nachzüglerin. Wir haben einen Altersunterschied von elf, zwölf Jahren.

Aufgewachsen bin ich in der Herzogenburgerstraße in St. Pölten. In den Arbeiterwohnungen haben alle MigrantInnen gewohnt. Die Bedingungen waren nicht so gut, und die Wohnungen klein. Aber als Kind bin ich viel in der Natur gewesen, draußen konnte ich mein Lebensumfeld mit dem Spiel verbinden. Wenn ich das jetzt im Nachhinein anschaue war schon eine schöne Kindheit.

Was haben deine Eltern gearbeitet?

Beide Eltern haben bei einer Firma gearbeitet. Meine Mutter war aber auch viel zu Hause. Mein Vater hat sich 1994 selbstständig gemacht. Jetzt sind beide schon in  Pension.

Wie dein berufliches Leben aus? Was machst du jetzt?

Aktuell mache ich Theater-Projekte. Damit habe ich 2010 begonnen. Mit Jugendlichen haben wir eine theatralische Collage entwickelt und das ist ziemlich gut angekommen. Danach habe ich ein kurdisches Epos von Ahmadi Khani „Memo Zin“ hergenommen. Ich habe dieses Stück ein bisschen verändert – mit einer Parallel-Gesichte. Es sollte die aktuelle Lebenssituation der Jugendlichen mit Migrationshintergrund reflektieren: Was ist, wenn Liebe zwischen zwei jungen Menschen passiert, die aus Familien aus unterschiedlichen Kulturen kommen Ahmede Khani hat das Stück um 1680 geschrieben, die Zeit hat sich verändert, aber das gleiche Problem gibt es immer noch.

Danach habe ich ein kurdisch-türkisches Filmfestival mit dem Cinema Paradiso und ein Konzert organisiert. 2010-2011 war ein sehr dichtes Programm für mich.

Danach bin ich nach Berlin gegangen und habe dort mit einer Regisseurin  gearbeitet.

Hier in St. Pölten habe ich versucht ein bisschen Innovation hereinzubringen, aus der eigenen Kraft heraus und habe ich mir gedacht, vielleicht jetzt kommt jemand und  macht dann weiter.

Was motiviert dich, Theater zu machen?

Es ist ein innerer Trip, und gleichzeitig ist es sehr schwer. Man muss sich selbst Ziele setzen und entscheiden, wohin man gehen möchte! Das ist kein leichter Kampf, vor allem auch die Finanzierung zu bekommen. 2006 habe ich ein Radio Projekt für MigrantInnen über Campus Radio der FH - türkisch und kurdisch - organisiert: Nach einem halben Jahr konnten wir ohne finanzielle Unterstützung nicht mehr weitermachen. Das waren Vorarbeiten, die mich geprägt haben, und aus denen ich gelernt habe, wie es geht. 2016 habe ich mit Jugendlichen zwei Theaterstücke „Andorra anders“ und „daZwischen“ und viele Workshops gemacht.

Das, was ich mache ist, Menschen, die aus ökonomisch schwächeren Familien kommen einfache Wege zu erschließen damit sie an der Gesellschaft teilnehmen können. Mein Hauptanliegen sind Jugendliche, weil sie unsere Zukunft gestalten und ich wünsche uns allen eine schöne Zukunft.

Wer kann an deinen Theaterstücken mitspielen? Wie können dich die Leute erreichen wenn sie Theater spielen möchten?

Die Stücke sind offen für alle Menschen! Sehr wichtig ist, dass man den Willen hat, dass man es mag und dass man es wirklich möchte, das sind wichtigsten Faktoren. Man kann einfach kommen. Die Infos findet man über Facebook erreichen über Kultur Fabrik: Verein für Jugend Kultur.

Du hast ja in den letzten Monaten das Theaterstück „ daZWISCHEN“organisiert. Darin geht es um eine türkische Familie

Ja, das Stück spielt in einer türkischstämmigen Familie. Das ist aber nicht so relevant, weil das Thema – haram und halal – in jeder Gesellschaft ein Thema ist.

Das Theaterstück "Das ist Haram" wurde vom holländisch-marokkanischen Schriftsteller Ad de Bont für Jugendliche geschrieben. Es gibt eine enorme Diskussion darüber, was haram (verboten) ist und was halal (erlaubt), die im Alltag sehr sichtbar ist. Seit vier bis fünf Jahren spitzt sich das zu und daher dachte ich, muss etwas damit machen. So bin ich auf dieses Stück gestoßen.

Worum geht es darin?

Um eine HipHop Tänzerin. Eine Sache, die einfach nicht geht, im Verständnis zwischen den Generationen und dem kurdisch-türkischen Umfeld. Wir haben das zeitgemäße Thema zu einem Stück geformt und mit kurdischen Jugendlichen auf die Bühne im Forum Kino in St. Pölten gebracht. Aber nicht mit Drama sondern mit Leichtigkeit und Humor. Das einfache Aufzeigen war schon eine große Problematik, aber man lacht doch ein bisschen.

Wie war die Reaktion?

Es war unglaublich gut, die Leute waren sehr überrascht. Zu unserer Freude kamen sehr viele Menschen aus Vereinen, Schulen und Interessierte. Das Interesse war wirklich groß.

Wann ist das nächste Theaterstück?

2018 geht es wieder los!

Wie würdest du Österreich beschreiben? Wie fühlst du dich hier?

Ich liebe die Freizügigkeit und Individualität die Österreich mir gegeben hat und die mich geprägt hat. Gleichzeitig liebe ich den Kollektivismus, den ich von meiner  Ursprungsheimat mitgenommen habe. Ich denke, das nicht das eine für sich stehen kann oder für sich gelebt werden kann. Es braucht beides: die persönliche Freiheit, die Individualität und aber auch das Kollektive, das Gemeinsame, denn wir leben gemeinsam hier, in einem Raum.

Ich sehe Österreich nicht als eine nur deutschstämmige Gruppe, Österreich ist multikulturell. Das war schon immer so und ist bis heute so. Ich bin ein Österreicher, der für die Welt offen ist, der liberal ist, der sehr viele ethnische  Gruppen kennt, der Vielfältigkeit in sich spürt, der sehr viele Sprachen spricht und ein anderen Ursprung hat.

Was sollte passieren damit Integration gut funktioniert?

Integration ist noch immer ein irrsinnig schwieriges Thema, weil es meist einseitig gesehen wird. Man glaubt, wenn man etwas abverlangt, wenn man denkt, dass es nur eine Bringschuld ist, wird es funktionieren. Das ist aber nicht so. Es braucht das Wollen von beiden Seiten. Man muss offen sein, und gleichzeitig die Rahmenbedienungen schaffen, dass die Menschen, die kommen auch ihren Beitrag leisten können.

Die Deutschkurse sind nicht genug für eine Integration; da muss mehr dabei sein, vor allem Arbeitsmöglichkeiten und Bildungsmöglichkeiten. Sprache erlernt man nicht nur im Kurs. Es braucht die Kommunikation zwischen den Menschen im Leben miteinander. Und dann gibt’s auch den Aspekt des Wollens: Manche wollen keine Zuwanderer. Das gibt’s in jeder Gesellschaft.

Aktuell gibt es sehr viele Projekte für Flüchtlinge, diese Entwicklungen müssen wir verstärken und innovativ bleiben. Aber es gibt auch eine verlorene Generation. Diese verlorene Generation zu gewinnen ist sehr wichtig.

Deswegen mache ich meine Projekte mit den jungen Menschen, die hier zur Schule gehen, die hier geboren sind, um ihnen Perspektiven und Netzwerke zu eröffnen. Ich schlage auch vor noch ein bisschen tiefer zu gehen und Ursachen zu suchen und tiefgreifende Lösungen zu finden für Arbeit und Bildung. Der Staat muss die Rahmenbedingungen dafür bereit stellen.

Was möchtest du anderen Migrantinnen mitteilen?

Für die MigrantInnen wünsche ich mir, dass sie bewusst die Schönheit dieser freien individuellen Gesellschaft sehen, dass sie ihre Augen aufmachen und diese Perspektiven und  Möglichkeiten gut in ihr Leben integrieren und auch ihren Kinder diese Perspektiven öffnen.

Interview: Asya Khalef