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Integration heißt ganz normal leben können

Ugur Kalkan betreibt das KRISTALL KEBAP & PIZZA am Bahnhofsplatz in St. Pölten. Viele St. PöltnerInnen kennen ihn - denn er macht  köstliches KEBAP.

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Herr Kalkan und Asya im Lokal "KRISTALL". Foto: Reisinger Reisinger, Herr Kalkan und Asya im Lokal "KRISTALL".

LEBENSART: Herr Kalkan, wie alt sind Sie, woher kommen Sie, welche Fremdsprachen beherrschen Sie?

Ugur Kalkan: Ich bin 40 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder, zwei Buben. Ich komme aus der Türkei, bin in der  Stadt  Erzincan  im Nordosten der Türkei geboren. Aber aufgewachsen bin ich in Istanbul. Ich spreche Türkisch,  Deutsch und ein bisschen Englisch.

Von Istanbul nach St. Pölten

Seit wann sind sie in Österreich und warum sind Sie da?

Kalkan: Ich bin seit 1992 in Österreich, damals war ich 16 Jahre alt. Es war nicht meine Entscheidung. Mein Vater lebte schon seit 1989 in Österreich, 1992 mussten meine Mama, meine Schwester und ich meinem Vater folgen.

Wie war der Anfang in Österreich? Was war einfach, was war schwierig?

Kalkan: Am Anfang war sehr schwer! Eigentlich wollte ich sofort wieder zurück (lacht). Ich hatte Schulprobleme, Sprachprobleme usw. Ich kam aus Istanbul, lebte in einer Wohnung mit 145m2! Ich hatte viele Freunde und Nachbarn, besuchte eine Militärschule und hätte studieren können. Ich war 16! Das war wirklich hart! Heute sehe ich das natürlich anders.

Wie haben sie deutsch gelernt? Wie lange hat es gedauert bis Sie die Sprache beherrscht haben?

Kalkan: Vom Radio. Ich habe eine Lehre bei einem orthopädischen Schuster gemacht, einem tschechischen Migranten übrigens. Da es keine Sprachkurse gab – abgesehen von zwei Stunden pro Woche, die von einem türkischen Verein organisiert wurden – kaufte er mir ein Radio und ich hörte den ganzen Tag Ö3. Das hat mich sehr geholfen. Aber trotzdem hat es etwa drei Jahren gedauert bis ich die Sprache beherrscht habe.

Wie reden Sie mit Ihren Kindern?

Kalkan: Sie können eigentlich beide Sprachen gut. Zu Hause sehen sie nur deutschsprachiges Fernsehen, und auch mit den Freunden reden sie meistens  Deutsch. Meine Frau spricht mit den Kindern nur türkisch! Das ist wichtig, damit Kinder auch ihre Muttersprache gut können.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Kebap-Lokal zu eröffnen?

Kalkan:  Ich habe während meiner Lehre und auch später bei McDonalds in St. Pölten gearbeitet. 2005 ist das Geschäft neben McDonalds freigeworden. Da habe ich mich entschlossen selbst ein Lokal zu gründen, das „KRISTALL“. 2017 ist ein großes Jahr für uns: Wir erweitern um 150m2 bzw. 80 Sitzplätze – ein eigenes Restaurant. Die Eröffnung wird im September sein. Als Unternehmer bin ich sehr zufrieden :-)

Was mögen Sie an der österreichischen Kultur?

Kalkan: Fast alles! Was mir weniger gefällt ist dass es weniger Familienleben und Nachbarschaft gibt. Aber alles andere ist sehr gut: Die Natur, die Umgebung - wenn das Wetter schön ist kann man rausgehen. Die ÖsterreicherInnen interessieren sich für alles. Es gibt so viel Interkulturelles. Man braucht sich bloß am Bahnhofsplatz umsehen. Da gibt es amerikanisches, türkisches, chinesisches, österreichisches Essen. Ich bin Österreicher. Mir gefällt es hier zu leben.

Beitrag zur Integration?

Was empfehlen Sie anderen MigrantInnen?

Kalkan:  Selber muss man aktiv werden, das ist sehr wichtig! Als ich nach Österreich gekommen bin gab es keine  Unterstützung, so wie jetzt. Heute gibt’s mehr Möglichkeiten, und die Menschen sollten sie  gut nutzen.  Viele bekommen Geld vom Staat und wollen eigentlich nicht mehr arbeiten. Das finde ich nicht gut! Geld ohne Arbeit ist keine Hilfe. Da sitzen die Menschen zu Hause, es wird ihnen fad oder sie gehen pfuschen. Geld sollte es nur solange geben wie es unbedingt notwendig ist. Vor allem die jungen Leute sind eine verlorene Generation. Die muss man wieder reinholen, indem die, die schon länger da sind mit ihnen reden, Respekt zeigen, mit Augenkontakt, aber reden.

Wichtig, wäre dass die MigrantInnen nachdenken, wieso sie nach Österreich gekommen sind. Ob sie ein Leben in Freiheit gesucht haben, ein Leben in Frieden oder Arbeit. Sie können leben wie sie wollen. Aber sie sollten nicht die Probleme, die sie in ihrem Herkunftsland gehabt haben, mitschleppen.

Was bedeutet für Sie Integration?

Herr Kalkan:  Integration ist für mich ganz normales Leben!

Was ist ein ganz normales Leben?

Einen Job zu haben, Familie, Sicherheit, Gesundheit. Wenn ich nach Hause gehe, mich entspannen kann und die Zeit mit meiner Familie verbringe, das ist für mich Integration. Die Sprache kommt mit dem Job und den Umgang mit ÖsterreicherInnen. Wichtig wäre auch, dass die ÖsterreicherInnen zeigen, wie sie leben. So könnten wir die Barriere dazwischen abbauen.