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Im „System Billig"

Gastkommentar von Franz Kotteder

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Franz Kotteder (Foto: Volker Derlath) Franz Kotteder (Foto: Volker Derlath)

Jeder kauft gerne mal etwas zu einem Preis, den er als besonders günstig empfindet. Schnäppchen machen eben Spaß. Oft aber auch nur deshalb, weil man nicht weiß, wie sie eigentlich zustande kommen.

Was unschlagbar billig ist, ist es sehr häufig nur deshalb, weil die wahren Kosten für die Ware jemand (oder etwas) anderem aufgebürdet wurden. Warum etwa sind Lebensmittel so günstig, verglichen mit früher? Weil sie oft unter haarsträubenden Bedingungen hergestellt werden. Das Fleisch aus dem Kühlregal des Supermarkts stammt in aller Regel aus der Massentierhaltung, die eigentlich nichts anderes ist als industrielle Tierproduktion, die immer weit entfernt ist von dem, was man noch als „artgerecht“ bezeichnen kann. Es geht darum, möglichst kostensparend möglichst viel Fleisch zu erzeugen. Dazu braucht es Qualzucht – sei es bei Huhn, Schwein oder Rind – und zur Not eben auch jede Menge Pharmazie und Antibiotika, damit die Tiere wenigstens die kurze Zeit bis zur Schlachtreife überleben.

Das „System Billig“ aber zieht sich inzwischen beinahe durch alle Lebensbereiche. Mit dem geringstmöglichen Aufwand soll größtmöglicher Gewinn erzielt werden. Und dafür nimmt man gewaltige Opfer in Kauf: eine zerstörte Umwelt, gequälte Tiere, das Aussterben ganzer Arten, die Verödung der Meere, die Verschmutzung des Grundwassers, die Verelendung ganzer Gesellschaftsschichten in den Entwicklungsländern und nicht zuletzt auch den Tod vieler Menschen, die an Hunger sterben müssen. Das „System Billig" verspricht schnellen und leichten Profit auf Kosten anderer. Doch die Gewinner in diesem Spiel haben sich verrechnet, zumindest auf lange Sicht: Denn auf die eine oder andere Art und Weise müssen auch sie einmal zahlen – wenn nämlich die Ressourcen erschöpft sind, die auch sie brauchen.

Die Politik verweist an dieser Stelle gerne auf die Macht des Verbrauchers. Der sei letztlich schuld am Billigwahn, weil er nicht bereit sei, mehr zu zahlen. Nur wenn der Verbraucher sich ändere, werde sich auch der Markt ändern.

Ganz falsch ist das nicht, auch unser Konsumverhalten muss sich wandeln. Aber es dient der Politik auch als Ausrede, nichts tun zu müssen. Vieles muss ganz einfach auf der Ebene der Politik geregelt werden. Um das Ökosystem Meer zu erhalten, braucht es Meeresschutzgebiete, niedrige Fangquoten und manchmal auch ganz einfach Fangverbote. Die werden nicht am Supermarktregal erlassen, sondern in Parlamenten. Massentierhaltung mit all ihren schlimmen Begleiterscheinungen kann man verhindern, indem man strengere Tierschutzgesetze erlässt und nicht wartet, bis der Verbraucher nur noch biozertifizierte Ware essen mag und nicht nur mit Fleisch zufrieden ist, das ihn „gerade noch nicht“ krankmacht, weil die Gesetze strengere Auflagen eben nicht hergeben. Das sind nur zwei Beispiele, aber sie zeigen, dass Handeln möglich ist. Übrigens auch als Politik-Verbraucher, nämlich an der Wahlurne.

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Info:
Franz Kotteder, 50, ist Redakteur der Süddeutschen Zeitung und hat das politische Sachbuch „Billig kommt uns teuer zu stehen – Das skrupellose Geschäft der globalisierten Wirtschaft“ geschrieben. Erschienen im Ludwig Verlag, 272 Seiten, 20,60 Euro

 

 

 

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