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Im Reich der Proteine

Eiweiß – wie viel ist genug?

Ein Potpourri an eiweißreichen Gemüsesorten und Hülsenfrüchten. Grün herrscht vor.
Foto: AAmulya B / iStock

Eiweißreiche Ernährung ist in aller Munde, „Low Carb – High Protein“ im Trend und Proteinpulver ein Bombengeschäft. Doch was bedeutet das für unsere Gesundheit und Umwelt? Braucht es Eiweißersatz oder geht das auch natürlich und pflanzlich?

Proteine bauen Haut, Muskeln, Organe und Bindegewebe auf, das Immunsystem benötigt sie, um Antikörper zu bilden, und auch für die Erzeugung von Hormonen sind sie notwendig: Eiweiß ist ein lebensnotwendiger Bestandteil unserer Ernährung und sollte bei keiner Mahlzeit fehlen. Das Körpergewicht mit 0,8 multipliziert ergibt, wie viel Gramm Eiweiß wir täglich benötigen. Laut Österreichischem Ernährungsbericht verputzen wir mit täglich 1,1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht deutlich mehr, trotzdem erreichen 28 Prozent der Menschen die empfohlene Menge nicht. Das hängt vor allem mit schlechten Ernährungsgewohnheiten zusammen. Gefährdet sind vor allem Frauen, die ihr Gewicht streng kontrollieren, und ältere Menschen. Ein Proteinmangel kann im Kindesalter zu Unterentwicklung und bei älteren Menschen zu Gebrechlichkeit führen. Grund genug, um den eigenen Eiweißkonsum unter die Lupe zu nehmen.

 
Ein farbenfroher Haufen verschiedener Bohnen, Erbsen und Linsen.
Foto: fca fotodigital / iStock

EIWEISS SÄTTIGT UND VERBRAUCHT BEIM UMBAU IM KÖRPER ENERGIE.

Schlanker durch Eiweiß?

Proteinreiche Diäten boomen und funktionieren kurzzeitig auch sehr gut. Eiweiß sättigt und verbraucht beim Umbau im Körper Energie. Wer bei einer Diät noch auf Süßes verzichtet, erzielt so schnelle Erfolge. Wird die Aufnahme jedoch auf längere Sicht erhöht und zu viel Eiweiß aufgenommen, so schwindet dieser Effekt, überschüssiges Eiweiß wird in Fett umgewandelt und sorgt für Speckrollen. So wie wir mit unserem Eiweißkonsum deutlich über den Empfehlungen liegen, geht auch der Trend beim Gewicht nach oben. Und dass Menschen mit höherem Körpergewicht mehr Proteine zu sich nehmen als jene mit geringerem Körpergewicht, zeigt ebenso, dass ein höherer Eiweißkonsum nicht die Lösung des Gewichtsproblems ist.

Ist mehr besser?

Mehr Protein kann aber durchaus angebracht sein: Über 65-Jährige sollten ein Gramm, (Leistungs-) Sportler*innen sogar bis zu zwei Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. So ein hoher Eiweißbedarf betrifft verhältnismäßig wenige Menschen – blickt man jedoch in die Supermarktregale, scheint Österreich ein Land der Spitzensportler*innen zu sein: Proteinangereicherte Joghurts und Topfen und ein überbordendes Angebot an Proteinriegeln und -pulvern locken mit unterschiedlichen Kaufversprechen. Sogar der von Natur aus eiweißreiche Quargel kann schon mal das Etikett „proteinreich“ tragen. Mehr Protein am Teller bringt aber noch lange keine Muskeln, denn diese wachsen nur, wenn man Training und Proteinzufuhr kombiniert.

Die Bausteine für unser körpereigenes Muskeleiweiß können Pflanzen, wie die Bohne, oder auch tierische Produkte, wie ein Schnitzel, liefern. Einfacher ist es für den Körper zwar, Eiweiß aus tierischem Eiweiß aufzubauen, eiweißreiche pflanzliche Lebensmittel liefern darüber hinaus auch viele weitere gesundheitsfördernde Substanzen wie sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe sowie ungesättigte Fettsäuren. Pflanzliche statt tierischer Proteinquellen zu genießen, reduziert daher das Risiko für ernährungsbedingte chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

 
2 grüne Erbsenschoten, geöffnet.
Foto: Shahadat Hossain / iStock

DIE BAUSTEINE FÜR UNSER KÖRPEREIGENES MUSKELEIWEISS KÖNNEN PFLANZEN, ODER AUCH TIERISCHE PRODUKTE LIEFERN.

So wertvoll wie ein kleines Steak?

Für viele Menschen sind Shakes und Riegel eine einfache Lösung, um Eiweiß in den Speiseplan zu integrieren und auf Fleisch zu verzichten. Doch auch die meisten Proteinpulver sind tierischer Herkunft, Tierwohl oder Biolandwirtschaft sind dabei oft kein Thema. Die Basis ist Molkenprotein, ein hochwertiges Eiweiß, das bei der Käseherstellung anfällt, leider gar nicht schmeckt und unter dem klingenden Namen „Whey Protein“ verkauft wird. Milchallergiker*innen oder Menschen mit Laktoseunverträglichkeit sollten auf Whey verzichten. Werden die Molkenproteine aufgespalten, um leichter verdaulich zu sein, was bei Molken-Isolat oder -Hydrolysat der Fall ist, sind die Pulver zudem noch bitter. Mit viel Zucker, Aromen & Co werden die Produkte dann doch noch genießbar. Solche Proteinpulver sind nicht nur teuer – wenn man zu viel zu sich nimmt, kann dies auch die Nieren belasten und zu Nierensteinen führen. Günstiger und gesünder ist es, Topfen, Joghurt, Linsen, Bohnen oder Sonnenblumenkerne zu essen. Im Gegensatz zum Pulver kann es bei Bohnen & Co zu keiner Überversorgung kommen.

HOCHWERTIGE EIWEISSGERICHTE

Ein Glas voll Joghurt-Topfen-Dip in einer Schale mit Gemüsesticks: Selleriestangen, Karotten, Fisolen, Rote Paprika, Brokkoli.
Foto: A. Namenko / iStock

Spinat mit Kartoffeln und Spiegelei

Kartoffeln mit Kräutertopfen

Linsen mit Knödeln

Haferporridge mit Sojamilch und Sonnenblumenkernen

Topfen-/Joghurtmix mit Leinöl und Gemüsesticks

REZEPTE

Pilzeintopf mit Kamut

Pizza Bianco mit Erdäpfeln und Spinat

Mehr (tierisches) Eiweiß ist problematisch fürs Klima

Da die meisten Eiweißpulver aus Molke hergestellt werden, verursachen sie noch ein weiteres Problem: Kühe geben nur Milch, wenn sie zuvor ein Kalb bekommen haben. Das heißt, Milch- und Molkeproduktion heizen auch die Fleischproduktion an. Steht die Kuh auf der Weide und veredelt Gras zu Milch, ist das ökologisch sinnvoll. Wir könnten ja Gras nicht verdauen und auch auf Almen kein Gemüse ziehen. Für die Mengen an Milch und Fleisch, die wir konsumieren, wird jedoch zusätzlich jede Menge Kraftfutter eingesetzt – je höher der Anteil an tierischen Lebensmitteln in unserer Ernährung ist, desto mehr Fläche wird für den Anbau von Futtermitteln verbraucht. Und Flächen sind rar. Deshalb empfiehlt die Planetary Health Diet, eine klima- und ressourcenschonende Ernährung, die Menschen und unseren Planeten Erde gleichermaßen gesund hält, täglich maximal 250 Milliliter Milch und 43 Gramm Fleisch.

 
Mag.a Michaela Knieli ist Ernährungswissenschafterin bei DIE UMWELTBERATUNG.
Mag.a Michaela Knieli ist Ernährungswissenschafterin bei DIE UMWELTBERATUNG. Foto: Monika Kupka, DIE UMWELTBERATUNG

nur 43 Gramm FLEISCH empfiehlt die Planetary Health Diet täglich

Eiweiß, marsch!

Was sind nun aber die besten pflanzlichen Eiweißquellen? Einen ersten Stopp sollten wir bei Hülsenfrüchten einlegen. Sie enthalten rund ein Viertel hochwertiges Eiweiß, das in Kombination mit anderen Eiweißquellen, wie Getreide, vom Körper noch besser verwertet werden kann. Deshalb kommen Linsen in der traditionellen österreichischen Küche mit Knödeln auf den Teller. Linsen und Bohnen eignen sich sehr gut für die leichte Küche, denn sie enthalten kaum Fett und kein Cholesterin. Sie liefern Folsäure zur Blutbildung und B-Vitamine für Nervenstärke. Zusätzlich sind sie reich an Kalium, Kalzium, Eisen und Ballaststoffen. Diese sättigen für mehrere Stunden, regen die Darmtätigkeit an und helfen, den Cholesterinspiegel zu senken. Besonders eiweißreich sind auch Leinsamen, Kürbis- und Sonnenblumenkerne, aber auch viele Gemüse können bei der Deckung des Eiweißbedarfes mithelfen.

Michaela Knieli

www.umweltberatung.at

Fotos: Alasdair James; Anilakkus; popovaphoto / iStock
Fotos: Hongquang; Sanny11; Md Shahadat Hossain / iStock

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