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"Ich bin doch kein Konsumtrottel"

ArtistInnen: Sepp Eisenriegler, der Jedi-Ritter der Elektroaltgeräte.

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Sepp Eisenriegler, der Jedi-Ritter der Elektroaltgeräte. Foto: Schreiner Schreiner

1988 habe ich Sepp Eisenriegler das erste Mal getroffen. Es herrschte Aufbruchsstimmung in der Umweltszene. „die umweltberatung“ war gerade gegründet worden und wir beide mittendrin im Aufbau von Umweltwissen und -information. Sepp interessierte sich von Beginn an für den Abfall.

Sepp, kein Mensch trägt gern seinen Müll raus, der Geruch im Müllhaus verschlägt uns den Atem, mit Müll will sich keiner beschäftigen. Was treibt dich an, seit 30 Jahren, Müllvermeidung, Reparieren und Recycling zu predigen und zu leben?

Abfall ist nur das Ende der Wertschöpfungskette. Am Beginn steht unser Ressourcenverbrauch. Je mehr Rohstoffe verbraucht werden, desto mehr Treibhausgase gehen in die Luft. Das wird oft vergessen, dabei ist das urwichtig. Wir tanzen auf einer sehr dünnen tektonischen Platte unseres sensiblen Planeten. Wir verwenden wertvolle Rohstoffe, für Produkte, die keiner braucht und die eine immer kürzere Lebensdauer haben. Gerade die seltenen Erden können wir noch immer nicht rückgewinnen.

Was hat sich in den 30 Jahren verbessert?

Ganz eindeutig die Gesetzgebung. Wir haben selbst zu einigen entscheidenden Verbesserungen beigetragen: Die Elektroaltgeräte-Richtlinie zum Beispiel oder die Abfallrahmenrichtlinie. Gemeinsam mit den wichtigsten EU-NGOs ist es unserem RREUSE-Büro in Brüssel gelungen, die Unterstützung von Re-Use und Reparatur-Netzwerken durch die Mitgliedsstaaten gegen die Interessen der Industrie durchzusetzen. Wir haben auch Jahrzehnte auf die EU-Institutionen Druck gemacht, bis die EU-Kommission endlich die Circular Economy „erfunden“ hat. Jetzt mangelt es nur noch am Vollzug.

Was hat sich verschlechtert?

Die Mengen, die verbraucht werden, sind mehr geworden. Wir sind zum Beispiel nicht in der Lage die 10 Mio t Elektroschrott, die in der EU anfallen, gesetzeskonform behandeln. Eine aktuelle Studie von Interpol zeigt, dass pro Jahr 1,5 Mio t abhanden kommen. Sie tauchen nach fünfmaliger Erdumkreisung in China, Indien und Afrika auf illegalen Deponien wieder auf. Paradoxerweise dort, wo schon die Rohstoffe unter schmutzigsten Bedingungen ausgebeutet werden.

Wie kann Abfall einfach verschwinden?

Es wird nicht entsprechend kontrolliert und so versickert einiges halt illegal.

Wo werden meine kaputten Elektrogeräte  ordnungsgemäß entsorgt?

Bei den Gemeinden kann man sich relativ sicher sein. Beim Handel ist es unklar. Was der Media-Saturn-Konzern mit den zurückgenommenen Geräten tut, weiß man nicht. Sicher ist nur, dass alles irgendwo in den Schredder wandert. Sie wollen Second Life Geräte unter allen Umständen vermeiden, weil dann nicht mehr so viel verkauft werden kann.

Gibt es Produkte, die lange halten und reparierbar sind?

Grundsätzlich gilt die Faustregel, dass ein Gerät, das 300 Euro kostet drei Jahre halten wird, eines das 500 Euro kostet fünf Jahre. Bei Waschmaschinen kann ich derzeit nur die „billigeren“ Miele und die Eudora Babynova empfehlen.

Du arbeitest auf vier Ebenen: ihr informiert und beratet KonsumentInnen, ihr repariert Geräte, du versuchst mit der Industrie Lösungen zu erarbeiten und du setzt dich für die Veränderung von politischen Rahmenbedingungen ein. Welche ist die wichtigste?

KonsumentInnen informieren ist einfach. Das Problem ist, dass die Wirkung begrenzt ist, weil keine noch so geniale Medienkampagne, wie die gegen geplante Obsoleszenz, gegen die permanent im Alltag vorhandenen, subtilen 5.000 Werbebotschaften eine längerfristige Chance hat. Immerhin gilt Edward Bernays, Neffe von Siegmund Freud, als Vater der PR. Er hat die tiefenpsychologischen Erkenntnisse seines Onkels dafür eingesetzt, dass Bedarfe geschaffen wurden, die nichts mehr mit echten Bedürfnissen zu tun hatten. Die  Angebote der Industrie an uns sind Feigenblätter. Zum Beispiel wird mir derzeit die Verwertung von transportbeschädigten Geräten angeboten. Bedingung ist allerdings, dass wir die Produkthaftung übernehmen. Das ist reine Augenauswischerei. Gespräche mit der Industrie haben bis auf wenige Ausnahmen bislang nichts gebracht, weil in unserem wachstumsgetriebenen Wirtschaftssystem wider besseren Wissens immer wieder nach verkaufsfördernden Mascherln gesucht wird, die nur ja nicht das Business-Modell stören.

Daher bin ich mittlerweile Lobbying-Experte auf der EU-Ebene geworden und als österreichischer Delegationsleiter in den Normungsausschuss in Brüssel eingebunden, der in den nächsten drei Jahren im Auftrag der Kommission Ressourceneffizienz-Standards für das Ökodesign von Elektrogeräten ausarbeiten wird. Die (Zwischen-) Ergebnisse werden gemeinsam mit einer entsprechenden Novellierung der Ökodesign Richtlinie viel bewirken: Mit weniger Ressourcen soll der gleiche Nutzen gestiftet werden. Das bedeutet, dass nur mehr langlebige und reparaturfreundliche Geräte auf den Markt kommen dürfen. Die EU muss 2020 Erfolge vorweisen – mit diesen Maßnahmen können das die EU-Institutionen. Das macht mich optimistisch, dass wir ab 2020 zunehmend langlebige, reparaturfreundlich konstruierte Elektrogeräte am Europäischen Markt vorfinden werden.

Betrifft das auch die Software? Viele Handys, Laptops und Pads funktionieren einwandfrei. Nur durch die Updates der Software werden sie zu langsam.

Ja, die Richtlinie bezieht auch das Internet der Dinge und damit die Vernetzung der Haushalte mit ein.

Was ist  das Schönste an deiner Arbeit?

Dass sich nach 30 Jahren endlich zeigt, dass es Sinn gemacht hat sich ins Zeug zu legen. Am besten gelungen ist, die Nachfrage nach Reparaturdienstleistungen deutlich zu erhöhen. Wie wir begonnen haben, gab es kaum unabhängige Reparateure. Ich habe Marktversagen festgestellt und die seriöse Reparaturdienstleistung neu erfunden. Ein Jahr später wurde das ReparaturNetzWerk Wien gegründet. Eine eigene Erfolgsstory: Heute haben wir über 80 Mitgliedsbetriebe. Auf der Bundesebene gibt es RepaNet Österreich. Heute kommen die Wutbürger zu uns ins Reparaturcafe und lernen selbst reparieren. Das ist für mich ein Riesenerfolg. Die Kultur des Reparierens war ja schon am Zentralfriedhof gelandet – das ist der Verlust einer ganz wesentlichen Kulturtechnik.

Worauf verzichtest du, um deine Leidenschaft ausleben zu können?

Auf neue Elektrogeräte. Mein Handy ist 15 Jahre alt, meine Waschmaschine 35 Jahre. Ich bin ein intelligenter Konsument und kein Konsumtrottel.

Was würdest du tun, wenn es das R.U.S.Z  nicht geben würde?

Ich würde es neu erfinden

Wohin wird dich deine Arbeit noch bringen?

Das R.U.S.Z. ist seit kurzem zukunftsfähig aufgestellt. Da suche ich nun zwei bis drei Personen als Nachfolger.

Du wirst in eineinhalb Jahren in Pension gehen. Wirst du das überhaupt aushalten?

Ich bin jetzt schon eine Stunde jeden Vormittag mit unserem Hund unterwegs – das ist Gold Wert. Diese Lebensqualität will ich noch erhöhen. Solange es nicht kontraproduktiv wirkt will ich das Gesicht des R.U.S.Z bleiben, Medienkampagnen machen und auf EU Ebene weiter arbeiten. Am meisten freut es mich, den Lobbyisten zu zeigen, dass sie keine Ahnung haben. Es könnte auch Sinn machen, in den EU-Rat hinein zu wollen. Aber jetzt ist auch in Österreich viel möglich. Wir haben einen vernünftigen Bundeskanzler. Mit ihm können wir eine Gesprächsbasis schaffen.

Was sagen deine Freunde, deine Familie zu deinem Engagement?

Meine Familie hat es hingenommen, dass ich wenig da bin. Mir ist meine Mission so wichtig, dass ich Unstimmigkeiten in Kauf nehme. Ich lasse mich nicht vom Weg abbringen, weder von Lobbyisten noch von meiner Frau. Alle anderen sind begeistert. Im wesentlichen ist es so, dass die Erzfeinde von einst langsam einsehen, dass sie keine Chance haben. Die ablehnende Fassade bröckelt. Die Vertreter der Industrie leugnen immer noch, dass es Obsoleszenz (geplante und verfrühte Ablaufdauer von Gütern, Anm. der Red.) gibt, aber sie gestehen immerhin ein, dass es „optimierte Gebrauchsdauer “ gibt. 

Obsoleszenz ist ja eigentlich ein Systemfehler einer Wirtschaft, die wachsen muss, um erfolgreich zu sein. Was ist dein Lösungsvorschlag?

Ich bin nicht gegen den Kapitalismus. Er ist das richtige Wirtschaftssystem in Zeiten des Mangels. Aber in dem Moment, wo Sättigung eintritt weicht die Nachfrageorientierung der Angebotsorientierung. Alle Produzenten und Händler versuchen den KundInnen unnötige oder kurzlebige Produkte reinzudrücken. Da eine Postwachstumsökonomie politisch nicht durchsetzbar ist braucht es im ersten Schritt die Circular Economy (Kreislaufwirtschaft). So können wir noch eine Weile dem Wachstumsfetisch frönen, aber der Einsatz der nichtregenerativen, primären Rohstoffe ist wenigstens von diesem Wachstum abgekoppelt. Danach müssen wir überlegen wie wir zu mehr Suffizienz kommen: Wie komme ich mit weniger aus und bin glücklich? Mietmodelle, Sharing Economy, Transition Towns, neue Waschsalons als Begegnungsstätten – vieles davon ist bereits im Entstehen.

Viele praktische Tipps für unsere LeserInnen finden sich in deinem neuen Buch „Konsumtrottel“. Was ist der wichtigste Tipp für LEBENSART - LeserInnen?

Wenn Sie noch eine funktionierende Waschmaschine haben – tauschen Sie sie nicht ohne Not. Lassen Sie sie reparieren – sie wird noch lange halten. Die Neuen kann man nicht mehr wirtschaftlich reparieren. Und wie bei der Waschmaschine ist es auch bei allen anderen Geräten.

Autorin: Roswitha M. Reisinger

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