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Heizen in der Stadt

Wenn 2040 kein fossiles Erdgas mehr durch die Leitungen fließen darf, muss sich jetzt schon vieles ändern. Denn 19 Jahre sind kürzer als gedacht. Was sind die Alternativen? Wer ist für den Umstieg verantwortlich?

Die Fassade von zwei Häusern in Wien. Eine ist frisch gestrichen beige, die andere vergilbt und verschmutzt.
Foto: Nikada, iStock

Grundsätzlich ist es möglich, sogenanntes „grünes Gas“ aus Biomasse und Strom herzustellen. Und man könnte meinen: Das war es mit dem Umstieg. Wir wechseln einfach von „fossil“ auf „grün“ und belassen alles gleich. Alle Leitungen, alle Endgeräte, alle Konzepte. Leider ist es nicht so einfach. Denn laut einer Studie der Austrian Energy Agency wird aus österreichischer Produktion kein grünes Gas für Gebäudeheizungen übrigbleiben, da grünes Gas vor allem für industrielle Prozesse benötigt wird. Für Gebäudeheizungen brauchen wir daher andere Lösungen.

Alternativen zu fossilem Gas in der Stadt

Einige Alternativen, die im ländlichen Gebiet gut funktionieren, wie etwa Biomasse (Pellets oder Hackschnitzel), sind für die Stadt nur eingeschränkt anwendbar. Im dichtverbauten Gebiet ist meist wenig Platz für die benötigten Brennstofflager und die Anlieferung per LKW erweist sich oft als schwierig.

In zahlreichen Städten gibt es Fern- oder Nahwärmenetze. Ein großer Teil der Fernwärme – insbesondere in größeren Städten wie Wien, Linz oder Salzburg – stammt aber aus fossilen Quellen. Das Angebot an erneuerbarer Fernwärme wird in Zukunft davon abhängen, in welchem Ausmaß in den Städten Biomasseheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung errichtet werden können, um den Strombedarf im Winter zu decken.

Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Tiefen-Geothermie aus einigen tausend Metern Tiefe als zukünftige Wärmequelle. Inwieweit es im Umkreis von Wien und anderen Städten Tiefen-Geothermie zur Einspeisung von Wärme in das Fernwärmenetz gibt, wird derzeit im Projekt „Geotief“ untersucht, einem Projekt von Wien Energie gemeinsam mit AIT, Geologische Bundesanstalt, Geo5, Heinemann Oil (HOL), Montanuniversität Leoben OMV, RAG Austria AG, Universität Wien, Universität Salzburg und Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Dort, wo Biomasse nicht möglich und Fernwärme nicht verfügbar ist, wird die Wärmepumpe zur Heizung der Häuser einen wichtigen Platz einnehmen. Für die Nachhaltigkeit ausschlaggebend ist, dass Wärmepumpen effizient arbeiten. Das heißt, dass möglichst wenig Strom für den Betrieb der Wärmepumpe benötigt wird. Systeme mit Erdwärmesonden, die im Sommer wieder regeneriert werden, können mit 1 kWh Strom bereits 6 kWh Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen und sind somit sehr energieeffizient.

Grundwasserwärmepumpen sind in Städten, wo Grundwasser genutzt werden kann, eine kostengünstige und einfache Heizform. Luftwärmepumpen hingegen sind bei niedrigen Lufttemperaturen nicht mehr effizient und benötigen gerade dann viel Strom, wenn bereits ein sehr hoher Strombedarf besteht. In der Stadt ist die Lärmentwicklung der außenliegenden Lüfter immer wieder eine Herausforderung bei der Planung, sodass Luftwärmepumpen in der Stadt schnell an ihre Grenzen stoßen.

Ein schön begrünter Innenhof.
Das Pilotprojekt „Smart Block Geblergasse“ nach der Wiederherstellung des Innenhofs, unter dem sich die Erdwärmesonden befinden. Foto: Lisi Zeininger

Wer ist zuständig für eine neue Heizanlage?

Für die Investition in neue Heizanlagen sind in der Regel die Hauseigentümer*innen verantwortlich. Und sie sollten spätestens jetzt reagieren: Erdgaskessel haben üblicherweise eine Lebenszeit von 20 Jahren. Wer also jetzt noch neue Erdgaskessel einbaut, muss in 19 Jahren, wenn die Frist für fossiles Erdgas abgelaufen ist, einen noch funktionstüchtigen Erdgaskessel austauschen.

Das sind die Voraussetzungen für ein Wärmepumpensystem

Wärme, wie etwa die natürliche Wärme des Erdbodens, Grundwasser, die Außenluft oder die Abwärme aus Klimaanlagen, die an sich nicht warm genug ist, um direkt mit ihr zu heizen, kann über eine Wärmepumpe dennoch zum Heizen oder zur Erzeugung von Warmwasser verwendet werden. Man nennt diese Wärme Anergie.

Für eine effiziente und nachhaltige Wärmepumpenheizung braucht es bestimmte Voraussetzungen: So muss etwa eine zentrale Wärmeversorgung des Hauses, d. h. Wärme-Steigleitungen zu den Wohnungen, vorhanden sein oder geschaffen werden. Außerdem müssen die Wärmeabgabesysteme in den Wohnungen eine niedere Vorlauftemperatur aufweisen, idealerweise zwischen 45 und 50 Grad Celsius. Idealerweise kommt eine Fußboden-, Wand- oder Deckenheizung zum Einsatz. Ist dies nicht möglich, können die Heizkörper durch Niedertemperaturheizkörper ersetzt werden oder bestehende Heizkörper nachgerüstet werden. Außerdem sollte das Gebäude vor der Errichtung der neuen Heizanlage so gut wie möglich thermisch saniert werden. Darüber hinaus müssen ausreichend Wärmequellen wie Erdwärmesonden, Grundwasser, Solarenergie oder Abwärme (z. B. aus der Kühlung) vorhanden sein. Schließen sich mehrere Gebäude bei der Wärmeversorgung zu einem Verbund zusammen, können die Wärmequellen und Wärmespeicher gemeinsam genutzt und etwaige Wärmeüberschüsse für benachbarte Häuser verwendet werden. In diesem Fall spricht man dann von einem Anergienetz.

Zahlt sich das aus? Der Kostenvergleich zwischen Wärmepumpen- und Erdgasheizungen

Genau dieser Frage ist die ÖGUT, die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, im Rahmen eines Forschungsprojekts nachgegangen. Dabei wurden Gründerzeithäuser bei der Umstellung der Heizung von Erdgas auf Wärmepumpe mit Erdwärmesonden begleitet. Das nachhaltig sanierte Gebäude in der Wiener Geblergasse (17. Bezirk) kann nun CO2-neutral betrieben werden und wurde 2021 sogar mit dem Wiener Stadterneuerungspreis ausgezeichnet.

Vor der Sanierung wurden die Vollkosten einer Erdgas-Hauszentralheizung mit jenen einer Wärmepumpe mit Erdwärmesonden und Solarenergie miteinander verglichen. Die Gesamtkosten für die Beheizung (Raumheizung und Warmwasser) in einem Zeitraum von 20 Jahren liegen sowohl bei Erdgas als auch bei der Wärmepumpe mit regenerierten Erdwärmesonden bei rund 9 Euro pro Quadratmeter pro Jahr.

Wer soll das bezahlen?

Wärmepumpenheizungen kosten bei der Anfangsinvestition mehr als eine Erdgasheizung. Durch den niedrigen Energieverbrauch sind sie aber bei den jährlichen Betriebskosten wesentlich günstiger als Erdgas. In Mietshäusern müssen gemäß österreichischem Mietrechtsgesetz die Investitionskosten in die Heizung von den Vermieter*innen, die Betriebskosten von den Mieter*innen getragen werden. In der Vergangenheit hatte dies zur Folge, dass die Vermieter*innen zu der für sie günstigeren Variante der Erdgasheizung tendiert haben, wenngleich diese für die Mieter*innen teurer kommt. Eine Möglichkeit, die Kosten fair zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen aufzuteilen, bietet das Wärme-Liefercontracting.

Grafiken zum Kostenvergleich Erdgas vs. Geothermie/Solar/Wärmepumpe (10,2 vs. 8,9 Euro pro m2 für Heizung, Warmwasser und moderate Kühlung) und verschiedener Heizsysteme in sanierten Gebäuden.
Grafik: liga.co.at

Wärme-Liefercontracting: die Kosten Aufteilen

Sollen ein oder mehrere Gebäude mit einem Wärmepumpen-Heizsystem ausgestattet werden, kann die Heizanlage entweder selbst oder über „Liefercontracting“ durch ein externes Unternehmen errichtet und betrieben werden. Der Contractor finanziert, errichtet und betreibt die Wärmepumpen-Geothermie-Solaranlage und verkauft der Liegenschaft – ähnlich wie bei der Fernwärme – die Wärme zu einem bestimmen Preis und für eine vereinbarte Vertragslaufzeit. Die Heizanlage bleibt dabei bis zum Ablauf der Vertragslaufzeit im Eigentum des Contractors.

Gemeinsam ist es einfacher und billiger

Schließen sich mehrere Gebäude bei der Wärmeversorgung zu einem Verbund, also zu einem sogenannten Anergienetz, zusammen, können die Wärmequellen und Wärmespeicher gemeinsam genutzt und etwaige Wärmeüberschüsse für benachbarte Häuser verwendet werden. Die Anlagenteile werden dabei mit einer einfachen Rohrleitung miteinander verbunden, durch die Wasser mit einer Temperatur von 4 bis 25 Grad Celsius fließt. Das Wasser transportiert die Anergie und kann mit Hilfe der Wärmepumpe zum Heizen oder zum Kühlen verwendet werden. Die Wärme wird dabei mit Erdwärmesonden gespeichert. Die Anergienetze werden so dimensioniert, dass im Sommer die gleiche Menge an Wärme dem Boden zugeführt wie im Winter entnommen wird. Die Jahresdurchschnittstemperatur des Bodens bleibt somit unverändert.

Wenn das alle machen – geht das überhaupt?

Dieser berechtigten Frage ist die ÖGUT gemeinsam mit der TU Wien, der Geologischen Bundesanstalt und dem Architekturbüro zeininger architekten im Projekt AnergieUrban Stufe 1 nachgegangen. In zwei Testgebieten in Wien wurde untersucht, ob genug Platz für Erdwärmesonden und genug Wärmequellen zur jährlichen Regeneration der Sonden auch in der der dicht bebauten Stadt vorhanden sind, um ganze Stadtteile mit Anergienetzen zu versorgen.

Das Ergebnis: Auch in sehr dicht bebauten Stadtteilen wie z. B. dem Gebiet um den Brunnenmarkt im 16. Wiener Bezirk ist eine Wärmeversorgung (Heizung und Warmwasser) aller Gebäude durch Anergie möglich. Dabei können die Flächen der Innenhöfe und die Straßenflächen für Erdwärmesonden verwendet werden.

Derzeit arbeitet das Projektteam bereit an dem neuen Projekt „Anergie Urban Leuchttürme“, bei dem Liegenschaftseigentümer unterstützt werden, Startzellen für Anergienetze aufzubauen.

Die Umsetzung des Projektes wurde vom Architekturbüro zeininger architekten geleitet, die Heizanlage wurde von einem Contractor, der Firma beyond carbon energy errichtet, die Haustechnikplanung in der Forschungsphase erfolgte durch das Haustechnikbüro Käferhaus.

Ausblick: Meilensteine bei der Ablöse von Erdgasheizungen

In Deutschland wurde Anfang 2021 eine CO2-Abgabe eingeführt. Diese liegt derzeit bei 25 Euro pro Tonne und wird bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne erhöht. Für eine durchschnittliche mit Erdgas beheizte Wohnung (Heizung und Warmwasser) bedeutet das Mehrkosten von ca. 100 Euro pro Jahr. Die deutsche Bundesregierung hat sich Mitte Mai 2021 darauf geeinigt, dass 50 Prozent dieser Mehrkosten von den Vermieter*innen bezahlt werden müssen.

Auf Ebene der EU wird intensiv über eine EU-weite CO2-Steuer diskutiert, im März 2021 fasste das EU-Parlament eine Entschließung für ein CO2-Grenzausgleichssystem. Damit sollen bestimmte Importe aus Ländern mit geringeren Klimaschutzstandards mit einer CO2-Abgabe versehen werden. Aus heutiger Sicht ist die Umsetzung einer CO2-Abgabe in Österreich sehr wahrscheinlich. Damit werden nachhaltige Heizsysteme nicht nur aus Sicht der Umwelt, sondern auch aufgrund der Kosten attraktiv.

Weblinks
Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT)
zeininger architekten
beyond carbon energy
Haustechnikbüro Käferhaus

Gerhard Bayer

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