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"Erfolg ist so einfach"

Das Waldviertler Unternehmen Sonnentor feiert. Firmengründer Johannes Gutmann erzählt  über Herausforderungen, Glück und einfache Modelle auf dem Weg zum Erfolg.

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Foto: Sonnentor Sonnentor

1988 hast du den Sonnentor Kräuterhandel gegründet. Wie ist es dir heute, genau vor 25 Jahren, gegangen? Was hat dich dazu motiviert?

Jetzt ist Ende Juni. Da hatte ich eben den Entschluss gefasst, mich selbständig zu machen. Kurz davor, im März, da ist es mir dreckig gegangen. Ich bin von meiner ehemaligen Firma rausgeschmissen worden – mit dem Satz: ‚Es geht ohne dich genauso gut.‘ Ich wollte damals meine Arbeit - den Verkauf von landwirtschaftlichen Sonderkulturen -  selbsttragend gestalten, also meine Arbeitskraft, die vom Land NÖ gefördert war, selbst finanzieren. An meiner Stelle sind vier Leute eingestellt worden, die wieder gefördert wurden. Keine Chance zu bekommen, etwas auszuprobieren war sicher die tiefste emotionelle Verletzung in meinem Leben. Andererseits war es für mich auch größte Antriebsfeder. Danke lieber Gott, dass ich diese Watschen bekommen habe, dass ich mich nicht so schnell ducken habe können und sie voll abgefangen habe, dass ich auf dem Bauch gelegen bin – aber erst das hat mich stark gemacht, in meiner Eigenständigkeit aufzustehen und den eigenen Weg einzuschlagen.

Was hast du daraus gelernt?

Meine wichtigste Lehre war, als Chef nie so zu handeln. In tausenden Unternehmen entstehen Konkurrenzsituationen, werden die besten Mitarbeiter gekündigt, ob aus Eifersucht, aus Machtgelüsten oder irgendwelchen anderen Gründen. Die Chefs werfen ihre besten Leute raus, weil sie Angst vor ihnen haben. Sie trennen sich dabei von ihren glühendsten und brennendsten Mitarbeitern. Und dann sind sie überrascht, dass der Ballon nicht mehr so hoch fliegt, weil unten der Bunsenbrenner nicht mehr so gut brennt, weil die stärkste Flamme fehlt.

Was waren deine ersten Schritte?

Zuerst habe ich mir überlegt, was brauche ich im Monat, was muss ich verdienen, was ist mein unterstes Level und was sind die nächsten Schritte – und das habe ich sofort gewusst. In einem Tag habe ich meinen sogenannten „Businessplan“ zusammengeschrieben. Der hat auf einen Zettel Platz gehabt. Ich habe genau gewusst, zu welchen Bauern ich gehe und denen habe ich ein so einfaches Erfolgskonzept vorgestellt, dass die gesagt haben: ‚ Natürlich machen wir da mit. Wir wissen eh nicht, wie es weiter geht‘.

Wie hat das Konzept konkret ausgesehen?

Ich habe ihnen gesagt, ich kann euch keine ganze Ernte auf einmal abkaufen und mitnehmen. Aber ich werde alles verkaufen. Ich lasse euch eure Kräuter auf eurem Dachboden da oben, ihr könnt sie jeden Tag besuchen. Ich bringe euch Verpackungsmaterial, ich bringe euch Rezepturen und Ideen für Kräuterteemischungen und ihr verpackt alles daheim am Hof. Zuerst haben sie geschaut, weil das ganz neu war. Ich haben nur gesagt: Liebe Leute, ich mach wöchentliche Bestellungen, hier habt ihr das Verpackungsmaterial, ich hole alles ab. Ob ihr das jetzt schnell einpackt, ob die Großmutter mithilft, wie ihr das organisiert ist mit egal. Das ist eure Geschichte, ihr seid komplett eigenständig. Ich möchte, dass ihr so eigenständig werdet, wie ich auch jetzt bin und damit frei in eurer Entscheidung. ‚Ist er nett zu uns, packen wir es rechtzeitig ab und er wird langfristig eine gute Ware bekommen. Ist er grauslich zu uns und hält sich nicht an sein Wort, bekommt er nichts oder wir lesen ihm die Leviten‘. Es hätte ja auch sein können, dass ich das nicht zusammenbringe, was ich da verspreche, aber ich habe gewusst, das kann ich mir zutrauen und wenn ich das mache, kann ich davon leben.


Wir haben einen Preis vereinbart – und zwar das Doppelte im Vergleich zu dem, was die Bauern vorher bekommen haben. Das war Motivation pur, denn einen Bauern kannst du nur über den Geldbeutel und mit Verlässlichkeit motivieren. Du musst dir das Vertrauen hart erarbeiten. Sie arbeiten ja auch hart auf ihren Feldern, sie arbeiten gut und gerne. Ich halte auf der anderen Seite auch meine Verpflichtungen ein.


Ich habe schon im ersten Jahr davon leben können und 100.000 Euro umgesetzt – auf Bauernmärkten, auf Messen. Auf den Märkten habe ich mehr gelernt als auf der Wirtschaftsuni. Dort lernst du auswendig, auf den Bauernmärkten habe ich es inwendig gelernt. Ich habe die Leute gefragt, was sie wollen und wie sie es gerne hätten. Ich habe den Leuten erzählt, wo die Kräuter her ist, wer dahinter steht und sie waren begeistert. Wow, es geht ganz einfach!

Was war entscheidend?

Entscheidend war die klare, einfache Sprache. Die Leute am Bauernmarkt wollen nichts anderes hören als authentische und einfache Geschichten. Keep it clear and simple, wie es so schön im Marketinglehrbuch steht. Der zweite Faktor war natürlich die Produktqualität. Ich habe genau gewusst, dass das, was wir verkaufen einzigartig ist. Diese ganz einfachen Kräutertees, die gut schmecken, schonend getrocknet sind und aus biologischem Anbau stammen. Da ist kein Gift drin, keine Chemie. Das schmeckst du, da kannst du dahinter stehen, da kannst du ein gutes Gewissen haben. Da gibt es Leute sie mir sagen ‚seit 25 Jahren kaufe ich dein Zeug, und du hast mich noch nie enttäuscht.‘ Das ist das Allerschönste. Ich möchte niemanden enttäuschen, weil ich selbst so enttäuscht worden bin. Wenn du das einmal in der eigenen Haut spürst, weißt du, wie du es bei anderen nicht machen möchtest. Und wenn sich jemand beschwert, weil ihm ein Tee nicht schmeckt, dann schicken wir ihm etwas anderes und entschuldigen uns, dass wir seine geschmacklichen Vorstellungen nicht erfüllt haben. Aber wir lassen ihn nicht in der Enttäuschung zurück.

Und dann hat mir auch noch meine Lederhose maßgeblich geholfen und das authentische, direkte Zugehen auf die Menschen. Ich habe die Leute so angesprochen, wie ich das auch selbst gerne gehabt hätte. Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück. Dieses ganz einfache, direkte, bäuerliche, die Sprücherl und Weisheiten, die Philosophie, die ich in die Produkte mit hineingepackt habe. Alles, was Sehnsüchte getroffen und erfüllt hat von den Leuten, mit denen ich geredet habe.
Und das geht überall, ob ich ein Buch schreibe, eine Zeitung mache oder ein Auto verkaufe – es gibt immer und überall ganz solide und ehrliche Leute, die immer Erfolg haben werden. Wenn sie gierig werden, dann werden sie auf die Pappn fallen, schneller als sie glauben.

Gibt es auch Glücksfälle auf deinem Weg, die du nicht selbst beeinflussen konntest, wo dir etwas geschenkt wurde?

Ja, unentwegt. Es ist unglaublich, was mir alles zugefallen ist, wenn ich plötzlich erkannt habe, da liegt er vor mir, ein Klumpen Gold und keiner greift ihn an, weil alle meinen, es sei ein Patzen Dreck. Ich hebe das auf, kann es kaum heben, weil es so schwer ist, putze den Lurch weg und erkenne das Gold dahinter.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Zum Beispiel habe ich ganz am Anfang erkannt, dass auf den Bauernhöfen auch noch die alte Generation lebt, die mit Begeisterung mitarbeiten will. Somit konnte ich ein sehr zeit- und kostensparendes System entwickeln – ich hätte mir ja nie einen Mitarbeiter leisten können. Die Großmütter hatten Zeit und haben sich darüber gefreut, dass sie plötzlich einpacken durften. Mit diesem System haben wir viele Arbeitsplätze geschaffen. Bei 150 Bauernhöfen in Österreich sind das  gemeinsam 600 Arbeitsplätze.
Das zweite ist der alte Bauernhof in Sprögnitz mit 8.000 m² Wiese dabei, den ich gekauft habe. Für die anderen waren das ein Haufen alter Steine und Klumpert. Mein Vater hat zu mir gesagt, ‚Bua, du bist a Trottl, was kaufst du da?‘ Natürlich hat er es nicht so gemeint, aber die erste Empfindung von außen war: Du hast einen patzen Dreck gekauft, viel zu teuer. Einen Grund in Zwettl hätte ich mir nie und nimmer leisten können. Das Ding hat 33.000 Euro gekostet. Ich habe erkannt, ich kann nur auf Ruinen aufbauen. Auf Ruinen, wo früher schon ganz, ganz viele gelebt und gewirtschaftet haben. Ich konnte damit eine Geschichte übernehmen und Werte, die andere nicht gesehen haben. Immer wieder auf Plätze zu kommen, wo andere sagen, da wächst nichts. Die alten Steine haben mir dazu geholfen, dass ich mir im Vergleich zu Zwettl 470.000 Euro erspart habe. Ich sehe das als Geschenk und nicht die Arbeit, die ich mir damit gekauft habe. Die anderen haben nur die Arbeit und den Dreck gesehen. Jedes Ding hat immer verschiedene Seiten, von denen du es betrachten kannst.


Das dritte war in Tschechien. Dort habe ich den Thomas kennengelernt. Er hat einen Vogel und ich habe einen Vogel und die Vögel passen zusammen, legen miteinander Eier und bringen Junge auf die Welt. 1992 haben wir die Firma in Tschechien gegründet. Binnen zwei Wochen haben wir einen Gesellschaftervertrag gehabt. Das ganze hat mich 1.000 Euro gekostet und wir haben das Ding einfach durchgezogen. Auch Thomas konnte von Anfang an vom Tagesgeschäft leben, das war mein Ziel. Wenn wir die Firma in Tschechien nicht hätten, hätten wir heute 40% unserer Mitarbeiter nicht. Heute haben wir in Tschechien 80 Mitarbeiter, aus dem Nichts, und darauf bin ich sehr stolz.


Auch da haben sich alle wieder ihre Mäuler zerrissen: ‚Eh klar, billig anbauen, billig, billig, ausbeuten, machst es so wie alle anderen auch‘. Ich hatte niemals vor aus Sprögnitz wegzugehen. Ganz im Gegenteil. Wir sahen in Tschechien einen riesigen Markt heranwachsen, der irgendwann einmal in der EU sein wird. Wir haben frühzeitig gewusst, wie dort der Markt tickt und hatten einen Fuß in Polen, der Slowakei, Ungern, in den baltischen Staaten. Heute machen wir in Tschechien über 6 Millionen Euro Umsatz. Super! Ein Traum, dass uns das gelungen ist.

Welche Weisheiten würdest du anderen UnternehmerInnen ganz besonders in die Wiege legen?

Ich kann jedem nur empfehlen, wenn du wirklich für etwas brennst, es dir unselbständig schlecht geht, mach dich selbständig. Mehr, als dass du dir die Nase anrennst passiert nicht. Es geht uns in Österreich so gut, dass wir auch in einer kurzfristigen Arbeitslosigkeit, wie ich sie auch erlebt habe, relativ gut abgesichert sind. Wovor haben wir Angst? Wir brauchen keine Angst haben. Es wird mehr als gesorgt für uns.


Weil die Angst in Österreich Flügel hat und Vertrauen aufbauen heißt, du musst Arbeitshandschuhe anziehen. Versagen und einen Konkurs bauen ist ja bei uns ein Makel, da bist du ja gleich geteert und gefedert bis an dein Lebensende. In Amerika ist es gang und gebe, da heißt es sogar, du musst einmal Konkurs bauen, du musst einmal in den Dreck greifen, damit du daraus lernst, um dann beim 2. Mal erfolgreich zu werden.


Wenn ich jedoch ein riesiges Auto brauche und nur Statussymbolen nachrenne, die übermorgen nichts mehr wert sind, bin ich selber Schuld. Dann soll ich lieber Manager werden und schauen, dass die Boni mir gehören und die Schulden, die ich mache, dem Staat gehören.


Das zweite ist, sich auf den Weg zu machen, immer wieder neugierig sein und über den nächsten Feldrand zu schauen, nicht zuhause zu sitzen und zu jammern –  es geht nichts, es kommt keiner, es findet mich keiner. Warum gehen so viele Jungunternehmer, die ein Geschäft aufmachen, pleite? Weil sie sich den falschen Standort aussuchen und glauben, wenn sie aufsperren werden ihnen die Leute die Tür einrennen. Das passiert nicht. Du brauchst einen langen Atem, du musst deine eigene Marke sein. Wer im Einzelhandel nicht drei Jahre Überbrückungsgeld und auch –zeit hat, muss sich warm anziehen.
Ich glaube, dass die heutige Zeit total spannend ist und viele Möglichkeiten bietet, vor allem im Bereich der Dienstleistungen oder mit den neuen Medien. Und wenn ich weiß, ich kann’s, ich bin ungebunden am Standort und habe ein Alleinstellungsmerkmal - die einzigartige Idee habe oder einen einzigartigen Vogel, den alle sehen wollen - der wird viel Spaß haben. Wenn ich allerdings etwas mache, was 100.000 andere auch schon machen, also ausgetrampelte Pfade gehe, wird es nicht funktionieren.

Was ist mit deinen Niederlagen?

Wir haben im Laufe unserer Geschichte auch immer wieder versagt und daraus sehr viel gelernt. Unsere Franchise-Geschichte ist mit einer tiefen Niederlage gestartet: Im Museumsquartier in Wien mussten wir wieder zusperren und haben viel Geld verloren. Ich habe das dann aufgrund der nächsten Chance, des Verbesserns des Systems, des Änderns des Standortes alles wieder verdient und wettmachen können. Und heute - das musst du dir ja auf der Zunge zergehen lassen – tritt eine Bank mit einem Topstandort an uns heran und will uns die Fläche vermieten. Es gibt so viele Momente, wo das Glück an der Tür anklopft und der Herr oder die Frau Angst macht die Tür nicht auf, weil da könnte der Wolf draußen sein.

Du bist lange als Spinner verlacht worden und warst dann plötzlich der Vorzeigeunternehmer. Was hat diese Wende ausgelöst?

Ich glaube, dass ist jetzt in den letzten fünf Jahren passiert – mit dem Aufkommen der Krisen. Da haben die Leute gemerkt, dass wir ziemlich konstant sind. Wieso hat der nie die Krise? Bei uns hat es tatsächlich ein stetig gleichbleibendes Wachstum ohne einen signifikanten Hacker gegeben. Natürlich rüttelt und schüttelt es immer wieder am Baum und wir haben auch ein paar Blätter fallen lassen und einige Äste zurückgeschnitten, wenn wir gemerkt haben, dass sie nichts tragen. Nur ein guter Baum, den man zurückschneidet, der trägt Früchte.

Was ist das coolste an deinem Job?

Den Leuten zu sagen, ich habe etwas gemacht, was du auch kannst: Mit Leuten reden, das, was man vereinbart hat, halten, und wenn ich etwas nicht dann einfach sagen: He, das kann ich nicht. Aber die meisten müssen sagen: ja, das kann ich alles, ich bin ein Blender, muss morgen schneller sein wie das, was ich heute versprochen habe, bin 100.000 Mal erreichbar, das ganze Universum dreht sich um mich, ich bin das Wichtigste. Wir sind alle unwichtig. Das zu erkennen, dass man eigentlich ein Schas im Wald ist, das ist das coolste.

Was ist das schwierigste?

Das schwierigste ist, nein sagen zu lernen. Ich habe mir vorgenommen, alle Briefe und Mails zu beantworten. Und wenn ich nicht dazukomme, dann liegt das ein halbes Jahr. Aber irgendwann schicke ich eine Antwort.

Dass Menschen gut leben können ist Dir ganz besonders wichtig.

Es geht mir gut, deshalb möchte ich das für die anderen auch. Und die tragen dazu bei, dass es wieder anderen gut geht. Den Schneeballeffekt gibt es auch im positiven Sinn, wenn auch langsamer. Mein Vater hat immer gesagt: ‚Bergab geht es dreimal so schnell wie bergauf‘. Der Berg muss ja nicht so steil sein. Immer wieder wird Wachstum gefordert. Wir haben so viele Möglichkeiten dazu, in der Green Job Vision, in der Energieproduktion, in der Wirtschaft, wo wir anders arbeiten können und wieder Arbeitsplätze schaffen und nicht vernichten, wo wir etwas teilen können miteinander, wo nicht einer tausendmal so viel verdienen muss wie ein anderer. Das braucht der nicht. Das funktioniert bei uns, das funktioniert überall. Und es gibt Leute, die übernehmen gerne Verantwortung. Wir haben Manager bei SONNENTOR, die vorher doppelt soviel verdient haben und jetzt sagen: ‚Klass, danke! Ich habe die Lebensqualität wieder gefunden, ich habe die Freude wieder gefunden, ich habe einen Sinn gefunden im Leben und weiß jetzt, worum es geht‘. Und nicht: Mit wem sitze ich in der Nacht nach dem Zigarrenclub noch zusammen um über die nächste Milliarde Umsatz zu reden.


Wir arbeiten hier nicht, um schnell reich zu werden. Wir sind reich, aber nicht mit einem dicken Bankkonto, sondern reich an Erfahrungen, reich an Möglichkeiten, reich an Visionen, reich an Strategien.

Wie schaffst du das alles? Gehst du da nicht permanent an den Grenzen deiner Belastbarkeit entlang?

Der Körper sagt es einem dann schon. Ich habe in der letzten Zeit ziemlich über die Stränge geschlagen, mit vielen Vorträgen, also sollte ich etwas runter vom Gas. Aber der Körper verzeiht eh sehr vieles, vor allem dann, wenn mir mein Gefühl und meine Emotion genau das bestätigt, warum ich hier herumfahre, weil ich viele Menschen erreiche und ihnen sage: Versuche es einmal mit Menschlichkeit, mit Vertrauen, auf anderen Wegen, schau dir die Dinge von mehreren Seiten an. Ich erzähle ihnen von meinen Niederlagen und den Lehren, die wir daraus gezogen haben und von dem, wie wir es immer wieder in die gute Richtung gebracht haben.


Das ist fast so, als wenn ich den Auftrag hätte, in die Mission zu gehen und davon zu erzählen, dass man von einem guten, einfachen Leben glücklich werden kann, dass man damit eine Freude in der Arbeit bekommt und eine Freude in den Regionen erwecken kann. Wir sind mit den Füßen immer am Boden geblieben. Da bin ich meinen Eltern dankbar, weil sie mir das so vorgelebt haben. Was wir uns leisten können, das werden wir immer investieren, aus der eigenen Kraft. Und genau das bringt uns Freiheit und die Zukunft für unsere Mitarbeiter und unsere Bauern. Wir machen das für uns. Und wenn noch ein so ein dicker Generaldirektor oder Investor bei mir hereinkommt und mir ein paar Millionen auf den Tisch knallt, und sagt, ich kaufe dir die Hütte ab. Ich lache ihn aus und sage ‚Auf Wiedersehen! Machen Sie das woanders, aber nicht bei mir‘. Ich brauche das nicht.

Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft?

Den Menschen ist die Freude durch diese ganzen Krisen abhanden gekommen. Du brauchst ja nur schauen, was jeden Tag so liest in den Zeitungen oder hörst im Radio. Da geht es doch nur mehr um Milliarden und um Schulden. Eine Bank ist für mich ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen und sollte damit genauso in Konkurs gehen, wie jedes andere Unternehmen auch. Wenn ich dort deppert wirtschafte und ich nach wie vor Anleger habe, die ihr Geld dort hintragen, weil die Banker sagen, bei mir bekommst du mehr Zinsen, obwohl sie genau wissen, dass das nicht funktionieren kann, dann verlieren sie halt ihre Einlage. Das ist ganz normal. Wenn ich eine Scheibe einschlage, ist sie kaputt. Und da kann keiner kommen und sagen, die Scheibe gehört dem Staat, die hat halt jemand eingeschlagen, die richten wir wieder und die Kosten trägt die Allgemeinheit. Das geht nicht. Wir müssen wieder das Vertrauen in die Wirtschaft in jede Richtung bekommen. In das was ich reinstecke, in das, worauf ich langfristig vertrauen soll. Und das was nicht funktioniert, muss auch ganz normal niederbrechen können. Entstehen, blühen, vergehen – ein ganz normales Grundprinzip in der Natur. Es gibt so viel Geld auf dieser Welt, in Börsenspekulationen. Wenn das in die Realwirtschaft investiert werden würde - da gäbe es zig-Millionen neue Green Jobs. Hat aber keiner der Spekulanten Interesse daran.


Und dann schieben alle Schulden in die Zukunft. Was wir heute nicht zahlen, zahlt halt die nächste Generation. Wenn wir uns die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland anschauen – ja sind wir verrückt? Wer drei Jahre lang nicht keine Arbeit findet, der hat sich schon lange andere Netzwerke gefunden, der braucht das nicht mehr. Der lebt von irgendetwas und wird sich auch zukünftig nicht an unserem Wohlfahrtssystem beteiligen.


Zugleich sparen wir bei der Bildung. In die Bildung, in die Zukunft investieren wir 6 Mrd. Euro im Jahr, in die Vergangenheit, in den Pensionszuschuss zahlen wir 18 Mrd. Euro. Das kann sich nie ausgehen. Wenn wir die Zukunft vergessen wird uns die Zukunft vergessen. Und dann wundern wir uns wenn es heißt, Europa kann nicht mehr mithalten, wir werden überholt von China und Brasilien. Ist das unsere einzige Sorge, dass wir überholt werden? Und es ist auch kein Wunder, dass wir überholt werden, wenn wir nichts für die Zukunft ausgeben.


Und die Politik hechelt nur mehr von Wahl zu Wahl, gibt keine Perspektiven und keine Strategie vor und will nichts Maßgebliches für die Zukunft verändern, weil die Pfründe ja eh gesichert sind.

Das klingt resignierend?

Das ist es auch. Aber das Schönste ist: SONNENTOR hat sich davon entkoppelt. Wir machen Politik für uns. Ich bin schon ein paar Mal gefragt worden, ob ich nicht in die Politik gehen möchte. Wofür? Ich bin ja schon seit 25 Jahren in der Politik. Wir machen es ja für uns anders. Wir agieren ja. Deswegen haben wir bei uns im Dorf eine Pflanzenkläranlage initiiert und unsere eigene Energieversorgung, eine Breitbandanbindung, bauen jetzt ein eigenes Bio-Gasthaus eine eigene Kinderbetreuung und eine SONNENTOR Akademie mit vielen Seminaren über das einfach gute Leben. Wenn wir was brauchen für die Dorfgemeinschaft oder den Betrieb oder unsere Fans – wir machen es aus der Eigeninitiative, aus der eigenen Kraft, aus dem Cash Flow und nicht auf Schulden. Das funktioniert im Kleinen, also funktioniert es im Großen auch.


Alles was da rund um mich niederbricht sind ja Ruinen, auf denen ich wieder aufbauen kann. Ob das die Vision der Landwirtschaft ist, die es ja eigentlich schon nicht mehr gibt. Die Agrarindustrie, die da vorgebetet wird, die ganzen Förderungsgeschichten, die von der EU daherkommen. Das ist ja alles von Anfang an nicht stimmig und in sich schlüssig, sondern eine Schieflage. Und trotzdem wird das goldene Kalb weiterhin angebetet.

Was sind deine Visionen? Wie sollen die nächsten 25 Jahre aussehen?

Auch wir unterliegen bestimmten Bedrohungen, die international in unseren Großhandels-Vertriebsstrukturen stecken. Auch unsere Partner verändern sich. Dort zieht auch schön langsam das große Kapital ein das das Preisspiel wie im konventionellen Bereich in Gang setzt. Unsere Antwort sind die Franchise-Unternehmer, mit unserer eigenen, langfristigen Vertriebsstrategie.

Sind die aufstrebenden Märkte wie China keine Option für dich?

Das ist sicher ein Zukunftsmarkt, wo ich eigentlich nicht hingehen brauche, sondern warte, bis die zu mir kommen. Erstens haben wir vor unserer Haustüre noch so viel zu tun und zweitens bin ich überzeugt, dass die kommen werden. China ist auf dem besten Weg, die Natur so zu drangsalieren und ruinieren, bis sie draufkommen, dass man Geld nicht essen kann. Unser Weg hat unwahrscheinlich viele Perspektiven

Wenn du noch einmal zurückschaust, worauf bist du besonders stolz?

Das sind zuerst meine Kinder, meine Familie, meine jetzige Frau, die 100% mitzieht, die mit mir weint und lacht, die mich so toll ergänzt im Zusammenspiel unserer  Fähigkeiten. Auf das Erkennen einfacher Möglichkeiten, aber auch das Loslassen, wenn es nicht sein soll. Da bin ich dann wieder frei – wie ein Vogel im Wind. Wenn du merkst, da ist ein Auftrieb, dann fliegst du dort hin, und wenn du merkst, da zieht der Sog nach unten und du gehst trotzdem hin dann sag ich mir: ja wär’st halt nicht hingegangen.

Bist du ein Vorbild für junge Menschen?

Ich glaube schon, weil mir das in letzter Zeit immer wieder mitgeteilt wurde. Weil sich viele Leute bestätigt fühlen und eigentlich auch ermutigt fühlen, etwas selbst in die Hand zu nehmen. Und das ist auch für mich motivierend.

Was wird mit dem Alter besser, was wird schwieriger?

Mit dem älter werden wird vieles besser. Die eigene Wahrnehmung, man wird entspannter durch die Lebenserfahrung, man weiß, was man nicht mehr braucht – dass man mit einem kleinen Auto genauso ans Ziel kommt. Für mich wird das Leben runder. Es sind nicht mehr so viele Ecken und Kanten, weil schon vieles mit der Zeit abgeschliffen wurde. Und das tut mir gut. Ich bedaure auch, dass ich für meine großen Kinder viel zu wenig Zeit hatte. In der Pionierphase habe ich alles selber machen müssen und die Familie hintangestellt. Bei meiner kleinsten Tochter – sie wird im August drei Jahre alt - ist das jetzt anders. Ich habe mir einen Tag in der Woche frei genommen und bin jeden Mittwoch bei ihr zu Hause oder ich unternehme etwas mit ihr. Da ist nur sie wichtig, da bestimmt sie den Tag. Ich biete an und sie kann sich aussuchen, was wir tun – ob wir Geschichten vorlesen, oder Sand spielen, oder irgendwo hinfahren oder schwimmen gehen.

Die Anforderungen im Unternehmen haben sich aber auch verändert. Ich habe das Tagesgeschäft zu 99% aufgeteilt. Ich bin das Gesicht zur Marke, der Mensch, der im Vertrauen steht, ich bin der Garant, dass das, was wir aufgebaut haben auch weitergeht, ich bin der, der vieles zulässt und im Vertrauen das ganze wachsen lässt und seine Ideen einbringt. Bei der Vision und der Strategie bin ich mit dabei. Das Tagesgeschäft erledigen meine Mitarbeiter, denn dafür kommen sie ja und das dürfen sie auch, mit einem ganz, ganz hohen Maß an Vertrauen. Ich merke auch, wenn ich mich irgendwo einmische, dann störe ich. Das ist wirklich super! Das ist genau das, was ich bei meinem ehemaligen Arbeitgeber nicht erhalten habe.

Interview: Roswitha M. Reisinger, Christian Brandstätter