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Eisbaden: Die Kraft der Kälte

In eisig kaltem Wasser zu baden, erlebt in den vergangenen Jahren einen Aufschwung. Das Bad in der Kälte stärkt Körper und Geist – aber nur dann, wenn man sich vorsichtig herantastet.

Ein Mann taucht aus einem See. Die Leiter ist gefroren, im Wasser schwimmt Eis.
Foto: Mihtiander, iStock

Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich Karl Rittmannsberger nicht auf sein Rad schwingt und zum nahe gelegenen Bach fährt. Am Rücken trägt er einen Rucksack. Darin befinden sich ein Badetuch, Badeschlapfen und ein Pool-Thermometer. Sein Ziel ist eine abgelegene und tiefe Stelle des Baches. Dort angekommen geht der 60-Jährige ins Wasser. Er taucht unter und schwimmt eine Runde. Und das beinahe jeden Tag im Jahr. Denn der Mostviertler hat vor mehr als einem Jahr die Kraft der Kälte für sich entdeckt.

Glücksgefühl

Das Baden in eisiger Kälte erlebt eine Renaissance. Neu ist das Eisbaden nicht: Schon die Germanen badeten Neugeborene im kalten Wasser, Karl der Große soll ein begeisterter Winterschwimmer gewesen sein und auch Goethe hackte die eisig kalte Ilm zum Bad auf. Im 18. Jahrhundert wurde kaltes Wasser dann auch von Ärzten und Heilpraktikern zur Heilung eingesetzt. Der „Vater“ dieser Methode ist der Priester, Hydrotherapeut und Naturkundler Sebastian Kneipp. Er litt an Tuberkulose und behandelte seine Erkrankung selbst, indem er dreimal in der Woche in der Donau ein Eisbad nahm. Er wurde wieder völlig gesund. Im 21. Jahrhundert gehört das Eisbaden in manchen Ländern schon lange zur Tradition. In Russland und der Ukraine etwa. Das sogenannte Dreikönigsbaden am 6. Jänner ist unter anderem auch in Österreich Brauch. Nun kommt das Eisbaden in der breiten Masse an und erlebt auch in den sozialen Medien einen Hype. Warum erfreut es sich so großer Beliebtheit? Jeder Mensch, der regelmäßig eisbaden geht, kennt es: das euphorische Glücksgefühl danach. Durch die Kälte werden Adrenalin und Endorphine freigesetzt. Gleichzeitig ziehen sich die Hautgefäße durch das Eiswasser zusammen und das Blut zentralisiert im Körperkern. So wird die Körpertemperatur gehalten. Wenn man aus dem Wasser steigt, weiten sich die Gefäße wieder und der ganze Körper wird besser durchblutet. Das ist nicht nur ein gutes Training für die Gefäße, sondern führt auch zu einem wohligen Gefühl.

Ein Mann geht vom Ufer ins Wasser. Rundherum liegt Schnee.
Foto: David Ziegler, iStock

Minus 14 Grad

Langfristig gibt es noch weitere, positive Auswirkungen auf Körper und Psyche: Menschen, die im Eiswasser baden, werden widerstandsfähiger. Auch gegen Depressionen soll die Kaltwasseranwendung helfen. Durch das ausgeschüttete Adrenalin und die vermehrten Leukozyten im Körper wird das Immunsystem gestärkt, Stress reduziert und die Fettverbrennung angekurbelt.

Karl Rittmannsberger startete vor zwei Jahren mit kalten Duschen. Das hatte der passionierte Läufer bei Laufveranstaltungen bei anderen Sportlern nach dem Lauf beobachtet. Bei einem kurzen Kuraufenthalt in Bad Kreuzen lernt der Energiemanager das Kneippen kennen. Im Sommer vergangenen Jahres beginnt er schließlich, im nahe gelegenen Bach nach dem Sport baden zu gehen – „so wie damals als Kind“, sagt er. Als es Herbst wird und langsam kälter, radelt Karl Rittmannsberger immer noch täglich zum Bach. Im Oktober schwimmt er eine Runde im Leopoldsteiner See nahe des Erzberges – bei 10 Grad Celsius. Seine Begeisterung nimmt zu und er kauft sich ein Pool-Thermometer, um immer genau zu wissen, wie kalt das Wasser ist. Im Winter hat das Wasser tatsächlich null Grad – bei minus 14 Grad Außentemperatur. Einmal muss er sogar eine dünne Schicht Eis aufschlagen, um anschließend für ein paar Sekunden in das bitterkalte Wasser abzutauchen. Wenn Karl Rittmannsberger zum Bach fährt, ist der Ablauf immer gleich: Zuerst geht er ins Wasser, um sich abzukühlen. Danach macht am Ufer Atemübungen. Anschließend schwimmt er für einige Minuten, eher er aus dem Wasser geht und sich warm anzieht. Dass man das Eisbaden unbedingt mit der richtigen Atemübung kombinieren soll, hat er von Wim Hof gelernt.

Der Eismann

WIM-HOF-METHODE

Die Wim-Hof-Methode setzt sich aus einer speziellen Atemtechnik und Baden in kaltem Wasser zusammen.

Die richtige Atmung: Dreißig- bis vierzigmal tief und ohne Pause ein- und ausatmen. Anschließend die Luft eine Minute lang anhalten. Zu Beginn zweimal wiederholen, danach öfter.

Wenn man das Atmen gut trainiert hat, kann man sich ins kalte Wasser wagen. Währenddessen sollte man auf das Atmen achten und nicht in Schnappatmung verfallen.

Der Niederländer Wim Hof ist auch als „The Iceman“ bekannt. Der Extremsportler tauchte mit 17 Jahren das erste Mal ins kalte Wasser ab. Daraufhin badet er täglich kalt. Der heute 62-Jährige findet durch die Kälte eine Verbindung zwischen Körper und Geist und entwickelt im Laufe der Jahre die „Wim-Hof-Methode“. Kern der Methode ist eine Atemübung, die auf einer Meditation aus Tibet beruht (siehe Infobox). Wim Hof stellte im Laufe der Jahre etliche Rekorde in eisiger Kälte auf. Er besteigt den Kilimandscharo nur mit kurzen Hosen bekleidet, taucht in zugefrorenen Seen und stellt den Rekord im Eisbaden auf: nämlich eine Stunde, 52 Minuten und 42 Sekunden lang. Wie aber hält der Extremsportler das aus? Wim Hof selbst sagt, dass er sein autonomes Nervensystem steuern und so seine Körpertemperatur auf einem gleichen Level halten und auch Energie im Körper freisetzen kann.

Karl Rittmannsberger möchte nicht mehr auf sein regelmäßiges Bad im kalten Bach verzichten: „Ich kriege viel Energie durch das Schwimmen und fühle mich geistig so fit. Ich habe mehr Ideen im Job und bin körperlich in Form, nie krank und halte mein Gewicht. Für mich ist die Kälte einfach ein Lebenselixier.“

TIPPS FÜR DAS EISBADEN

Check vorab
Vor dem ersten Mal sollte man sich durchchecken lassen. Ein gesunder Kreislauf ist wichtig: Menschen, die unter Herz- oder Gefäßproblemen leiden, sollten nicht eisbaden. Die Kälte kann eine lebensgefährliche Gefäßverengung auslösen.

Gemeinsam baden
Man sollte nicht alleine baden gehen, sondern in der Gruppe oder zu zweit, da die Gefahr besteht, einen Kälteschock zu erleiden. Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck sollten darauf achten.

Herantasten
Einen guten Start findet man mit kühl duschen und gleichzeitig gleichmäßig ein- und ausatmen. Nach und nach kann man das Wasser kälter stellen. Dabei auf eine ruhige Atmung achten und diese kontrollieren lernen. Im Herbst ist der richtige Zeitpunkt für den Gang ins Freie: Dann kann man sich langsam an die sinkenden Wassertemperaturen im Freigewässer gewöhnen und sich an die Kälte herantasten.

Der perfekte Ort
Geeignet für das Eisbad sind ruhige Gewässer. Flüsse sind aufgrund ihrer Strömung zu gefährlich. Man sollte außerdem möglichst nahe am Ufer ins Wasser gehen.

Ausrüstung
Beim Baden sollte man seinen Kopf und die Haare schützen und eine Haube oder eine Badehaube tragen. Tauchen sollte man vermeiden, da über den Kopf sehr viel Wärme verloren geht. Auch Handschuhe oder Neoprensocken helfen dabei, Wärme im Körper zu halten.

Der richtige Start
Geht man langsam hinein und konzentriert sich auf eine ruhige, tiefe Atmung, so verlagert sich das Blut nicht so abrupt und man verhindert, dass einem die Luft wegbleibt. Keinesfalls ins kalte Wasser springen!

Badedauer und Achtsamkeit
Das Bad im kalten Wasser sollte nicht länger als fünf Minuten dauern – anschließend sofort warme Kleidung anziehen. Bei Außentemperaturen unter null Grad sollte man nur ein paar Sekunden im Wasser bleiben. Das Eisbad sollte man sofort abbrechen, wenn man das Gefühl hat, dass das Herz anfängt zu stolpern, wenn man schwer atmen muss oder etwas verwirrt ist. Auch wenn einem vermeintlich warm wird, sollte man das Bad beenden – dies ist ein Zeichen, dass man zu sehr ausgekühlt ist. Wichtig ist, sich nach dem Baden gut, aber langsam aufzuwärmen – also nicht sofort anschließend in die Sauna gehen. Auch von Sport nach dem Bad ist eher abzuraten.

Daniela Rittmannsberger

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