zum Inhalt springen

Batates - das süße Nichts

Wie schmecken Süßkartoffeln? Genussgrübeleien von Jürgen Schmücking

Für diese Grübelei habe ich mir ein Thema ausgesucht, das mir seit Jahren bereits gehörig auf die Nerven geht. Süßkartoffeln. Sie sind farbenfrohe Dauergäste in veganen Bio-Lifestyle-Magazinen und auf den Tellern von Hardcore-Naturköstlern und Bios der allerersten Stunde. Daheim und im Bio-Bistro. Dabei ist die pralle Farbenkraft, das strahlende Orange so ziemlich das einzige, das die Knolle zu bieten hat.

schmuecking_zeichnung
Jürgen Schmücking auf den Spuren des Genusses. Foto: Liga Jürgen Schmücking auf den Spuren des Genusses. Foto: Liga

Ihr kulinarischer Wert ist – wenn wir es wohlwollend formulieren – fragwürdig. Was ist also dran? In Rezepten wie „Süßkartoffel-Kichererbsen-Stampf mit Chorizo und Zwiebeln“ (hm), „Pfannengebratener Brokkoli mit Süßkartoffeln, Rosinen, Pinienkernen und Joghurtsauce“ (jössas) oder „Pizza mit Süßkartoffelcrème (jetzt bitte nicht lachen) könnte die Süßkartoffel problemlos ersetzt werden. Mehr noch, das Ergebnis würde, sensorisch betrachtet, deutlich gewinnen, würden hier verschiedene alte heimische Sorten zum Zug kommen.

Vielleicht ist es der Nährwert. Ehrenrettungshalber sei erwähnt, dass die Batate, wie sie auch heißt, als besonders gesund gilt. Da ist was dran. Wir sprechen von einem nicht gänzlich irrelevanten Anteil unterschiedlicher Stoffe: Karotinoide (vor allem Beta-Carotin), Zink, Kalium, Kalzium und Folsäure. Und Vitamin A. Nicht C, das ist konzentrierter in der stinknormalen Kartoffel enthalten. An dieser Stelle sei klargestellt, dass die eine mit der anderen eigentlich fast nur den Namen gemeinsam hat. Fakt ist, dass beide gesund sind. Welche der beiden Knollen gesünder ist, spaltet die bizarre Welt der Ernährungscoaches und Herdconsulter wie Ockhams Rasiermesser. Fakt ist auch, dass die Süßkartoffel um ein paar Gamm mehr Fett pro Kilo hat, als der Erpfi, was eigentlich dazu führen müsste, dass sie Batates schmackhafter sind. Aber irgendwie wird das nix. Geschmack und Süßkartoffel werden nie ein Paar werden.

Das Non-plus-ultra-no-go ist aber die Herkunft. Die Batates kommen aus Südamerika. Peru, wo sie auch Camote heißen, ist eines der wichtigsten Anbauländer. Wer sich ökologisch unbedenklicher mit dem Zeug eindecken will, sollte nach Portugal schauen. In Aljezur gibt es ein kleines Anbaugebiet, auf dem die Süßkartoffel der Sorte Lira seit 500 Jahren heimisch ist. Die blauschalige Batate ist eine Spur kleiner, heller und fester als ihre orangen Artgenossen. Aber auch sie schmeckt eher wenig aufregend.

Unverbesserliche, Beratungsresistente oder wer sonst jetzt immer noch Lust auf „Salat mit Rucola, Brokkoli, Süßkartoffeln, Roter Bete und Räucherlachs“ oder ähnliches hat, seien auf die Rezeptsammlung „Süßkartoffeln“ im Thorbecke Verlag verwiesen. Probieren Sie alles aus. Von mir aus machen Sie auch Fotos von Ihren Salaten, Suppen und Aufläufen. Die virtuelle Welt von facebook, instagram & Co. wäre aber eine bessere, wenn Süßkartoffelrezepte aus ihr verschwinden.


LEBENSART abonnieren / diese Ausgabe der LEBENSART bestellen