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ArtistInnen - Filmemacher, die bewegen

Filme lassen uns eintauchen in andere Welten und anderes Lebens spüren. Wie gelingt es FilmemacherInnen, mit ihren Bildern zu bewegen? Eva Stotz und Konstantin Faigle erzählen die Geschichte ihrer Filme.

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Foto: Viktoria Ruhmke Foto: Viktoria Ruhmke

Eva Stotz, Regisseurin „Global Home“
Als ich zum ersten Mal in Istanbul Couchsurfing ausprobierte, war ich fasziniert davon, dass hinter einem online Profil ein Mensch steht, der ganz uneigennützig mit Gästen seinen Wohnraum teilt. Ich durfte am Leben meines Gastgebers teilhaben, lernte seine Freunde kennen, sah wie er arbeitet und Alltägliches tut. Ich fühlte mich dadurch schnell zuhause, so etwas Abstraktes wie "Weltbürgerschaft" wurde plötzlich greifbar: Da fällte ich den Entschluss darüber einen Film zu machen.
Ich suchte nach Protagonisten, die spannende Initiativen gestartet haben oder einen eigensinnigen Lebensweg gehen, und ich fand sie. Mamatal, der Tuareg, fasziniert mit seiner weisen Haltung zum Leben, Michiko, die japanische Lehrerin, vermittelt den Tokiokindern einen Sinn für Natur, Alice, eine Ökoaktivistin, die die palästinensische Bevölkerung auf ökologischer Ebene unterstützt, Casey, der Gründer von Couchsurfing in San Francisco und Clara, die brasilianische Tänzerin, die in der Türkei lebt.
Alle fünf Episoden sollten zusammen ein anderes Bild von globalisierter Welt zeichnen. Statt deprimierender Nachrichten zeige ich Menschen, die auf ihre Art einen positiven Beitrag leisten. Dadurch hoffte ich, auch anderen Lust zu machen, neue Perspektiven einzunehmen und über ihre eigenen Möglichkeiten nachzudenken.
Die weltweiten Gemeinsamkeiten sind weit offensichtlicher, als die Unterschiede. Diese sind vor allem optisch, und in der Art wie wir die Dinge tun. Doch letztlich tun wir alle das Gleiche. Überall wird gekocht, waschen wir unsere Wäsche, arbeiten, wohnen, lieben, streiten - nur sieht es eben anders aus. Die Gemeinsamkeiten sind endlos, und lassen sich rund um die Gefühle gruppieren die uns alle bestimmen.

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Foto: Faigle Foto: Faigle

Konstantin Faigle, Regisseur „Frohes Schaffen“
Aufgewachsen in einem Gemischtwarenladen auf dem Land und somit ein Teil der "Arbeitsmasse" dieses Ladens, beschäftige ich mich schon lange mit dem Thema "Arbeit". Der konkrete Impuls zum Film kam 2008, nachdem ich die Dokumentation "Glückliche Nichtstuer" über zwei zufriedene Arbeitslose gemacht hatte. Nach der Ausstrahlung im WDR gab es heftige Reaktionen seitens der Zuschauer, von "Das sind die Helden der neuen Zeit!" bis "Die sollte man doch wieder in ein Arbeitslager stecken!" Das hat mir gezeigt, dass es sich beim Thema Arbeit um weit mehr als nur das Materielle dreht. Arbeit ist eine Ideologie, eine weltliche Ersatzreligion, die uns Identität, Sinn und Halt gibt –und die absolut keine Ketzer duldet!
Meine Thesen fand ich in den Schriften des amerikanischen Sozialhistorikers Benjamin Hunnicutt bestätigt. Er war einer der ersten Interviewpartner, die ich in den Film geholt habe, die alle wirklich Neues und Überraschendes zum Thema Arbeit erzählen können. Die fünf, sechs Experten, die man in jeder Talkshow sieht, habe ich bewusst ausgelassen.
Dann ging es darum die Absurditäten unserer momentanen Arbeitswelt dokumentarisch zu beleuchten. Was sich auszahlt, ist Geduld und Spucke. Erst Geduld und Muße, dann Spucke und Anstrengung. Immer nur verbissen rackern klappt nicht, genauso wenig wir nur rumhängen und wie es so schön neudeutsch heißt "chillen". Die Zuseher sollen erkennen, dass Arbeit nicht per se richtig und wichtig und Muße nicht per se falsch und abzulehnen ist. Erst wenn die Matrix der Arbeitsideologie bröckelt, kann man über weitere Dinge wie z.B. ein Grundeinkommen nachdenken.

Hier geht’s zum gesamten Interview

Infos: Beide Filme werden im Rahmen des Crossroads-Festivals in Graz gezeigt. Termine: www.crossroads-festival.org

Autorin: Roswitha M. Reisinger